Soziale Schieflage
Der gelernte Jurist und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz wählt seine Worte immer mit Bedacht. Aus diesem Grund sollte man die Aussagen des Spd-mannes immer genau prüfen. Als er auf dem Spd-parteitag unter tosendem Beifall der Genossen sagte, „es wird keinen Abbau des Sozialstaates geben“, verstanden die meisten im Saal die Botschaft: Macht euch keine Sorgen, wir kürzen nicht. Dass sie damit falsch oder zumindest danebenlagen, konnten die Sozialdemokraten bei der Vorstellung des Sparplans durch den Kanzler erahnen. Hier sprach Scholz dann von „Kürzungen und Einsparungen“, hielt sich aber nicht mit konkreten Punkten auf. Er betonte vielmehr, die Regierung halte weiter an ihrem Ziel fest, den sozialen Zusammenhalt im Land zu stärken.
Tatsächlich hat die Koalition Beschlüsse gefasst, die nicht nur Genossinnen und Genossen als sozial unausgewogen betrachten dürften. Die deutliche Anhebung des Co2-preises pro Tonne um insgesamt 15 Euro wirkt de facto wie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, und die belastet untere Einkommensschichten proportional deutlich stärker, weil große Teile des Geldes in den Konsum lebensnotwendiger Waren fließen. Die Abgabe verteuert nämlich nicht nur Gas, Öl, Benzin und Diesel, sondern im Endeffekt auch alle anderen Produkte. Der von der Koalition versprochene soziale Ausgleich durch das Klimageld fällt hingegen erst mal aus.
Ob es der Plastikindustrie und den Landwirten gelingen wird, den Wegfall der Subventionen auf die Kunden umzulegen, gilt zwar als noch nicht ausgemacht. Wenn es so kommen sollte, sind auch dadurch wiederum die Geringverdiener – siehe oben – überproportional stark betroffen.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) weist darauf hin, dass man das Regierungshandeln insgesamt sehen müsse und die bereits vereinbarte Senkung der Einkommensteuer viele Arbeitnehmer deutlich entlasten wird. Das ist richtig.
Aber: Wer keine Steuern zahlt, weil er nur wenig verdient, wird auch nicht entlastet. Wer nur wenig Steuern zahlt, wird nur geringfügig entlastet. Die demnächst höheren Kosten für die Energie und die Lebenshaltung
Weit mehr als zwei Milliarden Euro werden im Sozialbereich gespart.
dürften damit jedenfalls nicht ausgeglichen werden. Nein, auch die Entscheidung, der Rentenversicherung 600 Millionen Euro weniger zu überweisen, bedeutet nicht den Abbau des Sozialstaates. Er wird auch nicht dadurch abgebaut, indem die Zuschüsse für Fortbildungen im Bürgergeld entfallen oder arbeitsfähige Empfänger von Sozialleistungen deutlicher aufgefordert werden, eine Beschäftigung aufzunehmen. Dass dadurch aber weit mehr als zwei Milliarden Euro im Sozialbereich gespart werden und dass das Folgen hat, kann aber niemand bestreiten.
Die angekündigten Kürzungen sind durchaus sachlich zu begründen. Verstimmt zurück lässt einen allerdings die Erzählung des Kanzlers, man könne im kommenden Jahr mehr als 30 Milliarden Euro einfach so zusammenstreichen – auch wenn damit nicht gleich der Sozialstaat abgebaut wird.