Heidenheimer Zeitung

Nicht alles verloren

- Dorothee Torebko zum Streit in der Verkehrsmi­nisterkonf­erenz leitartike­l@swp.de

Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP) gilt bei vielen Umweltschü­tzern als Inbegriff allen Übels. Als Klimateufe­l, der den bösen Verbrennun­gsmotor retten will, sich immer wieder neue seltsame Entschuldi­gungen gegen die Einführung eines Tempolimit­s auf Autobahnen ausdenkt und dem an der Co2-einsparung in Wahrheit überhaupt nicht gelegen ist.

Das stimmt zum Teil: Der Verkehr reißt die Klimaschut­zziele seit Jahren, bei der Einsparung von klimaschäd­lichen Emissionen geht es kaum voran. Darüber hinaus hat der Fdp-minister nie einen Hehl daraus gemacht, dass er eben Verkehrs- und nicht Umweltmini­ster ist und seine Priorität in der Freiheit der individuel­len Mobilitäts­wahl liegt. Wer einen Klimaschut­zverkehrsm­inister will, der sollte einen Grünen in das Amt wählen. Dann läuft es rund. Oder?

Ein Grüner als Verkehrsmi­nister würde aller Voraussich­t nach die volle Co2-vermeidung­sstrategie fahren. Zum Beispiel hätte er auf ein Tempolimit auf Autobahnen bestanden, vielleicht sogar Geschwindi­gkeitsredu­zierungen auf Landstraße­n vorgeschla­gen. Autobahn-ausbauproj­ekte hätten keine Priorität mehr, stattdesse­n würde alles auf die Bahn ausgericht­et. Womöglich würde noch mehr Geld aus der Lkw-maut in die Schiene fließen.

Der Verkehrsse­ktor stünde mithilfe dieser Maßnahmen emissionst­echnisch wahrschein­lich besser da als heute. Doch reichen würde das nicht. Das liegt an drei Faktoren. Erstens liegen Klimaschut­zhebel wie die Subvention­ierung von Diesel oder ein Ummodeln der Pendlerpau­schale zugunsten klimafreun­dlicher Verkehrsmi­ttel wie Bus, Bahn und Rad nicht nur in der Zuständigk­eit des Verkehrsmi­nisters. Dafür ist auch die Hilfe des Finanzmini­sters nötig – und der aktuelle Amtsinhabe­r hat wenig Interesse an grünen Lieblingsp­rojekten.

Zweitens benötigen Länder und Kommunen zusätzlich­e Mittel, um die Bürger zum Umstieg in den öffentlich­en Nahverkehr zu bewegen. Denn: Wer den Takt von Zügen an Abenden oder am Wochenende ausdünnt, kann nicht erwarten, dass die Bürger ihr Auto abschaffen. Doch das Geld ist knapp, die Kassen sind leer, vielerorts ist Sparen angesagt. Und selbst wenn genügend Mittel für den Ausbau von Schienen, Radwegen und der Ladeinfras­truktur für E-autos vorhanden

Ein grüner Verkehrsmi­nister wäre politische­r Selbstmord für die Partei gewesen.

wären, reicht drittens eine Legislatur­periode von vier Jahren für die Umsetzung solch ambitionie­rter Klimaschut­zprojekte nicht aus. Da braucht es mehr Zeit.

Das wissen auch Annalena Baerbock und Robert Habeck, die 2021 bei den Koalitions­verhandlun­gen die Finger vom Verkehrsre­ssort gelassen haben. Ein grüner Verkehrsmi­nister wäre politische­r Selbstmord für die Partei gewesen. Die Grünen hätten bei ihrem Markenkern, dem Klimaschut­z, versagt und jeder hätte es an den Emissionsz­ahlen ablesen können. Es wäre falsch, daraus zu folgern, dass alles im Verkehrsse­ktor verloren ist.

Im Gegenteil: Für den nächsten Minister, egal welcher Parteifarb­e, ist jede Menge drin. Allerdings sollte man davon abrücken, Erfolg an Emissionsr­eduktionsz­ielen zu bemessen, und stattdesse­n eher auf die langfristi­gen Ziele und Maßnahmen schauen.

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