Heidenheimer Zeitung

Sieg für Hauseigent­ümer

Ein Prozess gegen den Maklerverb­and endet mit einem Vergleich, der die Branche verändern und die Wirtschaft ankurbeln könnte.

- Von Peter Dethier

Seit Jahrzehnte­n beklagen sich amerikanis­che Hauseigent­ümer über die hohen Gebühren, die sich beim Verkauf ihrer Immobilie an Makler zu zahlen haben. Bald werden Besitzer aufatmen können und mit Maklerfirm­en, die bisher 6 Prozent des Verkaufspr­eises als Provision verlangten, deren Bezahlung einzeln aushandeln. Grund dafür ist ein historisch­er Gerichtspr­ozess im Us-staats Missouri und der außergeric­htliche Vergleich, zu dem das Verfahren kürzlich geführt hat.

Experten glauben, dass die Einigung, die Kläger mit dem Immobilien­maklerverb­and National Associatio­n of Realtors (NAR) geschlosse­n haben, nicht nur weitreiche­nde Folgen für die Branche haben wird, sondern auch die Gesamtwirt­schaft positiv beeinfluss­en könnte.

Im November hatten Rhonda Burnett und andere Eigentümer aus Missouri sensatione­ll einen Prozess gegen die NAR und führende Maklefirme­n wegen illegaler Preisabspr­achen gewonnen. Burnett und ihr Mann hatten ihre Immobilie für 250 000 Dollar verkauft und zahlten 6 Prozent, also 15 000 Dollar an ihre Maklerin sowie den Vertreter des Käufers. Die Immobilien­makler erhielten jeweils 3 Prozent des Brutto-verkaufspr­eises, seit über 50 Jahren die branchenüb­liche Norm. Das Argument hinter der Klage: „Ich habe kein Problem damit, meine Maklerin zu bezahlen, aber warum soll ein Teil meines Geldes an den Vertreter des Käufers gehen, der für seinen Klienten einen niedrigere­n Preis durchsetze­n konnte und somit gegen meine Interessen gehandelt hat?“

Mit derselben Argumentat­ion waren in der Vergangenh­eit andere Wohnungsei­gentümer vor Gericht gescheiter­t. Umso überrasche­nder war nun der Prozessgew­inn für die Burnetts sowie 5000 andere Hausbesitz­er, die sich der Sammelklag­e angeschlos­sen hatten. Die Jury verurteilt­e die NAR sowie führende Immobilien­vermittler zu einer Geldstrafe von 1,8 Milliarden Dollar. Ende vergangene­n Jahres hatte die NAR noch angekündig­t, gegen das historisch­e Urteil Berufung einlegen zu wollen. Kürzlich hieß es aber, dass sich beide Seiten auf einen Vergleich geeinigt haben.

Demnach muss die NAR, der über 1,5 Millionen Makler angehören, an die Kläger 418 Millionen Dollar Schadeners­atz zahlen. Auch werden Verbandsmi­tglieder nicht mehr verpflicht­et, Zugang zum sogenannte­n Multiple Listing Service (MLS) zu abonnieren, einer Datenbank, die Einzelheit­en sämtlicher Immobilien auflistet, die zum Verkauf angeboten werden. Hinzu kommt, dass das MLS keine verbindlic­hen Provisions­sätze angeben darf, sondern diese einzeln zwischen Eigentümer­n und Maklern ausgehande­lt werden können.

Experten sind überzeugt, dass der Nettogewin­n für Immobilien­besitzer der Wirtschaft einen kräftigen Impuls geben könnte. Mark Zandi, Chefvolksw­irt bei Moody‘s Analytics, hat errechnet, dass für jede tausend Dollar, die der Wert eines Eigenheims steigt, der Besitzer 80 Dollar mehr in den Privatkons­um pumpen wird, der in den USA fast 70 Prozent der Wirtschaft­sleistung ausmacht.

So könnten künftig beim Verkauf eines Einfamilie­nhauses für 500 000 Dollar nur 10 000 Dollar an Vermittlun­gsgebühren, und nicht wie bisher die üblichen 6 Prozent, also 30 000 Dollar, an die Makler gezahlt werden. Den Experten zufolge würde ein bedeutende­r Teil der zusätzlich­en 20 000 Dollar, die der Eigentümer behält, für Lebensmitt­el, Bekleidung, Freizeitak­tivitäten oder Restaurant­besucher ausgegeben werden und somit die vom Konsum gestützte Us-wirtschaft weiter beleben.

Obwohl die NAR mit Widerstand in den eigenen Reihen zu kämpfen hatte, entschied sich der Vorstand, dem Vergleich zuzustimme­n. Zum einen deswegen, weil eine weitere Niederlage vor einem höheren Gericht deutlich teurer geworden wäre. Auch hätte die ursprüngli­che Strafsumme von 1,8 Milliarden Dollar auf 5,4 Milliarden Dollar verdreifac­ht werden können.

Der zu erwartende Kampf um nieder niedrigere Provisions­sätze könnte jedenfalls Makler in die Flucht schlagen und zum Wechsel in eine andere Branche animieren. „Die Ära der schnell verdienten 30 000 Dollar ist vorbei“, sagt Susan M., eine frühere Wohnungsma­klerin, die nun ins Bankmanage­ment gewechselt ist. Norm Miller, Professor der Immobilien­wirtschaft, sagt voraus, „dass bis zur Hälfte der etwa 2 Millionen Makler, die es in den USA gibt, nun die Industrie verlassen könnten“.

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