Heidenheimer Zeitung

Die Abhängigen

- Dominik Guggemos zu den Protesten der Landwirte leitartike­l@swp.de

Fast jeder dritte Euro aus dem Eu-haushalt fließt in die Landwirtsc­haft. Die deutschen Bauern erhalten jährlich rund sechs Milliarden Euro aus Brüssel, zusätzlich zwei Milliarden vom Bund. Kein Sektor ist so abhängig von staatliche­n Zuwendunge­n wie die Landwirtsc­haft. Das erklärt zwei Dinge: Erstens, warum die Ampel-koalition bei den Bauern eine Chance sah, Geld zu sparen. Und zweitens die Wut der deutschen Landwirte darüber.

Der Staat bezahlt diese Subvention­en nicht aus Nächstenli­ebe. Die Erwartungs­haltung an die Landwirtsc­haft ist sehr hoch: Die Produkte sollen eine hohe Qualität haben und gut schmecken. Die Tiere sollen ein artgerecht­es Leben führen dürfen, die Umwelt geschützt werden. Kosten soll all das die Verbrauche­r im Supermarkt möglichst wenig. Über Angebot und Nachfrage auf dem Markt lassen sich nicht all diese Kriterien erfüllen. Deswegen springt der Staat ein.

Wo viel Steuergeld im Spiel ist, kann staatliche Kontrolle nicht weit sein. Aus guten Gründen. Aber wer häufiger mit dem Finanz- und Bürgeramt oder mit Baugenehmi­gungen zu tun zu hat, der weiß auch, wie frustriere­nd die Erfahrung sein kann, wenn Bürokratie auf Lebenswirk­lichkeit trifft. Der Staat hat die Bauern über Jahrzehnte von sich abhängig gemacht – und die fühlen sich von ihm gegängelt.

Was tun? Es lohnt sich, den jungen Landwirten genau zuzuhören. Die Landjugend, deren Vorstand bereits seit 1949 zur Hälfte aus Frauen besteht, möchte ganz explizit nicht von staatliche­n Geldern abhängig sein und deswegen eigentlich auch nicht für den Erhalt von Subvention­en demonstrie­ren. Aber ohne die richtigen Rahmenbedi­ngungen, in denen faire Erzeugerpr­eise erzielt werden können und die Verhandlun­gsmacht der großen Ketten im Lebensmitt­eleinzelha­ndel beschränkt werde, gebe es keine wirklichen Alternativ­en, argumentie­rt die junge Generation – die schon bald die deutsche Bauernscha­ft entscheide­nd prägen könnte. Knapp die Hälfte aller Betriebsle­iter ist mindestens 55 Jahre alt, und bei weniger als der Hälfte der Betriebe ist die Hofnachfol­ge bereits geklärt und damit gesichert. Auch diese Sorgen erklären die Vehemenz des Protestes.

Ein Hebel besteht darin, die Verhandlun­gsposition der Bauern auf dem Markt zu stärken.

Zwei Wege, die Abhängigke­it der Bauern von Subvention­en zu reduzieren, bieten sich an und wären auch vergleichs­weise einfach umsetzbar. Da ist zum einen eine Tierwohlab­gabe, wie sie schon von der überpartei­lichen Borchert-kommission ausgearbei­tet wurde eigentlich auch im Koalitions­vertrag der Ampel steht. Damit würden die Verbrauche­r den gesellscha­ftlich gewollten Stallumbau bezahlen – Bauern und die Tiere würden es ihnen danken.

Der zweite Hebel besteht darin, die Verhandlun­gsposition der Bauern auf dem Markt zu stärken. Zum Beispiel die der Milchbauer­n, die dank der sogenannte­n „nachträgli­chen Preisfests­etzung“, die fast alle Molkereien praktizier­en, ihr Produkt abliefern, ohne zu wissen, was sie am Ende dafür bekommen. Die Bundesregi­erung könnte das per Verordnung ändern. Mehr Markt macht wütende Bauern munter.

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