Über die Ängste reden
Eine Krebsdiagnose belastet nicht nur den Erkrankten – auch für den Lebenspartner ist sie ein tiefer Einschnitt.
Meine Frau kann nicht verstehen, dass ich an dem Abend zur Weihnachtsfeier gegangen bin – anstatt sie nochmal im Krankenhaus zu besuchen. Ich war doch morgens schon da und jetzt wollte ich was Normales machen und nicht an den Krebs denken müssen.“Das berichtet ein 35-Jähriger, dessen Frau an Krebs erkrankt ist. Ein 62-jähriger Mann klagt darüber, dass sich Freunde und Angehörige ständig nach seiner krebskranken Frau erkundigen, aber niemand danach frage, wie es ihm mit der Situation gehe. Er spricht über sein schlechtes Gewissen, wenn er sich einmal nicht um seine Frau kümmere und eigenen Interessen nachgehe.
Zwei von vielen Beispielen, die Tanja Zimmermann präsentiert. Die Professorin für Psychosomatik und Psychotherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat mit dem Soziologen Jochen Ernst die Bücher „Meine Frau hat Krebs“und „Mein Mann hat Krebs“veröffentlicht. Es geht darum, wie sich eine chronische Erkrankung auf den gesunden Partner auswirkt, inwieweit sich in der Beziehung Rollen verändern und wie das Paar und auch andere Angehörige und Freunde mit den Belastungen besser klarkommen. Ein Thema, dass für die Mehrheit der über 65-Jährigen relevant ist: 62 Prozent sind von einer chronischen Erkrankung betroffen.
Besonders groß sind die Belastungen für Krebspatienten, wie Zimmermann kürzlich während einer Veranstaltung der MHH betonte: Die plötzliche Diagnose Krebs kann die wirtschaftliche Existenz bedrohen, wirkt sich auf die Lebensplanung aus, bringt häufig Angst vor Kontrollverlust – und vor dem Tod, ob vor dem eigenen oder dem des Partners – mit sich. Ein Drittel der Krebspatienten weise eine psychische Störung auf.
Der Partner wird zur wichtigsten Quelle für die seelische und körperliche Unterstützung. „Jetzt ist meine
Frau krank, häufig im Krankenhaus oder zu erschöpft – und ich habe neben dem Vollzeitjob noch die Versorgung der Kinder und den Haushalt zu erledigen“, zitiert Zimmermann einen 33-jährigen Mann, dessen Frau Krebs hat. Eigene Bedürfnisse müssen zurückgestellt werden. Dies könne auf Dauer zu Überreiztheit, Schlafstörungen, depressiven Symptomen und Rückzug oder auch zu Wut und Aggressivität führen.
„Krebs kann eine chronische Stressbelastung für die Partnerschaft sein. Es verringert sich die Intimität und das emotionale Wohlbefinden, der Stress führt zu einer Verschlechterung der partnerschaftlichen Kommunikation“, sagt Zimmermann und fügt hinzu: „Der gesunde Partner kann seine eigenen Sorgen weniger äußern.“
Auch andere Themen sind wichtig
Vielfach gelinge es dennoch, für den Erkrankten da zu sein. Dabei sei es wichtig, Trost zu spenden, Mut zu machen, Probleme nicht kleinzureden, Körperkontakt zu halten und auch über andere Themen als Krebs zu sprechen. Die gemeinsame Bewältigung könne die Partnerschaft stärken, weil man erfahren habe, dass man sich auf den anderen verlassen könne.
Allerdings drohe nach überstandener Erkrankung teils auch die Entfremdung, wenn bei dem gesunden Partner der Wunsch nach Rückkehr zur Normalität wachse, während der andere weiter umsorgt werden möchte.
Dies alles gelte unabhängig davon, ob der gesunde bzw. erkrankte Partner männlich oder weiblich sei. Allerdings hat Zimmermann durchaus Unterschiede beim Umgang der Geschlechter mit einer chronischen Erkrankung ausgemacht. Demnach ziehen sich Männer eher zurück, leugnen emotionale Probleme oder nehmen die Krankheit fatalistisch hin, während Frauen sich eher Unterstützung suchen und dabei häufiger als Männer auch ihr soziales Umfeld miteinbeziehen. Frauen leiden eher unter körperlichen Veränderungen nach einer Operation oder Chemotherapie als Männer.
Die eigenen Gefühle zeigen
Gemeinsam ist Frauen und Männern, dass sie häufig bei schwierigen Themen von Annahmen ausgehen, wie die Äußerung einer 72-jährigen Frau eines Krebspatienten zeigt: „Was wirklich in mir vorgeht, kann ich meinem Mann nicht sagen…das kann der gar nicht verkraften.“
Zimmermann plädiert dagegen dafür, die eigenen Gefühle zu zeigen, da dies dabei helfe, mit Stress und dem Krebs besser klarzukommen. Dabei sollte man den Partner nicht drängen, sondern ihn fragen, wie es ihm gehe und was man für ihn tun könne. Ihr Fazit: „Je klarer man sich ausdrückt, desto einfacher wird das Zusammenleben.“Nicht wirklich weiter helfe dagegen die Einstellung, die eine 63-jährige Krebspatientin so auf den Punkt bringt: „Ich dachte, nach 40 Jahren Ehe muss er doch wissen, was ich denke, was ich fühle.“