„Antisemiten dürfen nicht Deutsche werden“
Wer jüdische Menschen beleidige, könne nun nicht mehr eingebürgert werden, sagt der Justizminister. Im Interview spricht er außerdem über den Verbleib in der Ampel, ein mögliches Afd-verbot und Buchtipps für Weihnachten.
Kurz vor Weihnachten ist Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) besonders im Zeitstress. Zu mehreren noch nicht ganz abgeschlossenen Gesetzesprojekten kommt in diesen Tagen auch noch die alles dominierende Haushaltskrise. Den Interviewtermin lässt sein Büro deshalb vorsichtshalber um eine Viertelstunde nach hinten verschieben. Dann dauert es noch ein wenig, bis sich die Tür zu seinem Dienstzimmer öffnet und wir empfangen werden. Es sei tatsächlich eine Menge los im Moment, sagt Buschmann zur Begrüßung. Seit er Minister sei, kenne er nur noch drei Arten von Zeitvorgaben: „Eilt; eilt sehr; sofort“, sagt er und lacht dabei. Dann geht es aber auch „sofort“los mit dem Interview.
Herr Buschmann, freuen Sie sich eigentlich schon auf ein paar ruhige Tage über Weihnachten?
Ja klar. Nach den intensiven politischen Debatten tut es gut, sich ein paar Tage lang auf andere und sehr schöne Dinge zu konzentrieren.
Die Koalition hat sich im Schuldenstreit nun geeinigt. Sollte als Konsequenz aus den anstehenden Problemen die Konstruktion der Schuldenbremse verändert werden, in dem man Kreditaufnahmen für Zukunftsinvestitionen nicht mehr anrechnet?
Das hielte ich für einen Rückschritt. Ein Kaufmann würde nur dann Schulden machen, wenn die Investition durch künftige Erträge mindestens kompensiert wird. Wie soll das beim Staat funktionieren? Der politische Investitionsbegriff ist beliebt, aber grenzenlos. Das würde uns auf eine schiefe Ebene bringen. Die Schuldenbremse hat sich bewährt – sie sollte bleiben. Die Einigung jetzt zeigt doch: Wir haben eine gute Lösung für das Land. Denn wir investieren in wichtige Dinge, entlasten die Bürger und halten zugleich die Schuldenbremse ein.
Ein Teil der Fdp-mitgliedschaft will die Koalition beenden und hat eine Mitgliederbefragung durchgesetzt. Wie werden Sie abstimmen?
Ich werde selbstverständlich für den Verbleib in der Koalition stimmen. Wir haben eine Regierung unter Beteiligung der FDP, die besser ist als alle Alternativen, die es dazu gäbe. Wir haben in dieser Regierung beachtliche Erfolge erzielt: Wir haben Steuersenkungen organisiert, nehmen gerade den Kampf gegen die Bürokratie auf, stellen eine neue Ordnung in der Migrationspolitik her. Das sind alles Initiativen der FDP. Es wäre geradezu verrückt, diese erfolgreiche Politik durch etwas völlig anderes zu ersetzen.
Sie nennen das Stichwort Migration. In ihrem Entwurf zum Grundsatzprogramm will die CDU jeden, der in Europa Asyl beantragt, in einen sicheren Drittstaat rückführen, wo der anerkannte Asylbewerber dann auch bleiben müsste. Ist das verfassungsrechtlich haltbar?
Ich will zunächst mal daran erinnern, dass es unter der Regierung einer Cdukanzlerin hieß, man könne die deutschen Grenzen nicht schützen. Wir zeigen das Gegenteil. Allein von Mitte Oktober bis Mitte November haben wir mehrere tausend Menschen an den deutschen Grenzen nach Osteuropa zurückgewiesen und weitere 5000 illegale Grenzübertritte aufgedeckt. Wir sind auf gutem Weg zu mehr Ordnung bei der Migration.
Und das nun vorgelegte Cdu-konzept?
Wir brauchen ein europäisches Asylsystem, das die Lasten fair verteilt. Wir müssen dafür den Außengrenzschutz verstärken und einen gerechten Verteilmechanismus etablieren. Natürlich muss die irreguläre Migration nach Deutschland deutlich abnehmen. Wenn es aber die Idee wäre, dass Deutschland überhaupt keine Flüchtlinge mehr aufnehmen soll, wird man das in Europa nicht durchsetzen können. Ich bin offen für eine Prüfung, ob die Durchführung von Verfahren in sicheren Drittstaaten möglich ist. Aber alles wird scheitern, wenn der Obersatz wäre: Deutschland nimmt niemanden mehr auf. Wir brauchen nationale Maßnahmen, aber auch die europäische Lösung.
Mit dem Landesverfassungsschutz in Sachsen hat nun eine dritte Landesbehörde die AFD als gesichert rechtsextrem eingestuft. Ist das für Sie der Anlass, über ein Verbotsverfahren nachzudenken?
Als Justiz- und Verfassungsminister weise ich darauf hin, dass die Hürden für ein Verbot sehr hoch sind. Selbst der Nachweis einer verfassungsfeindlichen Gesinnung würde für sich genommen nicht genügen. Es muss zum Beispiel auch eine erwiesene aggressiv-kämpferische Verhaltensweise hinzukommen.
Und als Abgeordneter?
