Fernwärme in der Kritik
Viele Kunden haben hohe Nachzahlungsaufforderungen bekommen. Ein einmaliges Phänomen oder ein grundsätzliches Problem dieser Art zu heizen?
Fernwärme gilt als die wichtigste Alternative zur Wärmepumpe: Sie soll das Haus oder die Wohnung klimafreundlich erwärmen und vergleichsweise kostengünstig sein. Doch seit einigen Wochen ist ihr Image angeknackst. Kunden aus ganz Deutschland haben zu Beginn dieses Jahres einen Kostenschock erlebt. Versorger verlangten von ihnen teilweise bis zu 6000 Euro Nachzahlung für 2022. Einige Kunden haben Klage eingereicht, Verbraucherschützer sind alarmiert und die Bundesregierung will eingreifen. Ist Fernwärme jetzt doch keine gute Alternative?
Wie kommen die hohen Preise zustande?
Der überwiegende Teil der Fernwärme wird aus Gas oder Öl produziert. Der Preis der Fernwärme ist damit auch an den Ölund Gasbörsenpreis gekoppelt. Zu Beginn des Ukraine-kriegs 2022 war der Gaspreis stark angestiegen, die Preisbremse gab es damals noch nicht. „Die Energiepreisbremsen entfalteten erst 2023 ihre Wirkung. Dieses Phänomen der hohen Nachzahlungen bei Fernwärmekunden Ende 2023 für das Jahr 2022 sollte sich so 2024 nicht wiederholen“, erläutert Thomas Engelke vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
Nein. Denn die Kritik an den Fernwärme-anbietern reicht viel weiter. Verbraucher können nicht einfach den Anbieter für ein günstigeres Angebot wechseln. „Fernwärmeversorger haben mit ihren Netzen eine Monopolstellung, Kunden sind der Preisgestaltung damit
Ist damit alles gut?
ausgeliefert“, sagt Energieexperte Engelke. Hinzu kommt, dass die Verträge mit Fernwärmeversorgern im Gegensatz zu Verträgen mit Gas- und Stromanbietern nicht über ein bis zwei, sondern oft über fünf bis zehn Jahre abgeschlossen werden. „In dieser Zeit können Anbieter die Preise erhöhen – und Verbraucherinnen und Verbraucher müssen das akzeptieren“, erläutert Engelke.
Ein weiterer Kritikpunkt: Es herrsche eine „totale Intransparenz, wie sich die Kosten zusammensetzen“, bemängelt der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft (GDW),
Axel Gedaschko. Konkret meint er damit die sogenannte Preisanpassungsklausel, auf die sich Versorger berufen, wenn sie die Preise erhöhen.
Wie kann man die Situation für Kunden verbessern?
Verbraucherschützer fordern mehr Transparenz. Erstens sollte es eine behördliche, bundesweite Aufsicht geben, die die Preisgestaltung der Anbieter prüft. Das könnten laut vzbv zum Beispiel die Bundesnetzagentur oder das Bundeskartellamt übernehmen.
Zweitens fordern Verbraucherschützer sowie Wohnungswirtschaft ein Transparenzregister, in dem Fernwärmekunden die unterschiedlichen Preise der Anbieter einsehen und vergleichen können. „Nur so werden sich horrende Summen bei den Betriebskosten-nachzahlungen für Mieter künftig wirksam verhindern lassen“, sagt Gedaschko. Auch wenn der Wechsel zu anderen Versorgern unmöglich ist: „Transparenz führt ein Stück weit zu mehr Kosteneffizienz und damit zu mehr Wettbewerb zwischen den Versorgern, die häufig in kommunaler Hand sind“, erläutert Energieexperte Engelke. Die Arbeitsgemeinschaft Fernwärme (AGFW) hat eine Plattform angekündigt, auf der Versorger ihre Preise veröffentlichen werden. Dafür hat sich zwar ein Großteil von ihnen zusammengeschlossen, allerdings längst nicht alle.
Drittens wollen Verbraucherschützer, „dass der Fernwärmepreis vom Börsenpreis abgekoppelt wird“, so Engelke. Die Heizungskosten der Verbraucher sollten sich viel stärker an den realen Einkaufskosten der Fernwärmeanbieter orientieren.
Eine Abkopplung vom Börsenpreis und die Einrichtung einer Vergleichsplattform befürwortet auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), um das Vertrauen in die Fernwärme zu stärken. Zudem soll die Fernwärmelieferverordnung noch in diesem Jahr reformiert werden. „Bereits im Sommer 2022 gab es einen Referentenentwurf, doch seitdem ist nichts passiert“, kritisiert Verbraucherschützer Engelke. Bis Herbst will Habeck bei einem Fernwärmegipfel erste Lösungen präsentieren.
Was tut die Bundesregierung?
Fernwärme ist ein Kreislauf von Wasser. Dieses wird in einem Kraftwerk erhitzt und gelangt durch ein Netz von Rohren zu den Häusern. Dort wird die Wärme für die Heizung und das Warmwasser abgegeben. Abgekühlt fließt es wieder in das Kraftwerk. Da beim Transport immer etwas Wärme verloren geht, werden Wärmenetze ab einer gewissen Länge ineffizient. Fernwärmekunden befinden sich deshalb häufig in einem Umkreis von bis zu 20 Kilometern zum Kraftwerk.
Wie funktioniert Fernwärme? Wie klimafreundlich ist Fernwärme?
Versorger betonen die Energieeffizienz des Verfahrens, bei dem Strom und Wärme gleichzeitig erzeugt werden. Doch häufig wird die Energie aus klimaschädlichen Energieträgern gewonnen. Knapp ein Drittel stammt aus Stein- und Braunkohle, die Hälfte wird aus Erdgas erzeugt und der übrige Teil aus Abfallverbrennung und erneuerbaren Energien. Nur wenn Abwärme genutzt wird, reduzieren sich schädliche Emissionen.