Ist der Preisgipfel überwunden?
Frische Waren sind überwiegend noch teurer als vor drei Jahren. Wie sie sich 2023 entwickelt haben und ob die derzeit sinkenden Erzeugerpreise an die Kunden weitergegeben werden.
Lebensmittel sind teuer, das ist nicht nur ein Gefühl, das viele Verbraucherinnen und Verbraucher haben, das ist Realität. Seit der Corona-krise und dem Krieg in der Ukraine ist die Inflation gestiegen, auch weil unser Essen mehr kostet. Inzwischen allerdings geht die Inflationsrate zurück und es gibt beispielsweise bei Agrarprodukten einen gegenläufigen Trend. Spürbar ist der für die Hersteller über die Erzeugerpreise, also das, was sie für ihr Produkt bekommen, und die Verbraucher über die Preise im Laden.
Die Erzeugerpreise jedenfalls gaben jüngst nach. So gab das Statistisches Bundesamt Mitte Januar bekannt, dass Landwirte im November 2023 für ihre Produkte in Deutschland im Durchschnitt 11 Prozent weniger erzielt haben als ein Jahr zuvor. Ein Überblick über die Entwicklungen für ausgewählte landwirtschaftliche Erzeugnisse im vergangenen Jahr – und was die Bauern und Verbraucher im Jahr 2024 erwartet.
Obst und Gemüse
Bei Obst und Gemüse sind starke Preisschwankungen im Jahresverlauf üblich – je nach Verfügbarkeit. Michael Koch, Marktanalyst Gartenbau bei der Agrarmarkt Informations-gesellschaft mbh (AMI), erklärt das anhand des Beispiels Äpfel. In der ersten Jahreshälfte 2023 sei das Angebot hoch gewesen, die Preise also eher niedrig. „Mit der zweiten Jahreshälfte hat man gemerkt, dass die Apfelernte nicht so gut ausfällt, dann sind die Preise gestiegen.“Der Markt scheint dabei gut zu funktionieren, Erzeuger- und Verbraucherpreise bewegten sich in ähnliche Richtungen.
Überdurchschnittlich teuer für Verbraucher waren im vergangenen Jahr beispielsweise Heidelbeeren (27 Prozent teurer als im Vorjahr) oder Süßkirschen (plus 13 Prozent), auch das lag an einer schlechteren Ernte wegen der Witterungsverhältnisse, auch bei Importware. Daneben trieben höhere Kartoffelpreise die Lebensmittelteuerung – Speisekartoffeln kosteten 2023 rund 19 Prozent mehr. Im Moment ist beispielsweise Blumenkohl relativ teuer.
Doch wie sieht der Experte das Gesamtjahr? „2023 war Gemüse und Obst einer der Preistreiber. Besonders die hohen Preise für Zwiebeln und Möhren haben dazu beigetragen, aber auch die meisten anderen Gemüsearten waren auf Verbraucherebene teurer als im Vorjahr“, erklärt Koch. 2024 rechnet er bisher mit einem ähnlichen Preisverlauf wie im vergangenen Jahr, aber es hänge ganz viel vom Witterungsverlauf ab. Derzeit seien die Bedingungen beispielsweise in Spanien nicht ideal, in Deutschland seien die Lagerbestände bei Zwiebeln und Möhren eher klein.
Seine Einschätzung: „Man muss sich ein Stück weit daran gewöhnen, dass die Preise nicht mehr auf das ganz niedrige Niveau sinken werden.“Aus Verbrauchersicht seien niedrige Preise natürlich erfreulich, aber auf der anderen Seite der Kette stünden Gärtner, Landwirte und der Handel, die mit einer gestiegenen Kostenstruktur zurechtkommen müssten.
Schweinefleisch
Schweinefleisch war im vergangenen Jahr teurer für Verbraucher, davon blieb auch einiges bei den Erzeugern hängen. Nach Daten der Gesellschaft für Konsumforschung (GFK) erhöhte sich der durchschnittliche Verbraucherpreis für Schweinefleisch bei Einkäufen privater Haushalte im ersten Halbjahr 2023 um 64 Cent auf 9,11 Euro – ein Plus von 8,6 Prozent. Fleischwaren und Wurst verteuerten sich um 92 Cent auf 11,34 Euro, 8,8 Prozent mehr. Laut der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG) bekamen Erzeuger 2022 im Schnitt 1,81 Euro, 2023 dann 2,26 Euro – das ist ein Viertel mehr.
Und jetzt? Zu Beginn des Jahres sei die Marktsituation für die Erzeuger üblicherweise angespannter, weil durch die Feiertage Schlachttage entfallen seien und die Nachfrage im Januar meistens schwach sei, erklärt Klaus Kessing, Marktanalyst der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), auf Anfrage. „Auch der allgemeine Trend hin zu einer fleischärmeren Ernährung scheint weiter anzudauern und hinzukommt momentan noch eine sinkende Kaufkraft durch die hohe Inflation.“Aktuell stünden die Erzeugerpreise daher unter Druck, sie gaben in der dritten Januarwoche um 10 Cent auf 2 Euro pro Kilo nach.
