Wie grün ist Habeck?
Dass Robert Habeck Grüner ist, drängt sich derzeit nicht auf den ersten Blick auf. Ein Auszug jüngster Aktivitäten des Wirtschaftsministers: Das Klimaschutzgesetz kritisierte er als absurd und nicht praktikabel. In seiner Kraftwerksstrategie setzt er nicht nur auf grünes Gas, sondern auch auf Wasserstoff aus Erdgas. CCS, also die Abscheidung und unterirdische Lagerung von CO2, soll auch für Gaskraftwerke zugelassen werden; das Kohlendioxid soll unter der Nordsee gespeichert werden. Beim Artenschutz würde man übertreiben. Und die Universitäten müssten mehr militärische Forschung betreiben, Deutschland müsste sich auf einen Landkrieg vorbereiten.
In der FDP hielt man sich bereits mit Applaus zurück, um die Grünen nicht zu sehr gegen die Energiepläne ihres Ministers aufzubringen, die ganz im liberalen Sinne sind. In der CDU räumt man ein, dass man die Ccsstrategie kaum besser hätte formulieren können. Auch in der Wirtschaft ist die Stimmung gegenüber Habeck wieder milder geworden. Zwar gilt er immer noch als König der Planwirtschaft, aber dass er sich für massive Steuerabschreibungen nach Us-vorbild einsetzt, lässt viele die Zeit unter dem kompromisslosen Staatssekretär Graichen vergessen, der die Energiewende ohne Rücksicht auf Verluste durchzudrücken versuchte.
Habecks Motiv ist klar: Wer Kanzler werden will, muss in die Mitte streben, um Stimmen aus anderen Lagern einzusammeln. So präsentierte er sich bei seiner jüngsten Usa-reise vor allem als Staatsmann und Vizekanzler – Themen wie Ukrainekrieg und Gaza standen auf dem Programm –, weniger als Fachminister. Spätestens nach seinem Israel-video im November dachten sich viele, dass man
Habecks Worte eigentlich gerne vom Kanzler gehört hätte.
Doch in der breiten Bevölkerung kommt seine pragmatische Wende kaum an. Zu ruiniert scheint sein Ruf nach der Abschaltung der Kernkraftwerke mitten in der Energiekrise und dem Heizungsdesaster. Dass laut einer aktuellen Umfrage keine der Ampelparteien seit der Wahl 2021 so viele Sympathien verloren hat wie die Grünen, hat viel mit seinem Wirken zu tun: Ideologiegetriebenheit, mangelnde
Es ist nicht das erste Mal, dass die Parlamentarier ihren Ministern auf der Nase herumtanzen.
Wirtschaftskompetenz und eine verfehlte Energiepolitik lauten die Vorwürfe.
Will Habeck angesichts dieser katastrophalen Werte seine Chancen aufs Kanzleramt wahren, müsste er beweisen, dass nicht nur er dazugelernt hat, sondern auch seine Partei in der Lage ist, den Interessen des Landes und nicht nur der eigenen Klientel zu dienen. Davon jedoch sind sie weit entfernt, wie sich momentan bei der von den Grünen blockierten Geldkarte für Flüchtlinge zeigt. Es ist nicht das erste Mal, dass die Parlamentarier ihren Ministern auf der Nase herumtanzen. Schon in der Debatte um die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke sei Habeck offen für einen längeren Weiterbetrieb gewesen, wird in der Partei kolportiert, doch Betonköpfe wie Jürgen Trittin setzten sich am Ende durch. Pragmatismus gilt zu vielen Grünen immer noch als Makel, nicht als Auszeichnung.