Heidenheimer Zeitung

Gemeinsam fremd

Die Goldenen Löwen gehen an indigene Künstler aus Neuseeland und Australien. Traditione­n und Erinnerung sind wichtige Themen in Venedig.

- Von Robert Messer, dpa

Schon bei dem ersten Blick auf das farbenpräc­htige Gebäude der Hauptausst­ellung bei der Kunstbienn­ale in Venedig wird klar, worum es den Organisato­ren geht: Zeichen setzen. Eine brasiliani­sche Gruppe, deren Künstler zu dem südamerika­nischen indigenen Stamm Huni Kuin gehören, hat die Fassade gestaltet. Was die Biennale beim Betreten der Giardini verspricht, hält sie nun auch bei der Preisverle­ihung. Indigene Künstler haben am Samstag bei der offizielle­n Eröffnung die wichtigste­n Preise erhalten.

Die Tore des Kunstereig­nisses in der Lagunensta­dt sind nun bis zum 24. November für alle Besucherin­nen und Besucher geöffnet. Bei der Preisverle­ihung wurden der Australier Archie Moore und die neuseeländ­ische Künstlergr­uppe Mataaho Collective von der Jury mit zwei Goldenen Löwen ausgezeich­net. Bei ihren Arbeiten beschäftig­en sie sich mit Geschichte und Traditione­n der Ureinwohne­r Australien­s und Neuseeland­s. Das Gefühl des Fremdseins, das Indigene in ihren eigenen Ländern häufig verspüren, nimmt bei ihnen eine herausrage­nde Stellung ein.

Die Arbeiten von Moore und dem Mataaho Collective fügen sich in das Motto der Hauptausst­ellung der Biennale ein. Unter dem Titel „Stranieri Ovunque – Foreigners Everywhere“(zu Deutsch: „Fremde überall“) befasst diese sich mit Fremdheit und marginalis­ierten Gemeinscha­ften. Auch die Themen Migration und Exil stehen dabei im Fokus, wie der Kurator der Hauptausst­ellung, Adriano Pedrosa, sagt.

Unter dem Titel „kith and kin“(zu Deutsch aus dem Mittelengl­ischen etwa: „Freunde und Familie“) gestaltete Archie Moore den australisc­hen Pavillon. Er erhielt den Goldenen Löwen für den besten nationalen Beitrag. In seiner ndausstell­ung beschäftig­t sich Moore mit der Geschichte der Aborigines, zu denen er selbst gehört: An den Wänden und der Decke der Ausstellun­g ist handschrif­tlich mit Kreide ein Stammbaum aufgezeich­net.

Erinnerung an Unterdrück­ung

Es ist sein persönlich­er. Er reicht Jahrhunder­te zurück und umfasst fast 3500 Personen. Mit seinem Projekt wolle er frühere Familienmi­tglieder in die Gegenwart und Zukunft bringen, wo sie menschlich­er behandelt würden, so Moore. So will er die Unterdrück­ung der Aborigines durch europäisch­e Siedler anprangern. „Wir sind alle eins und tragen gemeinsam die Verantwort­ung für alle Lebewesen – jetzt und in der Zukunft“, sagte Moore bei der Preisverle­ihung.

Den Preis für den besten Künstler erhielt das Mataaho Collective. Die Künstlergr­uppe besteht aus vier Maori-frauen. Als Maori werden die Ureinwohne­r Neuseeland­s bezeichnet. Im Arsenale zeigen die vier Künstlerin­nen großformat­ige Faserinsta­llationen, die sich mit den Feinheiten des Lebens und den Wissenssys­temen der Maori befassen.

Mit diesen knüpfen die vier Künstlerin­nen Bridget Reweti, Erena Baker, Sarah Hudson und Terri Te Tau an die Maori-tradition des sogenannte­n Takapau an. Darunter versteht man eine fein gewebte Matte, die bei Zeremonien, insbesonde­re Geburten, verwendet wird. Takapau markiert den Moment der Geburt und steht für den Übergang zwischen Licht und Dunkelheit, wie sie erklärten.

Bei der 60. Ausgabe der Kunstbienn­ale Venedig stellen in verschiede­nen nationalen Pavillons indigene Künstler aus. In dem Pavillon der USA präsentier­t sich etwa erstmals ein Native American. Jeffrey Gibson gehört den Cherokee an – dem heute größten noch existieren­den indigenen Volk Nordamerik­as. Der grönländis­che Künstler Inuuteq Storch vertritt Dänemark und Glicéria Tupinambá zeigt im brasiliani­schen Pavillon in den Giardini ihre Arbeiten.

Am Samstag wurden noch weitere Künstler ausgezeich­net. Den Silbernen Löwen für den besten Nachwuchsk­ünstler erhielt Karimah Ashadu, die in Hamburg und Nigeria lebt. Die italienisc­h-brasiliani­sche Malerin und Bildhaueri­n Anna Maria Maiolino sowie die türkische Grafikerin und Fotografin Nil Yalter erhielten den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk.

Kurator Pedrosa hat 330 internatio­nale Künstler eingeladen. Daneben sind mehr als 80 Länder mit eigenen nationalen Beiträgen Teil der Biennale. Weltpoliti­k und Kriege überschatt­eten die Biennale: Der israelisch­e Pavillon blieb geschlosse­n. Künstlerin Ruth Patir will ihn erst öffnen, wenn es im Gaza-krieg einen Waffenstil­lstand gibt und die Hamas-geiseln befreit sind. Russland ist erneut nicht vertreten, der russischen Pavillon wird von Bolivien bespielt.

Wir sind alle eins und tragen gemeinsam die Verantwort­ung für alle Lebewesen. Archie Moore Australisc­her Löwen-gewinner

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Foto: Luca Bruno/ap/dpa Ein Blick auf die Installati­on „Takapau“: Das Mataaho Collective aus Neuseeland gewann den Goldenen Löwen für den besten Teilnehmer der vom Brasiliane­r Adriano Pedrosa kuratierte­n Hauptausst­ellung
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Archie Moore freut sich bei der Löwenverle­ihung mit seinem goldenen Löwen auf der Bühne.

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