Firmen und Kommunen gefragt
Fachkräftemangel betrifft fast jeden Betrieb. Im ländlichen Raum sind die Herausforderungen noch einmal andere. Schon jetzt werden kreative Lösungen ausprobiert.
Fachkräfte fehlen an jeder Ecke in Deutschland. Das ist nichts Neues. Doch während der demografische Wandel überall ein Problem ist, kommen gerade im ländlichen Raum erschwerende Bedingungen hinzu: „Eine geringere Dichte an Dienstleistungen, Infrastruktur und sozialen Netzwerken kann insbesondere für junge Menschen weniger attraktiv sein“, sagt Mattia Corbetta, Analyst bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Zudem seien eher kleinere Unternehmen in weniger produktiven Branchen ansässig, die oft niedrigere Löhne zahlten. Es müsse also an mehreren Schräubchen gedreht werden.
Fachkräftesicherung im ländlichen Raum klappe nur durch ein Zusammenspiel von Unternehmen, Kommunen und anderen Akteuren, sagt auch Hans Hercksen vom Kompetenzzentrum Ländliche Entwicklung in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn. „Die Entscheidung von Fachkräften für oder gegen eine Region fällt nicht nur unter Karriere- oder finanziellen Gesichtspunkten, sondern nicht zuletzt auch aufgrund von Bildungs-, Kultur- und Freizeitangeboten.“Dazu gehörten auch eine gute Infrastrukturversorgung und Kinderbetreuung. „Bei all diesen Herausforderungen spielen die Kommunen eine zentrale Rolle“, sagt er.
Doch die Prozesse sind oft langwierig und kosten Zeit – Zeit, die viele Betriebe nicht haben und deshalb schon selber aktiv werden. Dabei kann es sich lohnen, etwas Geld zu investieren.
Wie bei der Holzbearbeitung Kraus Gmbh aus dem bayerischen Pfarrdorf Zusamzell, 30 Kilometer westlich von Augsburg. Per Mail habe sich im vergangenen Frühjahr ein junger Mann aus Marokko, mit Deutsch auf B2-niveau, für eine Ausbildung beworben, berichtet Personalchefin ndsandra Heß. „Schnell war klar, dass wir ohne das ‚vereinfachte Fachkräfteverfahren‘ nicht schnell genug an das Visum kommen, um ihn im September des gleichen Jahres mit seiner Ausbildung beginnen lassen zu können.“400 Euro kostet das und etwas Zeit, „aber im Nachhinein hat sich dieser Aufwand gelohnt“. Der Betrieb stellte zudem einen ausgestatteten Wohncontainer auf das Gelände, auch die örtliche Fußballmannschaft nahm den jungen Mann auf. Willkommenskultur kann den Unterschied machen.
Auch Weiterbildungschancen binden ihre Mitarbeitenden, erklärt Heß. Der hohe Lohnunterschied habe eine Mitarbeiterin aus Albanien von einer Ausbildung zur Holzmechanikerin abgehalten. Durch eine Förderung der Arbeitsagentur sei dies aber nun ohne Lohneinbußen möglich. Um mehr lokale Azubis zu gewinnen, sei sie nun zudem auf Schulen im Umkreis zugegangen, um über die Firma und Berufsmöglichkeiten zu informieren.
Laut Referent Hercksen ist dies unerlässlich, um den Wegzug junger Menschen zu verhindern. Die „würden häufig durchaus gerne in ihrer Heimatregion bleiben, deren Vorzüge sie kennen und wo sie über Bindungen verfügen“, sagt er. Doch Einblicke in berufliche Möglichkeiten fehlten zu oft. Eine engere Verzahnung von schulischer und beruflicher Ausbildung
sei deshalb wichtig, außerdem müsse man den potenziellen Arbeitsnachwuchs mit ortsansässigen Unternehmen besser zusammenbringen.
Dass der Mangel an Nachwuchs mit dem Mangel an Ausbildungsplätzen zusammenhängen kann, hat sich auch bei Deutschlands südlichen Nachbarn in der Ostschweiz gezeigt. Dort hat der Verein Itrockt! aus St. Gallen das Trainee-programm „Digital Talents“ausgearbeitet. Quereinsteiger werden binnen eines Jahres für It-arbeitsplätze fit gemacht. Voraussetzung: eine berufliche Ausbildung oder Abitur, Deutsch- und Englisch-kenntnisse. „Die Trainees werden ein Jahr eingestellt, sie erhalten in Kooperation mit der Berufsschule St. Gallen die schulische Ausbildung und machen Praktika in unseren Partner-unternehmen“, sagt Projektleiterin Jasmin Aubry.
It-arbeitsplätze gebe es in vielen Branchen, vom Krankenhaus bis zum Betrieb, der Apparaturen für Augen-chirurgie fertigt. „Von der Software-programmierung bis zum It-support für Mitarbeitende ist alles denkbar.“
Für eine Übertragung dieses Projekts auf andere ländliche Regionen seien ein Netzwerk aus Unternehmen und Bildungspartnern sowie bestenfalls eine anfängliche staatliche Finanzierung wichtig. Nach der Kanton-subvention werde das Programm nun durch die Betriebe und Teilnehmer getragen. Die Ausbildung von Nachwuchsfachkräften könne zusätzliche, entlastende Ressourcen schaffen, wenn Stellen lange unbesetzt blieben, so Aubry. Langfristig lohne sich die Investition. Die Mitarbeiter seien loyal und blieben im Betrieb.