Als Abgeordneter bin ich der Auffassung, dass wir die AFD politisch bekämpfen und klein machen müssen. Es gibt ja Ursachen dafür, dass eine große Zahl von Menschen bereit ist, eine von den Verfassungsschutzbehörden in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestufte und in jedem Fall rechtspopulistische Partei zu wählen. Wir müssen die Probleme lösen, die viele Menschen umtreiben. Wir müssen die Frage beantworten, wie wir es schaffen, dass wieder mehr Menschen das Vertrauen in seriöse Parteien zurückgewinnen. Was wir vermeiden müssen, wäre ein aus Mangel an Beweisen von vornherein aussichtsloses Verfahren zu führen. Ein solches Verfahren wäre ein Propagandafest für die AFD. Sie würde es als Reinwaschung durch das Bundesverfassungsgericht vermarkten.
Das neue Staatsbürgerschaftsrecht erleichtert Einbürgerungen. Ist das aktuell, in einer Zeit, da auf deutschen Straßen der Hamas zugejubelt wird, nicht das falsche Signal?
Gerade vor diesem Hintergrund sind die angestrebten Änderungen im Staatsbürgerschaftsrecht von besonderer Dringlichkeit. Menschen können schneller deutsche Staatsbürger werden, aber es wird eben zugleich auch anspruchsvoller. Man muss etwa seinen Lebensunterhalt vollständig selbst bestreiten können, statt dauerhaft vom Staat zu leben. Zudem stärken wir die Anforderung, auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu stehen. Bislang kann es passieren, dass Menschen, die wegen antisemitischen Verhaltens strafrechtlich verurteilt worden sind, eingebürgert werden. Ich habe mich persönlich dafür eingesetzt, dass die Einbürgerungsbehörden nun selbst bei bestimmten Bagatellstraftaten den Hintergrund für die Tat prüfen müssen. Eine Verurteilung wegen Beleidigung mit antisemitischen Motiven stellt nun einen absoluten Ausschlussgrund für eine Einbürgerung dar. Auch wer unabhängig von der Begehung einer Straftat kundgetan hat, dass er den Staat Israel von der Landkarte tilgen möchte, kann nicht eingebürgert werden. Antisemiten dürfen nicht Deutsche werden.
Die Ampel ist als Fortschrittskoalition angetreten, die gesellschaftliche Reformen anpacken will. Aber beim Unterhaltsrecht befürchten viele Mütter, dass sie bei einer Trennung einen Großteil der Betreuung stemmen müssen, künftig jedoch weniger Unterhalt bekommen. Wird es so kommen?
Unser Leitstern ist das Kindeswohl. Für die Entwicklung eines Kindes ist es förderlich, wenn es eine gute Beziehung zu beiden Elternteilen hat, auch dann, wenn die Partnerschaft gescheitert ist. Hinzu kommt, dass sich die Rollenmodelle so gewandelt haben, dass sich viele Väter stärker in die Betreuung einbringen wollen. Deshalb wollen wir das jetzige Unterhaltsrecht so ändern, dass es besser zu diesen Anforderungen passt.
Was ist der Unterschied zum jetzt geltenden Recht?
Im jetzigen Unterhaltsrecht besteht die Ungerechtigkeit, dass einige Elternteile sowohl Betreuung leisten, als auch so viel bezahlen müssen, als ob sie überhaupt keine Betreuungsleistung erbringen. Darum wollen wir uns stärker daran orientieren, wie viel Väter und Mütter zur Betreuung tatsächlich beitragen, und zudem einen Anreiz setzen, dass sich jeder Elternteil verlässlich um das Kind kümmert. Wir schaffen damit für alle Beteiligten eine faire, moderne und den Wertvorstellungen der Gesellschaft entsprechende Lösung, bei der wir zudem darauf achten, dass es keine Härtefälle gibt.
Aber wie wollen Sie nachprüfen, dass die Kinder auch wirklich betreut und nicht nur verwahrt werden?
Eltern lieben ihre Kinder und wollen das Beste für sie. Das ist die Regel. Dass Eltern ihre Pflichten nicht ernst genug nehmen, kann man im Einzelfall nicht ausschließen. Das ist aber ja keine Frage, ob die Eltern getrennt oder noch ein Paar sind. Für Ausnahmefälle gibt es Familiengerichte, die dann korrigierend eingreifen können.
Sie haben gesagt, dass Sie sich darauf freuen, über Weihnachten ein wenig zur Ruhe zu kommen. Wie werden Sie Weihnachten feiern?
Wir feiern ganz traditionell. Meine Schwiegereltern kommen zu Besuch. Dann gehen wir Heiligabend in die Kirche. Wir essen zusammen, dann werden die Geschenke ausgepackt. Ich finde das etwas sehr Schönes: dass man in einer schnelllebigen Zeit solche verlässlichen Orientierungspunkte wie Weihnachten hat.
Manche suchen noch nach einem passenden Weihnachtsgeschenk. Welchen Buchtipp haben Sie?
Ich habe gerade ein Buch gelesen, das ich sehr empfehlen kann: „Die Verlockung des Autoritären“von Anne Applebaum. Es geht um eine Party, die sie in Polen kurz nach dem Zusammenbruch des Sozialismus organisiert hat. Heute sind die Umstände, unter denen viele Gäste dieser Party leben, objektiv besser, aber sie fühlen sich schlechter und zum Autoritären hingezogen. Die Autorin fragt, warum das so ist – eine Frage, die ich mir auch hin und wieder stelle.
Ich werde selbstverständlich für den Verbleib in der Koalition stimmen.
Natürlich muss die irreguläre Migration nach Deutschland deutlich abnehmen.