Trotzdem ist er zuversichtlich: „Generell sind die Preisaussichten am Schweinemarkt für dieses Jahr aber nicht so düster“, erklärt Kessing. Die Schweinebestände seien kleiner geworden, das reduziere das Angebot.
Getreide
Der Erzeugerpreis von Getreide war im November 2023 ein Drittel niedriger als im Vorjahr, ist beim Statistischen Bundesamt nachzulesen. Wienke von Schenck, Ami-marktanalystin Getreide und Ölsaaten, schreibt in ihrer Marktanalyse zusammenfassend: „Auch wenn die deutsche Getreideernte qualitativ einiges zu wünschen übrigließ, Knappheit trat zu keinem Zeitpunkt auf, außer an Qualitätshafer und Braugerste. Andere Getreidearten verloren bis zu 36 Prozent an Wert – doch unter Vorjahreslinie liegen sie alle.“
Die Lage an den Getreidemärkten habe sich nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine stetig entspannt, sodass nach der Preisexplosion im März 2022 ein nahezu unaufhaltsamer Preisrückgang eingesetzt habe. „Im Juni 2023 erreichten die deutschen Getreidepreise die Talsohle, danach ging
Seinen Höhepunkt hatte der Preisauftrieb bei frischen Lebensmitteln aus konventioneller Erzeugung bereits im Oktober 2022 erreicht, wie die Agrarmarkt Informations-gesellschaft mbh (AMI) berichtet. Damals waren die Produkte für Verbraucher fast 21 Prozent teurer als im Jahr zuvor. Dieser Trend schwächte sich ab, doch im Jahresdurchschnitt lagen die Verbraucherpreise für frische Lebensmittel 2023 noch einmal 8,8 Prozent höher als 2022. es ganz unterschiedlich weiter“, berichtet sie. So seien für Braugerste und Qualitätshafer sogar recht hohe Preise erzielt worden.
Derzeit fallen die Getreidepreise auf neue Tiefstände. Landwirte und Verbände erklärten das mit billigen Importen und massivem Preisdruck am Weltmarkt, wie das Fachmedium Agrarheute berichtet.
Bedeuten sinkende Erzeugerpreise hier auch Ersparnisse für die Verbraucher? Nicht unbedingt. Im Jahr 2023 stiegen die Verbraucherpreise für Brot und Getreideerzeugnisse in Deutschland gegenüber dem Vorjahr laut Statistischem Bundesamt um rund 16 Prozent. Die niedrigeren Erzeugerpreise wurden also bisher nicht weitergegeben, wie auch eine Untersuchung der Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und ländlichen Raum Baden-württemberg ergeben hat.
Ihr Fazit: „Am Beispiel von Toastbrot zeigt sich, dass in der Vergangenheit Phasen angezogener Erzeugerpreise als Argument für Preissteigerungen genutzt haben, die dann bei fallenden Erzeugerpreisen nicht mehr rückgängig gemacht wurden“. Allerdings ist wichtig festzuhalten: Der Rohstoffanteil – also beispielsweise die Kosten für Mehl – liegt laut Wissenschaftlern bei Toastbrot bei unter 10 Prozent.
Milch
Laut Statistischem Bundesamt lag der Milchpreis für Erzeuger im November 29,1 Prozent unter dem aus dem Vorjahresmonat, das ganze Jahr war für Milcherzeuger eher schwierig. In diesem Fall folgten die Verbraucherpreise diesem Trend – und gaben im Jahresverlauf nach. Ab Juli 2023 fielen sie unter das hohe Vorjahresniveau. Zum Jahresende kosteten Milch und Milchprodukte rund 10 Prozent weniger als im Dezember 2022. Aber: Im Jahresmittel verteuerten sie sich dennoch um 4,3 Prozent gegenüber 2022, wie AMI mitteilt.
Für Ami-expertin Kerstin Keunecke war die Entwicklung die Gegenbewegung nach dem Rekordjahr 2022, wie sie in ihrer Marktanalyse schreibt. „Ein hohes Angebot bei einer gleichzeitig gedämpft verlaufenden Nachfrage führte bis Ende des Sommers zu sinkenden Preisen. Erst mit dem sich verknappenden Rohstoffaufkommen im Herbst erfolgte die Trendwende und die Preise zogen erneut an.“
Der Verband der Milcherzeuger Bayern (VMB) spricht von einer Berg- und Talfahrt im vergangenen Jahr. Der durchschnittliche Jahrespreis für Erzeuger habe bei 38,55 Cent pro Kilogramm Milch gelegen. Der Erzeugerpreis für Milch wird immer in Kilogramm angegeben, ein Liter entspricht dabei 1,03 Kilogramm Milch. Das ist gut 20 Cent unter dem Vorjahreswert, aber deutlich über dem langjährigen Mittelwert, wie der VMB erklärt. Sinkt die Inflation im kommenden Jahr, könnte sich die Verbrauchernachfrage nach Milchprodukten stabilisieren, schätzen Experten.
8,8 Prozent teurer im vergangenen Jahr