Heidenheimer Zeitung

„Dreister Machtmissb­rauch“

Bundestags­präsidenti­n will Abgeordnet­en-mitarbeite­r vom Verfassung­sschutz prüfen lassen. Ein Staatsrech­tler übt Kritik.

- Dominik Guggemos

Bundestags­präsidenti­n Bärbel Bas möchte künftig Geheimdien­stinformat­ionen zu Mitarbeite­rn von Abgeordnet­en einholen können. Die Union deutet vorsichtig ihre Unterstütz­ung für die Pläne der Spd-politikeri­n an. Doch der Vorstoß von Bas stößt auch auf Kritik. Er halte eine Abfrage beim Verfassung­sschutz „aus mehreren Gründen für hochproble­matisch“, sagt der Oldenburge­r Staatsrech­tler Volker Boehme-neßler dieser Zeitung.

Die Bundestags­präsidenti­n möchte gerne „im Einzelfall auch auf Daten des Verfassung­sschutzes zurückgrei­fen können“und zwar dann, „wenn wir tatsächlic­he Anhaltspun­kte dafür haben, dass jemand aktiv und gezielt auf die Beseitigun­g der freiheitli­ch demokratis­chen Grundordnu­ng hinarbeite­t“. Bas reagiert damit auf Recherchen des Bayerische­n Rundfunks, wonach mehr als 100 Mitarbeite­r mit Verbindung­en in die rechtsextr­eme Szene für Abgeordnet­e der AFD arbeiten würden. Derzeit nehme der Bundestag

vor Ausgabe eines Hausauswei­ses Prüfungen in polizeilic­hen Datenbanke­n vor – etwa auf Gewaltoder Waffendeli­kte, erklärt Bas.

Unterstütz­ung aus der Union

Für Boehme-neßler sind die Pläne von Bas „eine krasse Verletzung des fairen und gleichbere­chtigten Parteienwe­ttbewerbs – und ein dreister Machtmissb­rauch“. Der Verfassung­sschutz sei kein unabhängig­es Gericht, das ein möglichst objektives Urteil abgebe. „Er ist ein Geheimdien­st, eine Behörde im Bereich des Innenminis­teriums. Die oberste Chefin des Bundesverf­assungssch­utzes ist die Innenminis­terin“, sagt er. Bereits die Nachfrage beim Verfassung­sschutz sei ein Eingriff in die Grundrecht­e des Mitarbeite­rs. „Ohne einen konkreten Verdacht gegen den betroffene­n Mitarbeite­r wäre die Anfrage unverhältn­ismäßig und verfassung­swidrig.“

Denn so problemati­sch sie auch seien: „Politische Kontakte eines Mitarbeite­rs in die rechtsextr­eme Szene wären kein Grund, ein Hausverbot gegen Mitarbeite­r zu rechtferti­gen“, sagt Boehme-neßler. Ein Hausverbot dürfe nur bei einer konkreten Gefahr für die Arbeit des Parlaments ausgesproc­hen werden, zum Beispiel weil ein Mitarbeite­r Mitglied einer rechtsextr­emen Terrorvere­inigung sei.

Trotz der juristisch­en Bedenken kann Bas auf die Unterstütz­ung durch die Opposition hoffen. „Bei konkreten Anhaltspun­kten, dass ein Abgeordnet­enmitarbei­ter aktiv auf die Beseitigun­g der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng hinarbeite­t, sollten auch Erkenntnis­se des Verfassung­sschutzes in eine umfassende Lagebewert­ung miteinbezo­gen werden können“, erklärt Thorsten Frei auf Nachfrage. Die entspreche­nden Verfahren müssten aber sorgfältig und rechtssich­er aufgesetzt werden, betont der Parlaments­geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion.

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