Sieg für Hauseigentümer
Ein Prozess gegen den Maklerverband endet mit einem Vergleich, der die Branche verändern und die Wirtschaft ankurbeln könnte.
Seit Jahrzehnten beklagen sich amerikanische Hauseigentümer über die hohen Gebühren, die sich beim Verkauf ihrer Immobilie an Makler zu zahlen haben. Bald werden Besitzer aufatmen können und mit Maklerfirmen, die bisher 6 Prozent des Verkaufspreises als Provision verlangten, deren Bezahlung einzeln aushandeln. Grund dafür ist ein historischer Gerichtsprozess im Us-staats Missouri und der außergerichtliche Vergleich, zu dem das Verfahren kürzlich geführt hat.
Experten glauben, dass die Einigung, die Kläger mit dem Immobilienmaklerverband National Association of Realtors (NAR) geschlossen haben, nicht nur weitreichende Folgen für die Branche haben wird, sondern auch die Gesamtwirtschaft positiv beeinflussen könnte.
Im November hatten Rhonda Burnett und andere Eigentümer aus Missouri sensationell einen Prozess gegen die NAR und führende Maklefirmen wegen illegaler Preisabsprachen gewonnen. Burnett und ihr Mann hatten ihre Immobilie für 250 000 Dollar verkauft und zahlten 6 Prozent, also 15 000 Dollar an ihre Maklerin sowie den Vertreter des Käufers. Die Immobilienmakler erhielten jeweils 3 Prozent des Brutto-verkaufspreises, seit über 50 Jahren die branchenübliche Norm. Das Argument hinter der Klage: „Ich habe kein Problem damit, meine Maklerin zu bezahlen, aber warum soll ein Teil meines Geldes an den Vertreter des Käufers gehen, der für seinen Klienten einen niedrigeren Preis durchsetzen konnte und somit gegen meine Interessen gehandelt hat?“
Mit derselben Argumentation waren in der Vergangenheit andere Wohnungseigentümer vor Gericht gescheitert. Umso überraschender war nun der Prozessgewinn für die Burnetts sowie 5000 andere Hausbesitzer, die sich der Sammelklage angeschlossen hatten. Die Jury verurteilte die NAR sowie führende Immobilienvermittler zu einer Geldstrafe von 1,8 Milliarden Dollar. Ende vergangenen Jahres hatte die NAR noch angekündigt, gegen das historische Urteil Berufung einlegen zu wollen. Kürzlich hieß es aber, dass sich beide Seiten auf einen Vergleich geeinigt haben.
Demnach muss die NAR, der über 1,5 Millionen Makler angehören, an die Kläger 418 Millionen Dollar Schadenersatz zahlen. Auch werden Verbandsmitglieder nicht mehr verpflichtet, Zugang zum sogenannten Multiple Listing Service (MLS) zu abonnieren, einer Datenbank, die Einzelheiten sämtlicher Immobilien auflistet, die zum Verkauf angeboten werden. Hinzu kommt, dass das MLS keine verbindlichen Provisionssätze angeben darf, sondern diese einzeln zwischen Eigentümern und Maklern ausgehandelt werden können.
Experten sind überzeugt, dass der Nettogewinn für Immobilienbesitzer der Wirtschaft einen kräftigen Impuls geben könnte. Mark Zandi, Chefvolkswirt bei Moody‘s Analytics, hat errechnet, dass für jede tausend Dollar, die der Wert eines Eigenheims steigt, der Besitzer 80 Dollar mehr in den Privatkonsum pumpen wird, der in den USA fast 70 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht.
So könnten künftig beim Verkauf eines Einfamilienhauses für 500 000 Dollar nur 10 000 Dollar an Vermittlungsgebühren, und nicht wie bisher die üblichen 6 Prozent, also 30 000 Dollar, an die Makler gezahlt werden. Den Experten zufolge würde ein bedeutender Teil der zusätzlichen 20 000 Dollar, die der Eigentümer behält, für Lebensmittel, Bekleidung, Freizeitaktivitäten oder Restaurantbesucher ausgegeben werden und somit die vom Konsum gestützte Us-wirtschaft weiter beleben.
Obwohl die NAR mit Widerstand in den eigenen Reihen zu kämpfen hatte, entschied sich der Vorstand, dem Vergleich zuzustimmen. Zum einen deswegen, weil eine weitere Niederlage vor einem höheren Gericht deutlich teurer geworden wäre. Auch hätte die ursprüngliche Strafsumme von 1,8 Milliarden Dollar auf 5,4 Milliarden Dollar verdreifacht werden können.
Der zu erwartende Kampf um nieder niedrigere Provisionssätze könnte jedenfalls Makler in die Flucht schlagen und zum Wechsel in eine andere Branche animieren. „Die Ära der schnell verdienten 30 000 Dollar ist vorbei“, sagt Susan M., eine frühere Wohnungsmaklerin, die nun ins Bankmanagement gewechselt ist. Norm Miller, Professor der Immobilienwirtschaft, sagt voraus, „dass bis zur Hälfte der etwa 2 Millionen Makler, die es in den USA gibt, nun die Industrie verlassen könnten“.