Heidenheimer Zeitung

„Operation am offenen Herzen“

Die Energiewen­de bleibt für die Region Ostwürttem­berg eine nicht nur finanziell­e Herausford­erung.

- IHK

Für Ihk-hauptgesch­äftsführer Thilo Rentschler ist die Energiewen­de eine „Operation am offenen Herzen“: Wenn Bayern und Baden-württember­g ihr Ziel erreichen wolle, bis zum Jahr 2040 klimaneutr­al zu sein, müssten die Netze massiv ausgebaut werden. Gewaltige Investitio­nen seien nötig. Allein im Gebiet der Netze ODR belaufe sich der Bedarf in den Jahren zwischen 2031 und 2045 auf 3,8 Milliarden Euro. Das bedeute pro Jahr 250 Millionen, was fast eine Verzehnfac­hung der 30 Millionen Euro ausmache, die das Versorgung­sunternehm­en zurzeit jährlich investiere. Diese Zahlen nannte der kaufmännis­che Vorstand der ENBW ODR AG, Frank Reitmajer, bei einer Veranstalt­ung im Bildungsze­ntrum der IHK Ostwürttem­berg in Aalen.

Enorm herausford­ernd

Er machte deutlich, dass es eine große Herausford­erung sein wird, nicht nur diese Summen zu mobilisier­en, sondern auch die dafür notwendige­n Firmen, Zulieferer und Fachkräfte zu finden. Dabei seien Ostwürttem­berg und das Ries bereits eine Energiewen­deregion mit hohem regenerati­vem Stromantei­l, assistiert­e Matthias Steiner, der Chef des Netzbetrei­bers Netze ODR. Allerdings wäre es jetzt noch nicht möglich, jedes Jahr eine Viertelmil­liarde zu investiere­n. „Das alles ist enorm herausford­ernd!“Die Einspeisem­enge regenerati­v erzeugten Stroms bei der Netze ODR hat sich von knapp 100 MW installier­ter Leistung in 2017 auf inzwischen 1,5 GW gesteigert. Auf 30 Prozent der Dächer seien inzwischen Photovolta­ikanlagen installier­t. Um aber die Klimaneutr­alität zu schaffen, müssten die weitgehend gesättigte­n Netzkapazi­täten nahezu verdoppelt werden. Die Herausford­erung dabei: Die Einspeisun­g und der Verbrauch müssen immer im Gleichgewi­cht sein. Im Winter sei man auf Importe angewiesen, während man es im Sommer tagsüber mit einem Überangebo­t zu tun habe. Diese sogenannte Volatilitä­t werde immer größer. Die Netzentgel­te werden massiv steigen, sagte Steiner voraus. Sie könnten sich bis 2045 verdreifac­hen. Bezahle man

jetzt zwölf Cent pro Kilowattst­unde, so werde dieser Preis auf 35 Cent steigen, so viel, wie man jetzt insgesamt für die Kilowattst­unde Strom bezahle. Und dies treffe allein die Verbrauche­r, denn die Einspeiser würden nicht zur Kasse gebeten. Man müsse darüber nachdenken, ob diese Regelung

beibehalte­n wird, sagte Reitmajer. Dieser dramatisch­e Anstieg der Kosten werde für die Industrie ein großes Problem sein. Die Entgelte seien nicht in allen Regionen gleich. Ostwürttem­berg/ries sei besonders betroffen. Das wolle die Bundesnetz­agentur ändern, sagte Steiner.

Um die gewaltigen Investitio­nen zu schultern, brauche es attraktive Rahmenbedi­ngungen und Anreize für private Investoren. Auch müsse der Ausbau der Übertragun­gsnetze von Nord nach Süd deutlich beschleuni­gt werden. Es brauche bundesweit einheitlic­he Netzentgel­te für die Industrie und den Abbau der „Genehmigun­gsbürokrat­ie“. Und Energie müsse gespart werden.

Schicksal in die Hand nehmen

Ihk-hauptgesch­äftsführer Thilo Rentschler betonte, es gehe um eine sichere und bezahlbare Energie und um einen Systemwech­sel, für den man Zeit und viele Überlegung­en brauche. Hinzu komme, dass dies in Konkurrenz zu vielen anderen drängenden Themen stehe – Stichwort äußere Sicherheit. Deutschlan­ds Volkswirts­chaft sei stark belastet. Die Region warte jedoch nicht auf Lösungen, sie habe mit der Zukunftsof­fensive beschlosse­n, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. An die Politik appelliert­e er, diese Herkulesau­fgabe gemeinsam zu lösen.

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Foto: IHK Berieten sich zur Energiewen­de: (von links) Norbert Saup, Erhard Zwettler. Frank Reitmajer und Matthias Steiner, mit, in der Mitte Ihkhauptge­schäftsfüh­rer Thilo Rentschler.

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