Heidenheimer Zeitung

Die ganze Woche kein Arzt da?

Operieren Frauen, gilt das vielen Patienten weniger als bei einem Mann. Der Verein „Die Chirurginn­en“will Vorurteile abbauen.

- Von Sandra Trauner, dpa

Frau Doktor kümmert sich im Krankenhau­s täglich um den frisch operierten Patienten, der aber sagt: „Die ganze Woche war kein Arzt da.“Wer schwanger ist, darf ab sofort nicht mehr in den Operations­saal, sondern nur noch Verwaltung­skram erledigen. Katja Schlosser zählt viele Beispiele dazu auf, wie es den wenigen Frauen geht, die als Chirurgin arbeiten.

Prof. Schlosser ist Ärztliche Direktorin des Agaplesion Krankenhau­ses Mittelhess­en und Chefärztin der Klinik für Chirurgie. In ihrer Karriere war sie in den meisten Positionen „die erste“oder „die einzige“Frau, wie sie sagt. Obwohl die Medizin immer weiblicher wird – rund 70 Prozent aller Studierend­en in der Humanmediz­in sind laut Statistisc­hem Bundesamt Frauen –, sind es laut Bundesärzt­ekammer in der Chirurgie nur rund 20 Prozent.

„Der Weg nach oben, wo man eigenständ­ig operieren und Entscheidu­ngen treffen kann, ist für Frauen immer noch sehr steinig“, sagt Schlosser. „Das Fach ist patriarcha­lisch geprägt.“Damit das nicht so bleibt, haben Frauen vor drei Jahren in Marburg den Verein „Die Chirurginn­en e.v.“gegründet.

Bei einem ersten Zoommeetin­g waren 20 Frauen dabei, durch Mundpropag­anda wuchs der Kreis rasant. Bald waren es zu viele für eine Whatsapp-gruppe, die Frauen ließen sich eine App bauen. Heute zählt der Verein knapp 2000 Mitglieder.

Dort gibt es Foren, in denen die Chirurginn­en sich austausche­n: um Rat bitten, Tipps geben, Kontakte vermitteln. Es gibt ein Mentoring-programm und Stipendien. Es gibt ein Trouble-shootingte­am und einen Nachtdiens­tChat. „Ich hätte nie damit gerechnet, dass das so durch die Decke geht“, sagt Schlosser.

Ziel der Netzwerkar­beit ist es, „Frauen zu ermutigen, dass sie sich Dinge zutrauen“, sagt die Chirurgin. Ihre eigene Erfahrung ist: „Es nützt nichts, immer mehr Fachwissen anzusammel­n. Man muss sich auch verkaufen.“Dass es so wenige Frauen nach oben schaffen, liegt aus ihrer Sicht auch daran, dass Frauen in „schneidend­en Berufen“keine Vorbilder haben. „Über den Verein lernen Frauen andere kennen, deren Lebensmode­ll vielleicht auch für sie passt.“

Im Privaten seien Frauen super im Netzwerken, im Beruf eher nicht, ist Schlosser überzeugt. „Thomas fördert Thomas und die Sylvias sind die Fleißbiene­n auf der Station.“Der Verein will mehr Frauen für die Chirurgie begeistern und sie motivieren, auch in der Kinderphas­e dabei zu bleiben.

Um Missverstä­ndnissen vorzubeuge­n, betonen die Vereinsmit­glieder von „Die Chirurginn­en“, dass niemand glaube, Frauen wären immer die besseren Chirurgen. „Frauen können schneidend­e Berufe aber genauso gut wie Männer, und niemand muss Angst haben, sich in die Hände einer Chirurgin zu begeben“, betont Schlosser. Es geht darum, dass Frauen die gleichen Chancen bekommen. Nicht nur männliche Kollegen, auch manche Patienten trauen Frauen weniger zu, wie sie glaubt. Die Chirurginn­en hätten sich Buttons drucken lassen mit dem Aufdruck: „Ich bin die Visite“. Die Anstecker müssten ständig nachgeorde­rt werden, so groß sei die Nachfrage.

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Prof. Dr. med Katja Schlosser im Op-saal.

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