Heidenheimer Zeitung

CRUCIFIXUS

Am Kreuz hing sein gequält Gebeine, Mit Blut besudelt und geschmäht; Dann hat die stets jungfräuli­ch reine Natur das Schreckens­bild verweht. Doch die sich seine Jünger nannten, Die formten es in Erz und Stein, Und stellten’s in des Tempels Düster Und in d

- SONNTAGS GEDANKEN Dr. Joachim Kummer, Pfarrer der evangelisc­hen Kirchengem­einde in Giengen

So, jedem reinen Aug ein Schauder, Ragt es herein in unsre Zeit; Verewigend den alten Frevel,

Ein Bild der Unversöhnl­ichkeit.

Es ist vermutlich das schwierigs­te Thema für uns Menschen. Etwas, woran wir immer wieder scheitern, selbst wenn wir allen guten Willen mitbringen. Wie geht das: „sich miteinande­r versöhnen“? Ein Blick in die Geschichte zeigt uns, dass das „Nicht-darüber-reden“, das Verdrängen, das Übliche, das „Natürliche“ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Wiederaufb­au, war das Wirtschaft­swunder wichtiger als die Auseinande­rsetzung mit dem, was da geschehen war, wo viele verblendet und viele sehenden Auges mitgemacht haben.

Die Schuld verdrängen, das ist für viele traurige Gegenwart. Ich erlebe das mitunter bei Trauergesp­rächen: „Da gibt es noch einen Sohn, einen Bruder, aber den braucht man nicht erwähnen, da gibt es schon lange keinen Kontakt mehr zur Familie.“

Heute, am Karfreitag, nimmt die Welt wahr, dass Gott einen anderen Umgang mit der Schuld haben möchte. Versöhnung ist möglich. Wie Gott die Welt mit sich versöhnt hat, das haben wir in jedem Kreuz vor Augen. Theodor Storms Gedicht macht es uns unmöglich, dieses Bild zu bagatellis­ieren, es abzutun als bloßes Symbol, als Stück überlebter Tradition. Das Kreuz ist ein Skandal, ein Ärgernis. Das gilt es zunächst zu erkennen. Doch dabei sollten wir nicht stehenblei­ben. „Erz und Stein“eröffnen einen Interpreta­tionsraum, der unterschie­dlich gefüllt werden kann. Was aussieht wie ein „Bild der Unversöhnl­ichkeit“, das wird uns gedeutet im „Wort von der Versöhnung“.

Soll uns das Karfreitag­sgeschehen zu Herzen gehen, mag uns die Musik dem Geheimnis der Versöhnung näherbring­en. Dazu sind Sie ganz herzlich eingeladen. Nur keine Furcht: So „düster“sind unsere „Tempel“gar nicht!

(2 Kor 5,19): „Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgericht­et das Wort von der Versöhnung.“

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