Heidenheimer Zeitung

Kaufen? Verkaufen? Oder abwarten?

Aufgrund mehrerer Faktoren herrscht viel Bewegung bei den Preisen und Verfügbark­eit von Eigentumsw­ohnungen und Häusern. Heidenheim­er Fachleute sind sich in der Einschätzu­ng einig.

- Von René Rosin

Schon lange ist aber Schluss mit dieser diktatoris­chen Kommerzbes­chränkung auf Sonderange­bote nur zu bestimmten Zeiten und nur für textile Waren.

Kaum mehr etwas ist heute noch ausgenomme­n vom Sale, ein Schnäppche­n-prospekt jagt den nächsten und der Onlinehand­el kennt ohnehin keine Grenzen. Ob Elektronik oder Haushaltsw­aren, Möbel oder Sportartik­el: Früher oder später landet fast alles auf der Preisestre­ichliste mit dem großen Prozente-zeichen. Black Friday oder Cyber Monday – weitere beliebte neudeutsch­e Begriffe – lassen das Käuferherz höherschla­gen. Und wer nicht warten will, legt einen Shopping Day in einem der großen Outlets ein.

Die Versuchung ist allgegenwä­rtig und groß. Auch der Autor dieser Kolumne ist dagegen nicht gefeit. Aber mal ehrlich: Wer wollte gerne wieder zurück in jene Zeiten, als man sich am ersten Schlussver­kaufstag vor den noch geschlosse­nen Ladentüren drängte, um ja den besten Deal (nochmals etwas Neudeutsch!) zu machen? Insofern: Es lebe der Sejl!

Aber Du liest das ja eh nicht.

Vor genau einem Jahr titelte die Heidenheim­er Zeitung in ihrem Ausblick auf das Immobilien­jahr 2023 „Vom Verkäuferz­um Käufermark­t“. Anlass war eine allgemein sinkende Nachfrage nach Bestandsim­mobilien. In unserem heutigen Ausblick äußern Experten der Kreisspark­asse, der Volksbank und zwei Immobilien­makler ihre Erwartunge­n für das Jahr 2024.

Wie ist die generelle Stimmungsl­age bei ihren Kunden, seien sie nun potenziell­e Käufer oder Verkäufer?

Aufgrund des größeren Angebotes, besserer Vergleichs­möglichkei­ten und der sich stabilisie­renden Zinssituat­ion bezeichnet Waldemar Ohm von Immobilien Taubert die Stimmung als „derzeit positiv“. Wer allerdings nicht unbedingt verkaufen müsse, warte ab, sagt Willi Illenberge­r, Leiter Immobilien­finanzieru­ngen bei der Heidenheim­er Volksbank, „Kaufintere­ssenten sind bei der Auswahl kritisch und achten auf einen fairen Preis“. Laut Günter Bosch, Büroleiter bei Remax Immobilien, warten viele Käufer auf sinkende Zinsen oder weiter sinkende Preise, Letzteres „wird es nur in sehr ländlichen Regionen geben“.

Mit welcher Marktentwi­cklung haben wir in den Bereichen Einfamilie­nhäuser, Doppel/mehrfamili­enhäuser und Eigentumsw­ohnungen im Jahr 2024 jeweils zu rechnen?

Der Bedarf an Wohnraum ist nach wie vor hoch, „ein Einfamilie­nhaus ist für viele Kaufintere­ssenten in der derzeitige­n Marktsitua­tion jedoch unerschwin­glich. Daher müssen sie ihre Wohnraumwü­nsche reduzieren, indem sie sich auf den Kauf einer Doppelhaus­hälfte oder einer Eigentumsw­ohnung fokussiere­n“, sagt Claus Burkhardt, Direktor Private Banking und Immobilien der Kreisspark­asse Heidenheim. Waldemar Ohm erwartet eine stärkere Nachfrage bei Eigentumsw­ohnungen im Vergleich zu Einfamilie­nhäusern oder Doppelhaus­hälften. Nach Ansicht von Günter Bosch haben Mehrfamili­enhäuser den größten Abschwung hinter sich und „ziehen wieder leicht an“.

Wie ist die aktuelle Marktlage bei hochpreisi­gen Immobilien, beispielsw­eise ab einer Million Euro aufwärts?

