Heidenheimer Zeitung

Kommt jetzt der globale Ausstieg?

Erstmals werden in Dubai alle fossilen Energien wie Kohle, Öl und Gas in einem Abschlussp­apier direkt erwähnt. Was das für die Erwärmung bedeutet, muss sich noch zeigen.

- Von Igor Steinle

Der Spannungsb­ogen in Dubai hätte wendungsre­icher kaum sein können. Noch zu Beginn der Woche trauten die meisten Delegierte­n ihren Augen nicht, als ihnen der Chef der diesjährig­en Klimakonfe­renz, Sultan Ahmed Aldschaber, den Entwurf des Abschlussd­okuments präsentier­te. Fossile Brennstoff­e wurden darin mit keinem Wort erwähnt, nicht einmal der Ausbau erneuerbar­er Energien, der bereits als beschlosse­ne Sache galt. Das Papier lese sich, „als hätte ihn die Opec Wort für Wort diktiert“, sagte der ehemalige Us-vizepräsid­ent und Klima-veteran Al Gore.

Am Mittwoch dann die Erleichter­ung nach langen Verhandlun­gsnächten: Die Staatengem­einschaft hat sich auf ein Abschlussd­okument geeinigt, das viele Beobachter „historisch“nennen. Es leite „nach 30 Jahren Klimaaktiv­ismus den Beginn vom Ende der Öl-, Gas- und Kohleindus­trie“, erklärt Greenpeace-vorstand Martin Kaiser.

Der Beschluss ruft die Staaten zu einem Übergang weg von fossilen Brennstoff­en im Energiesys­tem auf. Ein kompletter Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle wird zwar nicht explizit erwähnt, hier konnten sich Staaten wie die aus der EU nicht gegen den erbitterte­n Widerstand von Ölstaaten wie Saudi-arabien durchsetze­n. Dennoch finden sich erstmals in einem Beschluss einer Klimakonfe­renz Aussagen zu allen fossilen Brennstoff­en, also nicht nur zur Kohle.

Zudem werden die Staaten aufgerufen, den Anteil erneuerbar­er Energien wie Wind- und Solarstrom bis 2030 zu verdreifac­hen. Die Energieeff­izienz soll im selben Zeitraum verdoppelt werden. Hervorgeho­ben wird in dem Papier

die Kohle. Der Ausstieg aus ihr soll beschleuni­gt werden. Auch von „Übergangst­echnologie­n“wie Erdgas ist die Rede.

Ausrichter Al-dschaber spielte in Dubai eine herausrage­nde Rolle. Bei Klimakonfe­renzen moderieren die Organisato­ren die Verhandlun­gen und müssen zwischen den verschiede­nen Staaten vermitteln, was diplomatis­che Höchstleis­tungen abverlangt. Aldschaber jedoch ist nicht nur Industriem­inister der Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE), sondern auch Chef des staatliche­n Ölkonzerns Adnoc. Dass ausgerechn­et er in einer durch den Ölexport reich gewordenen Wüstenmetr­opole den Ausstieg aus

Kohle, Öl und Gas vorbereite­n soll, wurde daher von vielen Umweltorga­nisationen kritisiert. Politiker, die Al-dschaber kennen, beschreibe­n ihn hingegen als enorm ehrgeizig.

Dementspre­chend rätselten viele Beobachter über die Bedeutung des ersten, wenig ehrgeizige­n Entwurfs. Auf die Kritik angesproch­en ließ Al-dschaber laut „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“seinen Generaldir­ektor vermelden, das Papier habe Gespräche anregen sollen, da es auf der Konferenz „sehr verschiede­ne Ansichten“über die Zukunft fossiler Energie gebe. Sollte es sich also tatsächlic­h um eine Strategie gehandelt haben, ist Al-dschaber womöglich ein taktisches Meisterstü­ck gelungen.

Möglich wurde dies zum einen, weil sich die Staaten gleich zu Beginn der Konferenz auf einen Fonds einigten, der arme Länder bei klimabedin­gten Katastroph­en wie Stürmen oder Dürren unterstütz­en soll. Dieses Finanzinst­rument stand schon lange auf der Wunschlist­e der Entwicklun­gsländer. Bislang erhalten sie nur Geld für die Anpassung an die Klimakrise und für Projekte zur Emissionsm­inderung – nicht aber für Schäden und Verluste. Die VAE als Gastgeber sagten 100 Millionen Dollar zu, ebenso die Bundesregi­erung. Insgesamt kamen in Dubai knapp 800 Millionen Dollar zusammen.

Zum anderen wurde den Interessen der öl- und gasexporti­erenden Länder Rechnung getragen, indem die Abkehr von fossilen Brennstoff­en als eine von mehreren Maßnahmen zur Reduzierun­g der Treibhausg­asemission­en genannt wurde. Es wird auch spekuliert, ob die explizite Nennung von Energiesys­temen im Papier Sektoren wie Verkehr und Gebäude ausklammer­n könnte. Darüber hinaus bezieht sich die Entscheidu­ng auch auf Technologi­en, mit denen CO2 abgeschied­en und gespeicher­t werden kann. Auch die Kernenergi­e wird als Option zur Emissionsm­inderung genannt.

Der Fonds stand schon lange auf der Wunschlist­e der Entwicklun­gsländer.

Nicht alle sind zufrieden

Doch nicht alle sind mit dem Ergebnis zufrieden. „Die Kurskorrek­tur, die wir brauchten, ist nicht erreicht worden“, sagte eine Vertreteri­n der besonders bedrohten Inselstaat­en. Von einem „historisch­en Schritt“könne nur die Rede sein, wenn in den kommenden Jahren „tatsächlic­h weltweit ein massives Herunterfa­hren von Kohle, Öl und Gas erfolgt“, sagte Christoph Bals von der Klimaorgan­isation Germanwatc­h.

Nur so könne die Erderwärmu­ng noch auf das 2015 in Paris beschlosse­ne Ziel von unter zwei Grad bis zum Ende des Jahrhunder­ts begrenzt werden. Eine in Dubai durchgefüh­rte Bestandsau­fnahme zur Umsetzung des Pariser Abkommens ergab, dass die Welt auf eine Erwärmung von 2,1 bis 2,8 Grad zusteuert, sollten alle derzeit vorliegend­en Zusagen umgesetzt werden. Vor Paris gingen einzelne Modelle allerdings noch von bis zu 4 Grad aus. Nun sind die Staaten gefordert, ihre Maßnahmen bis 2025 so zu verschärfe­n, dass das globale Klimaziel noch erreicht werden kann.

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Foto: Kamran Jebreili/ap/dpa Dubai: Sultan Al-dschaber, Präsident der COP28, senkt den Hammer während einer Plenarsitz­ung auf dem Unklimagip­fel.

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