Heidenheimer Zeitung

Ende eines Lebenswerk­s

Trainersta­r Jürgen Klopp wird den FC Liverpool im Sommer verlassen. Auch ein Karrieresc­hluss ist möglich. Der 56-Jährige sagt: „Mir geht die Energie aus.“

- Sid/dpa

Die Kamera läuft, aber nach diesem wilden Ritt von bald neun Jahren braucht Jürgen Klopp noch ein paar Sekunden. Ein unsicheres Lächeln, ein Blick nach unten, dann schafft er es, den Fans des FC Liverpool zu sagen, was ihm seit Monaten die Seele einschnürt. „Ich verlasse den Verein am Ende der Saison“, bringt er heraus – und eine Schockwell­e rast durch den englischen Fußball.

Klopp ist zutiefst erschöpft, daran lässt er keinerlei Zweifel. Er fühle sich ausgebrann­t, habe „schon zu lange kein normales Leben“, er gießt seine Gefühle in ein starkes Bild. „So habe ich versucht, das meiner Ulla zu erklären“, sagt er: „Ich bin immer noch ein gepflegter Sportwagen, nicht der beste, aber ein guter. Ich kann immer noch 160, 170, 180 Meilen pro Stunde fahren – aber ich bin der Einzige, der sieht, wie die Tanknadel abstürzt.“Deshalb sei es Zeit, die Bremse zu treten.

Der 56-Jährige ist noch nie mit Halbgas gefahren. Schon in sieben Jahren beim FSV Mainz 05 und weiteren sieben bei Borussia Dortmund peitschte der Meistertra­iner seine Spieler und sich selbst an alle Grenzen, mit hohem Einsatz und maximaler Leidenscha­ft. „Ich habe ganz hohen Respekt vor dieser Entscheidu­ng“, sagte BVB-CHEF Hans-joachim Watzke. „Das zeigt einmal mehr, dass Jürgen außergewöh­nlich ist.“

2015 hatte sich Klopp als „The Normal One“bei den traditions­beladenen Reds vorgestell­t, quasi als Gegenentwu­rf zum egozentris­chen José Mourinho. „Ich bin auch heute noch ein normaler Kerl“, sagte er nun, „aber ich möchte nicht warten, bis ich zu alt für ein normales Leben bin. Ich hatte noch nie eines – ich will es zumindest mal ausprobier­en.“

Die ewig blubbernde­n Spekulatio­nen über einen baldigen Wechsel ins Amt des Bundestrai­ners sollten sich erledigt haben, obwohl Julian Nagelsmann­s Vertrag vorerst nur bis zur Heim-em im Sommer läuft. Denn alles hört sich danach an, dass Klopp eine längere Pause einlegen wird. Selbst sein Karriereen­de erscheint möglich. Er werde, betonte er, mindestens ein Jahr lang „keinen Verein und keine Nationalma­nnschaft“übernehmen.

„Mir geht die Energie aus“, betonte er: „Wenn man mich fragt, ob ich je wieder als Trainer arbeiten werde, würde ich jetzt Nein sagen. Aber ich weiß ja nicht, wie sich das anfühlt.“Nach seiner BVB-ZEIT hatte er bis zur Unterschri­ft in Liverpool im Oktober 2015 etwas über vier Monate pausiert. An der legendären Anfield Road haben sie Klopp dann sofort ins Herz geschlosse­n. Seine Art kam an, seine dreifache Faust nach Siegen wurde ein Markenzeic­hen, Klopp traf den Ton: auch im Umgang mit erkrankten Fans oder der schweren historisch­en Belastung der Toten der Stadionkat­astrophe von Hillsborou­gh.

Gegenseiti­ge Sympathie

„Ich liebe absolut alles an diesem Verein, an dieser Stadt, und ich liebe euch Fans“, sagte er in seinem Abschiedsv­ideo. Auch der Erfolg stimmte. Klopp führte Liverpool mit Powerfußba­ll unter anderem zum Championsl­eague-triumph 2019 und zum Meistertit­el 2020, derzeit steht der Klub wieder an der Spitze der Premier League. „Lasst uns alles aus dieser Saison herausquet­schen und dafür sorgen, dass wir irgendwann lächelnd zurückscha­uen können“, sagte er.

Dennoch: Wie er da im grauen Wollpulli im Studio des Vereinsfer­nsehens saß, wusste er, dass er vielen das Herz brechen würde. „Ich werde nie, nie wieder einen anderen Klub in England trainieren, zu 100 Prozent“, versprach er. „Aber ich kann verstehen, dass es für viele in diesem Moment ein Schock ist, wenn man es zum ersten Mal hört.“Man wird sich daran gewöhnen müssen, auch Jürgen Klopp selbst.

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Foto: Paul Terry/dpa Ein großes Herz für den FC Liverpool, den er seit 2015 trainiert: Jürgen Klopp, der in Stuttgart geborene Schwarzwäl­der.

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