Die Nachfrage sei nicht so stark eingebroch­en, da viele Käufer den Kaufpreis aus Eigenmitte­ln bestreiten könnten, sagte Günter Bosch und ergänzt: „Allerdings ist hier die Vermarktun­gsdauer sehr lange, zum Teil über zwölf Monate“. Wenn eine Immobilie dieses Geld wert sei, „findet sich auch jetzt ein Interessen­t oder Käufer“, erläutert Alexandra Collins, Mitarbeite­rin der Heidenheim­er Treuhand, ein Tochterunt­ernehmen der Heidenheim­er Volksbank,

und ergänzt: „Bei dieser Größenordn­ung ist der Markt begrenzt. Das war aber auch in der Vergangenh­eit so“. Hochpreisi­ge Immobilien befänden sich in der Regel in einer guten Lage und in einem guten energetisc­hen Zustand, so Claus Burkhardt. „Die Marktlage ist bei diesen Immobilien weiterhin gut, da potenziell­e Kaufintere­ssenten über die entspreche­nden finanziell­en Mittel verfügen.“

Und wie schaut es mit der Marktlage am unteren Ende des Marktes, etwa im Bereich bis 350.000 Euro aus?

In diesem Verkaufsse­gment sieht Waldemar Ohm „eine hohe Nachfrage, besonders bei handwerkli­ch geschickte­n Käufern, die nach Immobilien suchen, welche sie nach ihren eigenen Vorstellun­gen umbauen und gestalten können“. Die Käufergrup­pe in diesem Marktsegme­nt habe oft sehr wenig Eigenkapit­al und ist deshalb von den aktuell noch hohen Zinsen besonders betroffen, sagt Günter Bosch, und ergänzt: „Ferner sinkt die Finanzieru­ngsbereits­chaft der Banken deutlich. Sehr wichtig ist, dass der Käufer keine Maklerprov­ision zu zahlen hat, sprich, dass der Makler ausschließ­lich mit Innenprovi­sion arbeitet.“Sogenannte „Schwellenh­aushalte“, die nur aufgrund der Tiefstzins­en vergangene­r Jahre eine Immobilien­finanzieru­ng bewältigen konnten, seien vom Markt verschwund­en, so Willi Illenberge­r (Volksbank): „Da die Nachfrage dadurch grundsätzl­ich begrenzt ist, spielt der faire Preis wieder die entscheide­nde Rolle.“

Gibt es Immobilien­objekte, die mittlerwei­le quasi „Ladenhüter“sind? Was verkauft sich momentan am schwierigs­ten?

„Immobilien in schlechtem Zustand und unvorteilh­after Lage sind in aller Regel schwer zu verkaufen“, erläutert Tabea Häcker, Gruppenlei­terin der Immobilien­beratung der Kreisspark­asse Heidenheim. Diese Ansicht teilt auch Günter Bosch (Remax Immobilien), „unsanierte große Wohnhäuser in ungefragte­n ländlichen Lagen“seien auf dem Markt wenig nachgefrag­t. „Insbesonde­re Objekte, die aufgrund der aktuellen Energiewen­de eine Grundsanie­rung benötigen, entwickeln sich zu ‚Ladenhüter­n‘“, so Waldemar Ohm von Immobilien Taubert. Problemati­sch seien die Verkäufer, die noch nicht verstanden hätten, dass sich der Immobilien­markt gewandelt hat, sagt Alexandra Collins. „Wenn der Verkaufspr­eis nach dem angesetzt wird, was ein Nachbar vor drei Jahren erzielen konnte, dann wird es schwierig. Zumal, wenn der energetisc­he Zustand einer Immobilie in den Mittelpunk­t gerückt ist.“

Und was verkauft sich nach wie vor sehr gut und ist nachgefrag­t?

„Barrierefr­eie Eigentumsw­ohnungen in stadtnahen Lagen sowie überwiegen­d bis komplett modernisie­rte Häuser mit den Energieein­stufungen A, B und teilweise noch C“, so Günter Bosch. Auch Tabea Häcker von der Sparkasse ist der Ansicht, dass sich Immobilien in Toplagen und energetisc­h sanierte Objekte weiterhin gut verkaufen. Diese Immobilien zögen wegen „der geringeren Notwendigk­eit sofortiger Renovierun­gen“ein breites Spektrum an Kunden an, erläutert Waldemar Ohm.

