Geschönt und getrickst?
Zahlen lügen nicht, oder? Schaut man sich die Angaben der Regierung rund um Sondervermögen, Nato-quote und Ukraine-hilfen genauer an, fallen einige Unstimmigkeiten auf.
Hört man Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seinen Ministern zu, läuft alles vorbildlich bei der Zeitenwende: Rekordwerte bei den Ukraine-hilfen, Zwei-prozent-vorgabe der Nato übererfüllt, Bundeswehr dank Sondervermögen auf der Erfolgsspur. Belegt wird das mit scheinbar objektiven Summen. Doch ein genauerer Blick auf die Zahlen eröffnet auch andere Perspektiven:
Ukraine-hilfe Gut 28 Milliarden Euro – darauf belaufe sich die von Deutschland schon geleistete und noch geplante militärische Unterstützung der Ukraine, so Scholz. Eingerechnet werden gezahltes und versprochenes Geld in Höhe von rund 23 Milliarden Euro sowie abgegebene Ausrüstung der Bundeswehr „mit einem geschätzten Wiederbeschaffungswert von etwa 5,2 Milliarden Euro“. Der Cdu-haushaltsexperte Ingo Gädechens spricht dagegen von „kreativer Buchführung“und moniert unter anderem, dass Teile der Summe entweder in andere Länder fließen, bereits an anderer Stelle eingerechnet wurden oder demnächst von der EU rückerstattet werden. „Nach Abzug aller Rechentricks“, so Gädechens, würden aus den 28 Milliarden gerade mal 21,7 Milliarden. Tatsächlich geliefert worden seien bislang ohnehin nur Militärhilfen im Wert von rund zehn Milliarden Euro.
Das Zwei-prozent-ziel „Von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung“, lautete Scholz’ Versprechen in seiner Zeitenwende-rede vor gut zwei Jahren.
Aber weder 2022 noch 2023 wurde das Ziel erreicht. Jetzt soll es endlich klappen: „Erstmals seit Jahrzehnten“, so Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im Bundestag, „werden wir eine Nato-quote von 2,1 Prozent erreichen“.
Doch rund um diese Zahl gibt es einige Fragezeichen. Tatsächlich ist aus öffentlich zugänglichen Zahlen kaum nachvollziehbar, wie die Bundesregierung auf die Quote kommt. Intern arbeitet die Regierung nach Angaben aus Parlamentskreisen mit 89,5 Milliarden Euro Verteidigungsausgaben.
Bekannt sind allerdings nur die rund 52 Milliarden Euro aus dem Verteidigungshaushalt sowie knapp 20 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für die
Hilfe in Milliardenhöhe
Den Gesamtwert der Hilfen für die Ukraine, also einschließlich humanitärer und sonstiger Zahlungen, beziffert die Bundesregierung auf rund 32 Milliarden Euro. Dazu gezählt werden aber beispielsweise auch die Sozialausgaben für Ukraine-geflüchtete in Deutschland. 2023 summierten sich die Kosten für den Bund nach Angaben des Sozialministeriums auf rund 5,35 Milliarden Euro. Hintergrund ist, dass die Geflüchteten aus der Ukraine direkt Bürgergeld erhalten, was inzwischen innenpolitisch umstritten ist.
Bundeswehr. Diese rund 72 Milliarden Euro ergeben nach Berechnungen des Münchner ifo-instituts aber erst 1,7 Prozent des für 2024 angenommenen Bruttoinlandsprodukts.
Aufgefüllt wird die Nato-quote mit weiteren Ausgaben. Das sind zum einen die Ukraine-hilfen von acht Milliarden Euro, die
der Verteidigung dienen. Um auf 2,1 Prozent zu kommen, muss Deutschland aber noch weitere rund zehn Milliarden Euro aus anderen Ressorts als verteidigungsrelevant deklarieren. Wie sich dieser „Zuschlag“zusammensetzt, ist geheim.
