NIE WIEDER IST JETZT
Vor ein paar Jahren, als ich selbst mit einer schwierigen Situation konfrontiert war, begegnete ich ihr bewusst zum ersten Mal. Sie lächelte mich von ihrer erhöhten Position aus an und ihr Lächeln hatte etwas Tröstliches, Mut machendes. Seither besuche ich sie gerne, wenn ich dort unterwegs bin: die in Stein gehauene lächelnde Maria an der Außenfassade des Hauptportals am Ulmer Münster. Sie lächelt alle Vorüberziehenden an, ob diese es sehen oder nicht: die von Sorgen geplagten wie die Lebensfrohen, alt und jung, Religionszugehörigkeit spielt sowieso keine Rolle, denn sie selbst, in ihrem irdischen Leben praktizierende Jüdin, wurde am Ulmer Münster ja auch schon katholisch und evangelisch. Ich stelle mir vor, was sie in ihren ca. 600 Jahren am Münsterplatz schon so alles gesehen hat…
Ihr Lächeln bleibt. Es strahlt eine tiefe Weisheit aus, die ganz einfach „Ja“zum Leben sagt, was immer da auch sein mag.
Am vergangenen Samstag konnte sie etwas Besonderes miterleben: innerhalb kurzer Zeit versammelten sich vor ihr an die 10.000 Menschen, um friedvoll für die Demokratie in unserem Land einzustehen und für die damit verbundene Vielfalt menschlichen Lebens. Direkt in ihrer Nähe stand eine Gruppe fröhlicher junger Menschen, von einem Regenbogenumhang eingehüllt, auf ihrer anderen Seite ein agiler Mann, eine riesige Europa-fahne schwingend. „Nie wieder 1933“und „Nie wieder ist jetzt“konnte sie auf Schildern vor sich lesen. Und ich habe bemerkt: ihr Lächeln war tief und weise ... vielleicht noch eine Spur mehr als sonst.