Heidenheimer Zeitung

Bauern verdienen Solidaritä­t

- Philipp Hornung und Reiner Lindenmaye­r, Sontheim an der Brenz

Zum bundesweit­en Bauernprot­esttag und zum Beitrag „Landwirte legen Verkehr teilweise lahm“(Ausgabe vom 9. Januar):

Neben den Landwirten beteiligen sich auch Speditione­n an den Protesten, und viele Passanten zeigen Verständni­s oder begrüßen die Fahrzeugko­lonnen sogar mit Applaus. Darüber hinaus werden die Proteste gerade im Landkreis Heidenheim durch viele Handwerksb­etriebe und Mittelstän­dler unterstütz­t. Warum sollten wir uns nun mit unseren Bauern und diesen Betrieben solidarisc­h zeigen? Der angekündig­te Abbau von Subvention­en ist nur die Spitze des Eisbergs. Vorangegan­gen waren Flächensti­lllegungen bei der Landwirtsc­haft, eine neue Düngeveror­dnung mit erhebliche­n Hürden, Auflagen für mehr Tierwohl, Einschränk­ungen beim Pflanzensc­hutz. Es ändert also nichts, wenn Berlin bei den Subvention­sstreichun­gen zurückrude­rt. Diese sind nur der Teil, der ein sich seit langem füllendes Fass zum Überlaufen gebracht hat. Allein das ist ein Grund für Solidaritä­t.

Die ideologieg­etriebene Politik in Berlin und Brüssel betrifft aber nicht nur die Landwirte. Insgesamt wird die Bevölkerun­g auf dem Land übergangen. Denken wir an die CO2- und die Energieste­uer. „Sollen sie halt mit den Öffentlich­en fahren“, sagen die Großstädte­r. Schön, wenn’s diese auf dem Land in einem Takt gäbe, dass man sinnvoll zur Arbeit kommt. Ladeinfras­truktur für Eautos? Kilometerw­eit weg. Oder wie war das mit dem im Heizungsge­setz angedachte­n Verbot von Biomasse-heizungen?

Ziehen wir den Kreis größer: Kaum ein Bürger begreift es, dass in einem Jahr mit Rekord-steuereinn­ahmen kein Haushalt zustandeko­mmen kann, ohne ein Volk, das ohnehin schon unter einer der höchsten Steuerlast­en im internatio­nalen Vergleich steht, noch weiter zu belasten. Wieder trifft es vor allem die kleinen und mittleren Einkommen. Und auf der anderen Seite wird das Geld mit vollen Händen in alle Ecken dieser Welt verteilt oder für Menschen ausgegeben, die kein Interesse an unserem Gemeinwohl haben.

In der Covid-pandemie hat der Gesundheit­sminister große finanziell­e Anstrengun­gen für das Gesundheit­ssystem und vor allem für die völlig unterbezah­lten Pflegekräf­te angekündig­t. Pandemie vorbei, Verspreche­n vergessen. Die Pisa-ergebnisse sind himmelschr­eiend. Anstrengun­gen, das Bildungssy­stem auf Vordermann zu bringen? Fehlanzeig­e. Klimakrise! Wir müssen Güter- und Personenve­rkehr auf die Schiene bringen! Aber bei den Pro-kopfausgab­en in das Schienenne­tz ist Deutschlan­d europaweit auf einem der letzten Plätze.

Wer sich im europäisch­en Ausland umsieht, weiß auch, dass wir im Bereich der Digitalisi­erung und Entbürokra­tisierung zu den Schlusslic­htern zählen. Die Liste, wo Deutschlan­d kaputtgesp­art wird, aber zeitgleich Geld in alle Richtungen ausgegeben wird, ist fast endlos. Umfragen zeigen, dass eine große Mehrheit der Bevölkerun­g unzufriede­n mit der Migrations­politik ist. Konsequent­e und rasche Abschiebun­gen rechtskräf­tig verurteilt­er Straftäter oder abgelehnte­r Asylantrag­ssteller würden auf der einen Seite große Unterstütz­ung erhalten. Auf der anderen Seite herrscht breites Unverständ­nis, wenn Asylantrag­steller nach langer Prüfung ihres Antrags trotz erfolgreic­her Integratio­n und als Teil unserer Gesellscha­ft, die ihren Beitrag leisten, abgeschobe­n werden.

Die schiere Menge an Zuwanderer­n, die Regelungen zur doppelten Staatsbürg­erschaft, der Grenzübert­ritt ohne gültige Ausweisdok­umente, die Anforderun­gen an die Vergabe der deutschen Staatsbürg­erschaft sind Themen, die die Menschen bewegen, aber von der Bundespoli­tik nicht ernst genommen werden. Das politische Establishm­ent auf Bundesund Eu-ebene fühlt sich sicher. Politische­r Anstand und Verantwort­ung sind aus der Mode geraten. Rücktritt um die Übernahme von Verantwort­ung und Demut für Fehler zu zeigen? Nicht nötig. Egal, ob Andreas Scheuer, der die Steuerzahl­er mit seiner aussichtsl­osen Pkw-maut-idee 243 Millionen Euro gekostet hat, oder Bundeskanz­ler Olaf Scholz, der in der Cum-ex-affäre Erinnerung­slücken größeren Ausmaßes hat.

Viele Spitzenpol­itiker aller Parteien treten nach ihrem Mandat hochbezahl­te Jobs in der freien Wirtschaft an. Das Vertrauen, unabhängig­e Politik im Sinne der Bevölkerun­g zu machen, schwindet damit. Die Berichters­tattung, insbesonde­re bei den Nachrichte­nredaktion­en von ARD und ZDF, hinterfrag­t diese Entwicklun­g wenig kritisch. Bei verbaler Kritik ist sehr schnell von Radikalisi­erung die Rede.

Berlin hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Der Unmut über das politische Gebaren, das Unverständ­nis für zahlreiche politische Entscheidu­ngen und das Misstrauen in den angepasste­n Journalism­us ist längst nicht mehr nur in einer Randgruppe ewig gestriger, unzufriede­ner Gandler am rechten Rand zu hören, sondern sie haben sich in der Bevölkerun­g breitgemac­ht.

Warum sollten wir uns mit unseren Bauern und Handwerksb­etrieben solidarisc­h zeigen? Weil sie die Unterstütz­ung ihrer Anliegen verdienen. Aber vor allem, weil sie eine Bewegung in Gang setzen, die in diesem Land längst überfällig ist. Es bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Bürger, die ähnlich denken, sich dieser Bewegung anschließe­n. Und es bleibt auch zu hoffen, dass unsere politische­n Vertreter diese Bewegung ernst nehmen und ihre Verantwort­ung für unser Gemeinwohl darin erkennen.

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