Heidenheimer Zeitung

Lähmung für das Land

- Guido Bohsem zum Zustand der Koalition leitartike­l@swp.de

Zuletzt waren 20 000 Elefanten nötig, um die FDP gegen die Grünen in Stellung zu bringen – und auch das half nur ein bisschen. Kein Geringerer als der Präsident Botswanas, Mokgweetsi Masisi, hatte angekündig­t, so viele Tiere nach Deutschlan­d zu verschenke­n, wenn die Grünen und insbesonde­re Umweltmini­sterin Steffi Lemke weiterhin gegen die Einfuhr von Jagdtrophä­en Stimmung machten. Bedingung: Die Elefanten müssten hierzuland­e genauso frei durch die Gegend laufen dürfen, wie die Grünen sich das auch für Botswana wünschten. Lemkes Initiative zeuge von neokolonia­ler Einmischun­g und Überheblic­hkeit, hieß es an anderer Stelle der Regierung des südafrikan­ischen Landes.

Eigentlich wäre der Elefanten-streit zwischen Lemke, den Grünen und der Regierung Botswanas eine Steilvorla­ge für die liberalen Koalitions­freunde aus der Ampel. Eigentlich. Doch lediglich der Fdp-abgeordnet­e Christoph Hoffmann stieg darauf ein. Die Pläne Lemkes hätten zu einem diplomatis­chen Fauxpas geführt, tadelte er milde. Das geht jetzt seit Wochen so. Ernsthafte­n Streit gibt es nur noch über die Lieferung von Taurus-raketen, ansonsten herrscht ungewohnte Ruhe in der Koalition.

Zwei Erklärunge­n drängen sich auf, eine wohlwollen­de und eine realistisc­he: Die wohlwollen­de Erklärung lautet, dass die Protagonis­ten aus dem kommunikat­iven Desaster gelernt haben, das zwei Jahre permanente­r Zank da angerichte­t haben. Dass sich also die Koalition angesichts der miserablen Umfragen und Unzufriede­nheit endlich zusammenra­uft und darauf konzentrie­rt, Probleme gemeinsam anzugehen und zu lösen. Klingt wie ein blauer Traum aus Meseberg, und das ist es auch. Die realistisc­here Erklärung besagt, dass das Bündnis einfach einen Schritt weiter ist. Nach permanente­m Streit folgt bekanntlic­h frustriert­es Schweigen – und dann auch bald die Trennung. Nun sind Koalitione­n keine Ehen, doch verhehlten auch führende Vertreter der Ampel ihre Frustratio­n nur noch sehr oberflächl­ich. Die einzig offene Frage dürfte nur noch lauten, ob man sich die nächsten Monate noch dahinschle­ppt, oder ob es noch vor der Wahl zu einem Bruch des Bündnisses kommt.

Nach permanente­m Streit folgt bekanntlic­h frustriert­es Schweigen – und dann auch bald die Trennung.

In den kommenden Wochen wird es Möglichkei­ten für beides geben.

Die FDP hat gerade ein Grundsatzp­apier vorgelegt, in dem so viel von „Wirtschaft­swende“die Rede ist, dass sich die historisch­e Parallele zum Lambsdorff-papier gerade aufdrängt, mit dem 1982 die sozial-liberale Koalition in der Bundesrepu­blik ihr Ende nahm. Die Feuerprobe dürfte aber der Haushalt werden, der in den nächsten Wochen verhandelt wird. Soziales, Steuern, Subvention­en, Bundeswehr – Sollbruchs­tellen gibt es überreichl­ich. Abwarten, lautet die Devise der Koalition. Sie lähmt damit das ganze Land, wie die Wirtschaft­sinstitute in der vergangene­n Woche ungewohnt deutlich festgestel­lt haben. Weil die Politik die Richtung nicht klarer vorgibt, warten nämlich auch die Unternehme­n ab und der allgegenwä­rtige Mehltau, den genau diese Koalition zu lösen angetreten war, liegt weiter auf dem Land.

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