Die Abhängigen
Fast jeder dritte Euro aus dem Eu-haushalt fließt in die Landwirtschaft. Die deutschen Bauern erhalten jährlich rund sechs Milliarden Euro aus Brüssel, zusätzlich zwei Milliarden vom Bund. Kein Sektor ist so abhängig von staatlichen Zuwendungen wie die Landwirtschaft. Das erklärt zwei Dinge: Erstens, warum die Ampel-koalition bei den Bauern eine Chance sah, Geld zu sparen. Und zweitens die Wut der deutschen Landwirte darüber.
Der Staat bezahlt diese Subventionen nicht aus Nächstenliebe. Die Erwartungshaltung an die Landwirtschaft ist sehr hoch: Die Produkte sollen eine hohe Qualität haben und gut schmecken. Die Tiere sollen ein artgerechtes Leben führen dürfen, die Umwelt geschützt werden. Kosten soll all das die Verbraucher im Supermarkt möglichst wenig. Über Angebot und Nachfrage auf dem Markt lassen sich nicht all diese Kriterien erfüllen. Deswegen springt der Staat ein.
Wo viel Steuergeld im Spiel ist, kann staatliche Kontrolle nicht weit sein. Aus guten Gründen. Aber wer häufiger mit dem Finanz- und Bürgeramt oder mit Baugenehmigungen zu tun zu hat, der weiß auch, wie frustrierend die Erfahrung sein kann, wenn Bürokratie auf Lebenswirklichkeit trifft. Der Staat hat die Bauern über Jahrzehnte von sich abhängig gemacht – und die fühlen sich von ihm gegängelt.
Was tun? Es lohnt sich, den jungen Landwirten genau zuzuhören. Die Landjugend, deren Vorstand bereits seit 1949 zur Hälfte aus Frauen besteht, möchte ganz explizit nicht von staatlichen Geldern abhängig sein und deswegen eigentlich auch nicht für den Erhalt von Subventionen demonstrieren. Aber ohne die richtigen Rahmenbedingungen, in denen faire Erzeugerpreise erzielt werden können und die Verhandlungsmacht der großen Ketten im Lebensmitteleinzelhandel beschränkt werde, gebe es keine wirklichen Alternativen, argumentiert die junge Generation – die schon bald die deutsche Bauernschaft entscheidend prägen könnte. Knapp die Hälfte aller Betriebsleiter ist mindestens 55 Jahre alt, und bei weniger als der Hälfte der Betriebe ist die Hofnachfolge bereits geklärt und damit gesichert. Auch diese Sorgen erklären die Vehemenz des Protestes.
Ein Hebel besteht darin, die Verhandlungsposition der Bauern auf dem Markt zu stärken.
Zwei Wege, die Abhängigkeit der Bauern von Subventionen zu reduzieren, bieten sich an und wären auch vergleichsweise einfach umsetzbar. Da ist zum einen eine Tierwohlabgabe, wie sie schon von der überparteilichen Borchert-kommission ausgearbeitet wurde eigentlich auch im Koalitionsvertrag der Ampel steht. Damit würden die Verbraucher den gesellschaftlich gewollten Stallumbau bezahlen – Bauern und die Tiere würden es ihnen danken.
Der zweite Hebel besteht darin, die Verhandlungsposition der Bauern auf dem Markt zu stärken. Zum Beispiel die der Milchbauern, die dank der sogenannten „nachträglichen Preisfestsetzung“, die fast alle Molkereien praktizieren, ihr Produkt abliefern, ohne zu wissen, was sie am Ende dafür bekommen. Die Bundesregierung könnte das per Verordnung ändern. Mehr Markt macht wütende Bauern munter.