Nicht alles verloren
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gilt bei vielen Umweltschützern als Inbegriff allen Übels. Als Klimateufel, der den bösen Verbrennungsmotor retten will, sich immer wieder neue seltsame Entschuldigungen gegen die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen ausdenkt und dem an der Co2-einsparung in Wahrheit überhaupt nicht gelegen ist.
Das stimmt zum Teil: Der Verkehr reißt die Klimaschutzziele seit Jahren, bei der Einsparung von klimaschädlichen Emissionen geht es kaum voran. Darüber hinaus hat der Fdp-minister nie einen Hehl daraus gemacht, dass er eben Verkehrs- und nicht Umweltminister ist und seine Priorität in der Freiheit der individuellen Mobilitätswahl liegt. Wer einen Klimaschutzverkehrsminister will, der sollte einen Grünen in das Amt wählen. Dann läuft es rund. Oder?
Ein Grüner als Verkehrsminister würde aller Voraussicht nach die volle Co2-vermeidungsstrategie fahren. Zum Beispiel hätte er auf ein Tempolimit auf Autobahnen bestanden, vielleicht sogar Geschwindigkeitsreduzierungen auf Landstraßen vorgeschlagen. Autobahn-ausbauprojekte hätten keine Priorität mehr, stattdessen würde alles auf die Bahn ausgerichtet. Womöglich würde noch mehr Geld aus der Lkw-maut in die Schiene fließen.
Der Verkehrssektor stünde mithilfe dieser Maßnahmen emissionstechnisch wahrscheinlich besser da als heute. Doch reichen würde das nicht. Das liegt an drei Faktoren. Erstens liegen Klimaschutzhebel wie die Subventionierung von Diesel oder ein Ummodeln der Pendlerpauschale zugunsten klimafreundlicher Verkehrsmittel wie Bus, Bahn und Rad nicht nur in der Zuständigkeit des Verkehrsministers. Dafür ist auch die Hilfe des Finanzministers nötig – und der aktuelle Amtsinhaber hat wenig Interesse an grünen Lieblingsprojekten.
Zweitens benötigen Länder und Kommunen zusätzliche Mittel, um die Bürger zum Umstieg in den öffentlichen Nahverkehr zu bewegen. Denn: Wer den Takt von Zügen an Abenden oder am Wochenende ausdünnt, kann nicht erwarten, dass die Bürger ihr Auto abschaffen. Doch das Geld ist knapp, die Kassen sind leer, vielerorts ist Sparen angesagt. Und selbst wenn genügend Mittel für den Ausbau von Schienen, Radwegen und der Ladeinfrastruktur für E-autos vorhanden
Ein grüner Verkehrsminister wäre politischer Selbstmord für die Partei gewesen.
wären, reicht drittens eine Legislaturperiode von vier Jahren für die Umsetzung solch ambitionierter Klimaschutzprojekte nicht aus. Da braucht es mehr Zeit.
Das wissen auch Annalena Baerbock und Robert Habeck, die 2021 bei den Koalitionsverhandlungen die Finger vom Verkehrsressort gelassen haben. Ein grüner Verkehrsminister wäre politischer Selbstmord für die Partei gewesen. Die Grünen hätten bei ihrem Markenkern, dem Klimaschutz, versagt und jeder hätte es an den Emissionszahlen ablesen können. Es wäre falsch, daraus zu folgern, dass alles im Verkehrssektor verloren ist.
Im Gegenteil: Für den nächsten Minister, egal welcher Parteifarbe, ist jede Menge drin. Allerdings sollte man davon abrücken, Erfolg an Emissionsreduktionszielen zu bemessen, und stattdessen eher auf die langfristigen Ziele und Maßnahmen schauen.