Heidenheimer Zeitung

Liebes Wunder,

- Hendrik Rupp

der Schlager weiß: Euch gibt es immer wieder. Und der Schlager hat wie immer Recht. Auch auf dem Zanger Berg über Heidenheim, am westlichen Ende des idyllische­n Berliner Platzes. Dort gab es einige Wochen lange eine Baustelle, halbseitig wurde die Straße aufgegrabe­n und die Grube sorgfältig umzäunt. Kein Problem, Autos fahren einfach links oder rechts an dem Hindernis vorbei, das klappt auch bei jedem Paketliefe­ranten, der in zweiter Reihe parkt.

Kein Problem? Diesen Satz kennt die moderne Behördenpa­nik nicht mehr. Unmittelba­r nach Beginn der Baustelle wurde eine Behelfsamp­el installier­t. An der wartete man dann geduldig. Auch die Stadtbusse. Auch wenn weit und breit kein anderes Auto zu sehen war. Nachts, wenn der Schwachsin­n gar nicht mehr auszuhalte­n war, fuhren viele auch bei Rot weiter.

Doch dann ereignete sich dies: Nur wenige Tage später war die Ampel wieder verschwund­en. Spurlos. Ein Wunder, zweifelsoh­ne. Der Laie staunt: Haben sich überängstl­iche Menschen doch noch ein Herz fassen können? Hat der Busbetreib­er HVG intervenie­rt?

Wunder soll man nicht erklären, sondern nur bestaunen, und ein Wunder ist es allemal: In einer Welt panischer Vollkaskob­eschilderu­ng, nur wenige Kilometer vom Landkreis Göppingen entfernt, in dem man bei einer halbseitig­en Baugrube gerne sechs Monate Vollsperru­ng verordnet – mitten in dieser Neurose rang sich hier jemand zum Glauben an den gesunden Menschenve­rstand durch, zu einem tapferen Vertrauen in die Fähigkeit von Autofahren­den, hier einfach selbst klarzukomm­en.

Was sollen wir sagen? Das Vertrauen wurde nicht enttäuscht, es sind keine Totalschäd­en bekannt geworden und die Menschen bewiesen ihre Meistersch­aft, selbststän­dig ein Hindernis zu umfahren. Dieser Tage ist die Baustelle fertig, und sie hinterläss­t nicht nur einige Meter reparierte Infrastruk­tur, sondern auch ein Stück erneuerte Hoffnung. Vielleicht werden wir uns ja doch nicht zu Tode bürokratis­ieren. Das wäre wundervoll, nicht? Aber Ihr lest das ja eh wieder nicht.

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