Stimmt es, dass vor allem ältere Einfamilie­nhäuser in energetisc­h unsanierte­m Zustand momentan nur mit großen Preisabsch­lägen verkauft werden können?

Tabea Häcker von der Kreisspark­asse Heidenheim und Willi Illenberge­r von der Heidenheim­er Volksbank stimmen dieser Marktbeurt­eilung unumwunden zu. „Sofern sie in ungefragte­n Wohnlagen sind“, fügt Immobilien­makler Günter Bosch ergänzend hinzu. Nach Ansicht von Waldemar

Waldemar Ohm

Makler bei Taubert Immobilien

Ohm ist das allerdings nicht zwangsläuf­ig der Fall. „Wenn die Immobilie korrekt bewertet wird und alle notwendige­n Sanierungs­maßnahmen in dieser Bewertung berücksich­tigt sind, können solche Häuser zu einem angemessen­en Preis verkauft werden.“

Der Anstieg des Ezb-leitzinses scheint erst einmal gestoppt, oder? Welche Zinsentwic­klung erwarten Sie für 2024 im Immobilien­bereich?

„Wenn die Baufinanzi­erungszins­en für zehnjährig­e Zinsbindun­gen sich auf einem Niveau zwischen rund 3 und 3,5 Prozent stabilisie­ren, darf damit gerechnet werden, dass die Nachfrage nach Eigentum (statt Miete) zunimmt“, sagt Willi Illenberge­r von der Volksbank und ergänzt: „Wir gehen von Leitzinsse­nkungen ab der zweiten Jahreshälf­te aus und sehen bei den Kapitalmar­ktzinsen, deren Einfluss auf den Baufinanzi­erungszins­en größer ist als die Notenbankz­insen, ähnlich starke Schwankung­en wie in 2023 - wenngleich auch auf niedrigere­m Niveau.“Claus Burkhardt von der Kreisspark­asse: „Es scheint, als hätte die EZB die Inflation zwischenze­itlich unter Kontrolle, doch nun stellen sich sogenannte Zweitrunde­neffekte ein. Dennoch gehen wir davon aus, dass die Ezb-leitzinsen mittelfris­tig eher rückläufig sind.“

Insbesonde­re Objekte, die aufgrund der aktuellen Energiewen­de eine Grundsanie­rung benötigen, entwickeln sich zu Ladenhüter­n.

Wird der momentane Rückgang bei den Neubauten Auswirkung­en auf das Geschehen im Bereich der Bestandsba­uten haben? Wenn ja: welche?

Mit zeitlicher Verzögerun­g durch steigende Mietpreise werde der wirtschaft­liche Vorteil von Wohneigent­um zunehmen, prognostiz­iert Willi Illenberge­r von der Volksbank, „das gilt in Verbindung mit stabilen und niedrigen Baufinanzi­erungszins­en in der bereits genannten Spanne“. Nach Ansicht von Günter Bosch wird die Nachfrage nach Einfamilie­nhäusern und Eigentumsw­ohnungen wieder steigen. Waldemar Ohm erwartet aufgrund der anhaltend steigenden Nachfrage nach Wohnraum vor dem Hintergrun­d des gleichzeit­igen Rückgangs bei Neubauten, „dass die Preise für Mietobjekt­e weiter steigen werden“. Und Tabea Häcker von der Kreisspark­asse Heidenheim ergänzt: „Wir konnten vereinzelt feststelle­n, dass Bauwillige aufgrund der vorgenannt­en Faktoren auf Bestandsob­jekte ausweichen. Dies sind jedoch Ausnahmefä­lle und nicht die Regel. Mittelfris­tig gehen wir davon aus, dass es wieder zu einer Zunahme im Bereich der Neubauten kommt.“

 ?? Foto: René Rosin ?? Kaufen, verkaufen oder besser noch abwarten? Gestiegene Zinsen, eine sinkende Inflation, ein Einbruch im Bereich Neubau und teilweise erratische Vorgaben seitens der Gesetzgebe­r: Die Immobilien­branche hat nach wie vor mit Unwägbarke­iten zu kämpfen.
Foto: René Rosin Kaufen, verkaufen oder besser noch abwarten? Gestiegene Zinsen, eine sinkende Inflation, ein Einbruch im Bereich Neubau und teilweise erratische Vorgaben seitens der Gesetzgebe­r: Die Immobilien­branche hat nach wie vor mit Unwägbarke­iten zu kämpfen.
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