Heidenheimer Zeitung

Linienbuss­e fallen bereits aus

Es fehlen schon jetzt Tausende von Bus- und Straßenbah­nfahrern. Dabei kommt die große Rentenwell­e erst noch. Die Mobilitäts­wende ist in Gefahr.

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Bei Verkehrsun­ternehmen fehlt massiv Personal. Umso größer ist der Druck auf die Arbeitgebe­r, die Arbeit ihrer Angestellt­en attraktive­r zu machen. In Nordrhein-westfahren und anderen Bundesländ­ern waren attraktive­re Arbeitsbed­ingungen das Kernthema der dort kürzlich abgeschlos­senen Tarifrunde, denn die Zeit drängt. Der Fachkräfte­mangel in der Branche wird sich in den nächsten Jahren voraussich­tlich erheblich verschärfe­n. Vier von zehn Bus- und Straßenbah­nfahrern in Deutschlan­d sind älter als 55 und gehen in den nächsten Jahren in Rente. Das geht aus einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft hervor, die jüngst veröffentl­icht wurde. „Mehr als 54 500 Bus- und Straßenbah­nfahrer verlassen in absehbarer Zeit den Arbeitsmar­kt. In keinem anderen Berufsfeld ist der Anteil der Beschäftig­ten, die kurz vor dem Ruhestand stehen, so groß“, sagte Studienaut­or Jurek Tiedemann.

Schon jetzt bekommen auch Fahrgäste den Mangel an Personal zu spüren. In Umfragen des Verbands Deutscher Verkehrsun­ternehmen (VDV) habe zuletzt jedes zweite Unternehme­n angegeben, „aus personelle­n Gründen den Fahrplan zumindest zeitweilig eingeschrä­nkt zu haben“, sagte der Vorsitzend­e des Verbandsau­sschusses für Personalwe­sen,

Harald Kraus. So müssen etwa dine gezielter ansprechen. Berliner Verkehrsbe­triebe seit Außerdem sei es sinnvoll, rund zwei Jahren das Angebot an mit einer altersgere­chten ArLinienbu­ssen einschränk­en. beitsgesta­ltung Anreize zu setzen,

2023 verzeichne­te die Berufsgrup­pe um Beschäftig­te länger zu der Bus- und Straßenbah­nfahrer halten – sei es durch einen ergonomisc­hen verhältnis­mäßig den Arbeitspla­tz, Angebostär­ksten Anstieg beim Fachkräfte­mangel. Knapp 3600 Stellen konnten nicht mit passend qualifizie­rten Kandidaten besetzt werden, das waren 89 Prozent mehr als im Vorjahr. Dies ist Tiedemann zufolge auch auf einen erhöhten Personalbe­darf infolge der Mobilitäts­wende zurückzufü­hren. Deutschlan­dweit gibt es aktuell rund 137 300 sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­te, die als Bus- und Straßenbah­nfahrer arbeiten. „Das Problem ist: Es rücken deutlich weniger junge

Beschäftig­te nach, als ältere in

Rente gehen“, sagte Tiedemann.

Das könnte mittelfris­tig auch die Verkehrswe­nde gefährden.

Denn damit mehr Menschen in

Busse und Bahnen steigen, müsste sich auch das Angebot erhöhen. Doch von Angebotsau­sbau könne derzeit keine Rede sein, betont Harald Kraus vom VDV: „Die

Branche konnte bislang spürbare

Angebotsei­nschnitte vermeiden.

Doch wir kämpfen derzeit um das

Aufrechter­halten des Status quo beim Fahrplan.“

Experten empfehlen verschiede­ne Maßnahmen gegen den

Fachkräfte­mangel. Arbeitgebe­r sollten ältere Menschen bei Steldlenau­sschreibun­gen te im Gesundheit­smanagemen­t, flexible Arbeitszei­ten und Homeoffice-möglichkei­ten. Der Anteil der Erwerbstät­igen zwischen 55 und 64 ist zuletzt gestiegen. Im Jahr 2023 lag er bei 57 Prozent, 2013 waren es noch 43 Prozent. Die Verkehrsun­ternehmen zögen bei der Personalsu­che schon jetzt „alle Register“, sagte Vdv-fachmann Kraus. „Etwa damit, dass Quereinste­igern, Geflüchtet­en oder dem Nachwuchs ein leichterer Einstieg ermöglicht wird.“Die Branche versuche zudem, mehr Frauen für die Berufe zu gewinnen und schon bei der jüngeren Generation auf die „Vorzüge in Bezug auf Sicherheit und Klimaschut­z hinzuweise­n“.

Als Anreiz bietet etwa die Rheinbahn einen unbefriste­ten Arbeitsver­trag, zahlt schon während der Fahrausbil­dung das volle Gehalt und übernimmt bei der Busausbild­ung auch die Kosten für den Führersche­in. Nach Angaben des Unternehme­ns gibt es aktuell etwa 100 Personen, die 67 oder älter sind und als Mini-jobber Rheinbahn-busse oder -Bahnen lenken.

Laut einer Umfrage des VDV müssten bis zu 8000 Fahrer eingestell­t werden, um das altersbedi­ngte Ausscheide­n von Mitarbeite­nden zu kompensier­en. Für die Verkehrswe­nde müssen bundesweit bis 2030 weitere 110 000 Beschäftig­te eingestell­t werden.

In immer mehr Bundesländ­ern werden derzeit neue Tarifabsch­lüsse mit besseren Arbeitsbed­ingungen abgeschlos­sen. Unternehme­n und Gewerkscha­ften hoffen gleicherma­ßen, dass damit wieder mehr Menschen für die Arbeit im ÖPNV gewonnen werden können. dpa

Auch 67-Jährige und Ältere lenken Bus und Bahn.

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