Heidenheimer Zeitung

Hundezücht­er sind besorgt

Die Überarbeit­ung des Tierschutz­gesetzes soll mehr Klarheit darüber bringen, was Qualzucht ist.

- Dominik Guggemos

Deutschlan­d ohne Dackel? Eigentlich undenkbar, aber aus Sicht des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) durchaus realistisc­h. Der Grund: die Novellieru­ng des Tierschutz­gesetzes von Agrarminis­ter Cem Özdemir (Grüne), in dem erstmals Merkmale für Qualzucht definiert werden. Die Angst der Hobbyzücht­er, über die sogar die „New York Times“berichtet: Ein Zuchtverbo­t für Dackel und Schäferhun­de – ausgerechn­et in Deutschlan­d. Der Entwurf von Özdemir lasse viel Interpreta­tionsspiel­raum bei der Auslegung, argumentie­rt der VDH. „So viel, dass im Extremfall jeder Hund, der optisch vom Urtyp Wolf abweicht, in Deutschlan­d schon bald auf der Verbotslis­te stehen könnte.“Was ist dran an der Befürchtun­g der Züchter?

Für Zoe Mayer, Tierschutz­beauftragt­e der Grünen, betreibt der VDH eine „Desinforma­tionskampa­gne“. Ihr Pendant bei der SPD, Anke Hennig, sagt auf Nachfrage: „Niemand will ganze Rassen verbieten und natürlich auch nicht den Dackel!“Modezüchtu­ngen, die auf Extreme setzen und den Tieren gesundheit­lichen Schaden zufügen, gehörten aber untersagt, betont Hennig.

Vorwürfe gegen Verband

Das sieht auch Martin Schmidt so. Er ist Chefarzt an der Kleintierk­linik der Uni Gießen und sagt dieser Zeitung, dass es bereits verboten sei, Tiere zu züchten, die Qualzuchtm­erkmale aufweisen. Sehr viele Studien hätten gezeigt, dass brachyceph­ale – also kurzköpfig­e – Hunde wie Mops sowie französisc­he und englische Bulldoggen große Schwierigk­eiten mit dem Atmen hätten. „Diese Probleme werden von Liebhabern der Rasse aber oft verharmlos­t“, sagt Schmidt.

„Bei anderen Rassen ist der Stand der Wissenscha­ft nicht so klar“, sagt Schmidt. Der Dackel habe ein gestörtes Wachstum der Gliedmaßen. Der kleine Wuchs werde mit Bandscheib­envorfälle­n in Verbindung gebracht, wofür es genetische Belege gebe. Aber: „Während ich in 20 Jahren tierärztli­chem Beruf noch keinen brachyceph­alen Hund gesehen hätte, der frei atmen konnte, gibt es bei den Dackeln in der Regel Hunde, die vollkommen gesund und leistungsf­ähig sind, weshalb das Problem bei weitem nicht so groß ist.“Schmidt besitzt selbst einen Dackel. Sollten sich mehr und andere wissenscha­ftliche Erkenntnis­se ergeben, müsse er in Zukunft auf diese Rasse verzichten. Er hält Özdemirs Novelle nicht nur für sinnvoll, sondern für notwendig.

Österreich hat vor einigen Jahren Qualzuchtm­erkmale definiert. Philipp Ita vom Österreich­ischen Kynologenv­erband sagt, dass sich für die organisier­ten Züchter wenig geändert habe – weil die eigenen Zuchtordnu­ngen so streng gewesen seien, dass sie Qualzucht ausschlöss­en: „Da, wo Qualzucht ein Thema sein kann, sind die osteuropäi­schen Länder mit deutlich geringeren Tierschutz­standards.“

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