Heidenheimer Zeitung

Ein Mann sieht rot

Gut 130 Kabarettbe­geisterte frönten in der Dischinger Arche den Ausführung­en von Bernd Kohlhepp im Rahmen seines Programms „Hämmerle eskaliert“.

- Von Alexander Möller

Viele Worte muss man über Bernd Kohlhepp einleitend sicherlich nicht verlieren. Der 1962 im schweizeri­schen Zofingen zur Welt gekommene und in Tübingen lebende Schauspiel­er, Kabarettis­t, Autor und Musiker ist ein gern gesehener Gast in unseren Breitengra­den.

Sein Alter Ego Hämmerle, welches er 1998 zum Leben erweckte, benötigt keine Vorwärmpha­se: betritt Hämmerle die Bühne, ist er auf 180 und in einem nicht mehr zu stoppenden Redeschwal­l, um nach wenigen Minuten festzustel­len:“vielleicht hat mir mein Arzt einfach die falschen Medikament­e verschrieb­en“.

Die hohe Kunst des Bruddelns

Das Leben des Herrn Hämmerle befindet sich in einem gewaltigen Umbruch. Seine Frau hat ihm dem Laufpass gegeben und den Job ist er nach internen Umstruktur­ierungsmaß­nahmen auch los. Zeit, sich den wichtigen Dingen des Lebens zu widmen. Beim Aufräumen des Kellers entdeckte Hämmerle einen Band mit längst vergessene­n Gedichten und gab lyrische Schwergewi­chte wie „Der Pömpel“, die „Kutterscha­ufel-trilogie“oder „Die Spuckgugg“zum Besten.

Hämmerle erläuterte, weshalb Pinguine als Vorbild des Zusammenha­ltes für uns Menschen dienen, uns beim Gendern weit voraus sind und es angesagt ist, mit den urigen Seevögeln bevorzugt einen Abstecher zum DönerStand zu machen, anstatt die Wilhelma oder den Funkturm in Stuttgart zu besuchen. Die Frage, ob Zebras nun weiße oder doch schwarze Streifen haben, wurde wissenscha­ftlich endlich geklärt. Seinem Kumpel Peter Brodbeck half er beim Beantworte­n von 200 teils delikaten Fragen aus dem Parship-katalog. Hämmerle weiß nun mal ganz genau, was Frauen wollen – zumindest glaubt er das.

Weniger begeistert zeigte sich Hämmerle von seiner neuen Männer-wg, der neben Brodbeck auch Sautter beiwohnen sollte – beide wurden kurzerhand von ihren Frauen vor die Tür gesetzt und suchten nach einer neuen Bleibe. Die notorische Unordnung von Hämmerle litt gewaltig und irgendwann fand er sich nachts nicht mehr im Bett oder auf dem Sofa, sondern mitsamt Sautters Graupapage­i in der Badewanne. Welch ein Abstieg. Da half auch der Staubsaugr­oboter nichts: Der Ärmste wäre fast an einer längst verscholle­nen alten Socke von Hämmerle beim Verrichten seiner Arbeit erstickt. Dafür gab es eine Ode an den guten alten Handfeger und den Verweis, dass ein Schwabe niemals durch künstliche Intelligen­z ersetzt werden kann.

Ein Abend ohne Gesangsein­lagen bei Herrn Hämmerle? Vollkommen undenkbar. Der Kultsong „Iko Iko“aus dem Jahre 1953 wurde in schwäbisch intoniert und somit um eine vollkommen eigene Nuance erweitert. Bobby Mcferrin’s „Don’t Worry Be Happy“wurde kurzerhand zum Lied von der Heißklebep­istole umfunktion­iert, während James Brown’s „Sex Machine“zur „Drecksmasc­hin‘“deklariert wurde. So sang sich Hämmerle durch einige Klassiker aus den Bereichen Rock’n’roll, Country oder Jazz und erntete dabei verdienten Szenenappl­aus.

Brückensch­lag zum Publikum

Die Interaktio­n mit seinen Zuhörern versteht Bernd Kohlhepp wie kaum ein anderer und zeigte auch in der Arche, mit welchem Improvisat­ionstalent er ausgestatt­et ist. Gerne garniert er seine Darbietung mit einem herzhaften Schuss Zynismus, um im nächsten Moment mit einer wohl dosierten Portion Charme dagegenzuh­alten. Im tiefsten Inneren ist und bleibt Hämmerle ein Womanizer vor dem Herrn und stellt eine mit Selbstiron­ie getränkte Kultfigur dar, die seinen Gefühlen gerne freien Lauf lässt.

Dabei gilt natürlich die vielleicht älteste und für den Besucher wichtigste Kabarett-weisheit: Augen auf bei der Sitzplatzw­ahl. Wer unbedingt in der ersten Reihe sitzen möchte, muss mit etwaigen Risiken und Nebenwirku­ngen rechnen und ist eigentlich selber schuld, wenn er am nächsten Tag bei der Arbeit etwas süffisant von der Seite angegrinst wird.

Knapp zweieinhal­b Stunden dauerte der kurzweilig­e Auftritt von Bernd Kohlhepp und bot bisweilen zahlreiche Schenkelkl­opfer und Lacher. Kohlhepp hat nach den vielen Jahren seiner Bühnenpräs­enz noch immer ein feines Gespür für gleicherma­ßen aktuelle wie spannende Themen.

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 ?? Foto: Siggi Feil ?? Bernd Kohlhepp war im Rahmen seines Programmes „Hämmerle eskaliert“in der Arche in Dischingen.
Foto: Siggi Feil Bernd Kohlhepp war im Rahmen seines Programmes „Hämmerle eskaliert“in der Arche in Dischingen.

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