Der „Spiegel“hatte allerdings schon im vergangenen Jahr allerlei Kuriositäten entdeckt: Dass Krisenbewältigung im Entwicklungsund Außenressort sowie die Auslandsspionage, die das Kanzleramt finanziert, auf die Sicherheit einzahlen, lässt sich noch nachvollziehen. Mehr als fragwürdig ist aber, dass Kindergeldzahlungen an Bundeswehrangehörige, Versorgungsgeld für Exsoldaten der Ddr-armee sowie sogar Ausgaben des Bundesrats als verteidigungsrelevant nach Brüssel gemeldet werden.
Auffällig ist zudem, dass diese Zusatzposten in diesem Jahr nicht wie sonst bei rund fünf Milliarden, sondern bei zehn Milliarden Euro liegen. Zur großen Empörung von Gädechens und seinen Unionskollegen hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) werden nämlich rund fünf Milliarden Euro allgemeine Zinsaufwendungen ebenfalls als Verteidigungsausgaben deklariert. Schließlich seien dafür einmal Panzer und Kampfflieger gekauft worden. Nach Angaben von ifo-forscher Marcel Schlepper geschieht das „zum ersten Mal“.
Sondervermögen Tatsächlich ausgegeben wurde aus dem 100-Milliarden-euro-topf für die Bundeswehr bislang nur ein kleiner Teil: Rund 7,5 Milliarden Euro waren es Ende Februar laut Bundesfinanzagentur. Dabei sollten es allein 2023 schon 8,41 Milliarden Euro sein, in diesem Jahr sollen sogar 19,8 Milliarden Euro abfließen.
Gädechens hält die bisherigen Zahlen zudem für geschönt: Enthalten sei in den Ausgaben beispielsweise eine Vorauszahlung von einer Milliarde Euro für das Waffensystem Arrow aus Israel, „ohne dass uns irgendetwas geliefert worden wäre“. Die Schlussfolgerung ist für den CDU-MANN klar: Die Beschaffung laufe immer noch nicht rund, „obwohl das Ministerium händeringend versucht, Geld loszuwerden“.
Tatsächlich gekauft wurde bislang also wenig, was gekauft werden soll, steht allerdings schon weitgehend fest. „Das Sondervermögen ist verplant“, bestätigte vor wenigen Tagen ein Ministeriumssprecher. Auf den Listen stehen unter anderem Tarnkappenjets, schwere Transporthubschrauber, Fregatten, Schützenund Transportpanzer sowie Soldatenstiefel.
Die Union empört allerdings, dass mit dem Geld aus dem Sondervermögen nicht nur wie vereinbart Großbeschaffungen finanziert, sondern auch „Haushaltslöcher“gestopft werden. So werden 520 Millionen Euro genutzt, um an die Ukraine abgegebenes Material wiederzubeschaffen. „Das ist nicht in Ordnung“, wetterte der Cdu-sicherheitspolitker Wadephul im Bundestag und warf der Ampel-regierung deswegen vor: „Sie verstoßen gegen das Gesetz.“
zeigt sich: Das Heizkraftwerk Trypillja, mit einer Leistung von 1800 Megawatt das wichtigste für die Versorgung des Kiewer Umlands, wurde aufgrund des Raketenmangels jüngst komplett zerstört.
„Wenn diese Angriffe kurz vor dem Winter wären, würde die internationale Gemeinschaft deutlicher hinsehen“, ist Giuretis überzeugt. Denn ohne Heizkraftwerke keine Fernwärme und somit keine Heizung in den Wohnungen. „Ohne ausreichende Luftabwehr kann Russland das Stromnetz komplett zerstören.“Zwar wurde das ukrainische Stromnetz inzwischen mit dem der EU verbunden – doch sei fraglich, ob Nachbarstaaten die komplette Mitversorgung der Ukraine im Winter überhaupt stemmen könnten, betont er.