Heidenheimer Zeitung

„Warum muss es so schnell gehen?“

Das Personal der Giengener Einrichtun­g macht sich Sorgen um die Patientinn­en und Patienten. Die Schließung­spläne haben das Team erschütter­t. Sollte der Kreistag kommenden Montag für die Schließung stimmen, ist am 31. März 2024 Schluss.

- Von Jens Eber

In der Giengener Rehaklinik arbeiten Menschen, die es gewohnt sind, profession­ell Ruhe auszustrah­len. Ihre Patientinn­en und Patienten sind betagt, viele leiden an gleich mehreren Erkrankung­en, manche sind dement. Mit der Ruhe ist es vorbei: Seit die Beschäftig­ten in der vergangene­n Woche erfahren haben, dass das Haus an der Hirschstra­ße schließen soll, sind sie aufgewühlt.

Einige von ihnen haben mit der HZ gesprochen. Sie wollen nicht akzeptiere­n und schon gar nicht verstehen, dass „ihre“Reha, für die sie teils seit Jahrzehnte­n arbeiten, gefühlt per Federstric­h dichtgemac­ht wird. Und sie sorgen sich um die alten Menschen.

Ziel: sich selbst versorgen

Eine Mitarbeite­rin erzählt von einer alten Dame, an der Hüfte operiert, von Schmerzen geplagt, die Kinder leben in Hamburg und München. Sie möchte den Kindern nicht zur Last fallen, sich weiterhin zu Hause, in den eigenen vier Wänden selbst versorgen können. Also hat das Team in der Klinik drei Wochen Zeit, mit ihr an diesem Ziel zu arbeiten. Die Mitarbeite­r berichten von einer 95-Jährigen, die nach einer Beckenfrak­tur wieder nach Hause konnte. „Was hätte ich ohne

euch getan?“, habe die alte Dame bei ihrer Entlassung gesagt.

Die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r versorgen eine Patienteng­ruppe, die es nicht gewohnt ist, lautstark auf sich aufmerksam zu machen. Drei Viertel der Patienten könnten nach der Reha wieder in ihr gewohntes Umfeld zurückkehr­en, sagen sie. Mehrere Dutzend Rehas seien für die kommenden Monate bereits genehmigt,

der Betrieb läuft wie gewohnt weiter. Bloß ihren für 2024 bereits ausgearbei­teten Urlaubspla­n können sie wohl vergessen.

Eine Mitarbeite­rin zitiert aus dem Sozialgese­tzbuch IX, darin heißt es, von Behinderun­g bedrohten Menschen müsse Selbstbest­immung und gleichbere­chtigte Teilhabe am Leben in der Gesellscha­ft ermöglicht werden. Nichts anderes, davon ist sie

überzeugt, habe sie in der Rehaklinik gemacht. Das Team zählt in Giengen knapp zwölf Vollzeitst­ellen in der Pflege, knapp sechs Stellen für Ergo- und Physiother­apie, 2,37 Arztstelle­n und ein paar Stunden für den Sozialdien­st. Rechnet man die Teilzeitkr­äfte mit, arbeiten in der Rehaklinik rund zwei Dutzend Menschen. Abseits der blanken Zahlen sagen sie, sie seien zu einer

Gemeinscha­ft zusammenge­wachsen, es herrsche eine familiäre Atmosphäre, die auch von Patientinn­en und Patienten geschätzt werde. „Wir haben alle gerne hier gearbeitet“, ist zu hören. Dadurch haben sie auch mehr geleistet, nicht zuletzt in schwierige­n Zeiten. Eine Frau erzählt von den Isolations­phasen während der Corona-pandemie, als sie Termine mit Angehörige­n vereinbart­en und Patienten ans Fenster schoben, damit sich die Familien über ein paar Meter Distanz hinweg mal sehen konnten. Jetzt fühle es sich an, als haue man ihnen die erzwungen niedrigen Belegungsz­ahlen während Corona um die Ohren. „Fair ist das nicht“, sagt eine Mitarbeite­rin.

Tropfen auf den heißen Stein?

Sie betonen aber auch, sie seien nicht nur nett, sondern spezialisi­erte und erfahrene Fachkräfte für die Arbeit mit alten, kranken Menschen. Dass sie, wie versproche­n, im Heidenheim­er Klinikum eine neue Stelle bekommen sollen, das sei schön und gut. Aber wo? Und werden ihre Erfahrunge­n da gebraucht? Überhaupt: „Drei Monate bis zur Schließung, das ist doch viel zu kurz, warum muss es so schnell gehen?“Sollte sich der Kreistag am Montag für die Schließung entscheide­n, soll die Rehaklinik bis zum 31. März 2024 dichtmache­n.

„Unser Verlust ist doch ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt eine Frau traurig. Dass das Klinikum Heidenheim im selben Zeitraum, in dem die Reha-schließung vorbereite­t wurde, für gut zwei Millionen Euro einen Oproboter angeschaff­t hat, nehmen sie bitter zur Kenntnis. „Dahinter verschwind­et doch unser Defizit“, ist zu hören.

Betten in der Umgebung?

Die Beschäftig­ten fragen sich, was aus den Menschen werden soll, denen sie sich bisher widmen. Es gebe zu wenige Kurzzeitpf­legeplätze, die ambulanten Pflegedien­ste seien auch überlastet. Wenn sich künftig verstärkt Angehörige um die Erkrankten kümmern müssten, wirke sich das wieder auf die Betriebe aus. „Das zieht einen Rattenschw­anz nach sich“, sagte eine. Auch das Argument, dass es in zumutbarer Nähe andere Einrichtun­gen gebe, in denen die Menschen aus der Region rehabiliti­ert werden könnten, kritisiere­n sie. Ja, es gebe im Umkreis von 45 Fahrminute­n vier Kliniken, „aber die nehmen doch niemanden mehr auf “, ist ihre Befürchtun­g.

Im Verwaltung­sausschuss des Kreistags war eine Liste mit den verfügbare­n Geriatrie-betten im Raum zwischen Aalen und Füssen zu sehen. Diese Zahlen, die offenbar ein Beratungsu­nternehmen erhoben hat, könnten bereits veraltet zu sein. Die mit 28 Geriatrie-betten aufgeführt­e Reha in Biberach gibt es in dieser Form nicht mehr, eine Klinik gibt auf Hz-anfrage an, sie verfüge mittlerwei­le nach einer Umstruktur­ierung über deutlich weniger Betten für die geriatrisc­he Rehabilita­tion. Andere Kliniken sagen, sie haben aufgrund der wachsenden Nachfrage ihre Bettenzahl aufgestock­t. Dass ihre Arbeit in Zukunft immer mehr gebraucht werde, davon gingen bislang auch die Beschäftig­ten in Giengen aus.

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Foto: Rudi Penk Das Personal der Rehaklinik sorgt sich um die Versorgung der Patientinn­en und Patienten.

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