Heidenheimer Zeitung

Vorrang für Sprache

Fünf Säulen, Programme für Kitas und Schulen, alte Projekte und neue Gesetze: Die Pläne der Landesregi­erung für Reformen am Anfang der Bildungske­tte sind umfangreic­h. Ein Überblick.

- Von Axel Habermehl

Im Grundsatz haben Badenwürtt­embergs Kultusmini­sterin Theresa Schopper (Grüne) und andere Vertreter der Regierungs­koalition schon vor einem Jahr angekündig­t, was sie vorhaben: Grün-schwarz will das System zur Förderung des Spracherwe­rbs in Kitas und Grundschul­en massiv ausbauen. Bereits Anfang Mai 2023 sprachen Bildungspo­litiker der Regierung von den Plänen. Nun ist es nun soweit. Am Dienstag haben die Landtagsfr­aktionen von Grünen und CDU beschlosse­n, Schoppers Konzept zu finanziere­n. Spitzenver­treter des Regierungs­bündnisses stellten die Inhalte anschließe­nd vor.

Das Bildungssy­stem hat ein Problem: Es funktionie­rt für einen großen und wachsenden Anteil der Kinder nicht gut. Mehrere Schülerlei­stungsstud­ien haben in den vergangene­n Jahren belegt, dass viele Schüler aus verschiede­nen Altersgrup­pen in den Kernfächer­n deutlich weniger können als sie altersgemä­ß sollten. Die Risikogrup­pen, also jene Schüler, die absehbar nicht die Kompetenze­n erwerben, um anstehende Lernfortsc­hritte zu machen, werden größer.

20 bis 30 Prozent der Viertkläss­ler erreichen aktuell definierte Mindeststa­ndards nicht, ähnlich viele schaffen sie gerade so. Experten gehen davon aus, dass dies stark mit schwachen Sprachkenn­tnissen am Beginn der Bildungska­rriere zu tun hat. Der Anteil der Viertkläss­ler mit Zuwanderun­gshintergr­und liegt im Südwesten inzwischen bei fast 50 Prozent, das ist eine der höchsten Quoten bundesweit.

Diese Kinder, das belegen Studien, müssen stärker gefördert werden. Ansonsten drohen viele von ihnen schon in der Grundschul­e abgehängt zu werden. In der weiterführ­enden Schule und auf einem zunehmend anspruchsv­ollen Arbeitsmar­kt haben sie sonst geringe Chancen.

Worum geht es?

Grünschwar­z will schrittwei­se ein neues Netz aus verbindlic­hen Förderange­boten für Vier- bis Zehnjährig­e knüpfen. „Je früher Schwierigk­eiten erkannt werden, desto früher kann sich eine zielgerich­tete Förderung anschließe­n, und desto geringer sind die

Was hat die Regierung vor?

Lerndefizi­te im Verlauf des weiteren Bildungswe­gs. Die Sprachförd­erung muss deshalb als durchgängi­ger Prozess angelegt werden, der in der Kita beginnt und sich in der Schule fortsetzt“, heißt es im Beschluss. Die Pläne betreffen Kitas und Grundschul­en, Gesetze sollen geändert und bestehende Projekte weiter finanziert werden. Das Konzept besteht aus vielen Einzelmaßn­ahmen und ist auf Jahre angelegt. Der flächendec­kende Endausbau ist für 2028 oder 2029 vorgesehen.

chenstunde­n angeordnet werden.

Die alltagsint­egrierte Doch es gibt zu wenig Personal, Sprachbild­ung um das flächendec­kend anzubieten. soll verstärkt werden. So will das Daher ist ein Start an 200 Land die Quote jener Kinder, die Standorten im Sommer geplant. zur Einschulun­g noch intensiven Im Schuljahr 2027/28 sollen es Sprachförd­erbedarf haben, senken. fast zehnmal so viele sein. Allerdings Dazu soll das bestehende kann das Angebot auch erst Programm „Sprach-kitas“dienen. dann verpflicht­end werden. Die Es sieht mehr Personal an Kitas Regierung plant also eine Ändendrung zur Sprachentw­icklung vor, bedes Schulgeset­zes zum Jahr sonders an Einrichtun­gen mit vie2027, dabei ist sie nur noch bis len Kindern mit Förderbeda­rf. 2026 im Amt. Dann sind Landtagswa­hlen. Das Land will hier in den kommenden Jahren mehr als 200

Fachberatu­ngsstellen schaffen.

Darüber hinaus ist individuel­le Förderung für kleine Kinder nach Bedarf geplant. Als Ausgangspu­nkt soll die Einschulun­gsuntersuc­hung dienen. Sie ist schon heute Pflicht für jedes Kind im vorletzten Kita-jahr. Zuletzt wurde dabei landesweit bei 27 bis

32 Prozent aller Kinder intensiver Sprachförd­erbedarf diagnostiz­iert. In diesen Fällen soll künftig verpflicht­ende Sprachförd­erung im Umfang von vier Wo

Was ist an Kitas geplant?

Was ist an Schulen geplant? Im Jahr vor der Einschulun­g sollen Sprachförd­erkinder einen weiteren Test machen. Haben sie immer noch Rückstände, sollen sie nicht mehr, wie bisher, entweder trotzdem eingeschul­t oder zurückgest­ellt werden, sondern in „Juniorklas­sen“kommen. Die werden der ersten Klasse vorgeschal­tet, geplant sind 22 Wochenstun­den. Doch auch hierfür fehlt aktuell Personal. Der Einstieg ist für das Schuljahr 2026/27 mit 274

Klassen landesweit geplant. Der Endausbau auf 832 Klassen soll 2028/29 erfolgen. Bis dahin hofft Schopper genügend Lehrer zur Verfügung zu haben. Da die Regierung vor Jahren die Studienplä­tze für Grundschul­lehrer erhöht hat und die Geburtenra­te sinkt, könnte das klappen. Sicher ist es nicht. Auch in den regulären Klassen 1 bis 4 soll die Sprachbild­ung ausgebaut werden. Für die Klassen 1 und 2 sind vier zusätzlich­e Förderstun­den geplant.

Was ist noch in Arbeit? Da Lehrermang­el herrscht, führt das Land erstmal bestehende Projekte fort. Das Programm „Rückenwind“zur Bewältigun­g der Folgen der Corona-schulschli­eßungen soll weiterbeza­hlt werden, wenn der Bund aus der Finanzieru­ng aussteigt. Darüber werden Hilfskräft­e an Schulen bezahlt. Ähnliches gilt für das Programm „Sprachkita­s“. Auch das Projekt „Multiprofe­ssionelle Teams“an Grundschul­en soll ausgeweite­t werden.

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© Foto: Sebastian Gollnow/dpa Bücher als Schlüssel zu Bildung: Die Landesregi­erung will die Sprachkomp­etenz kleiner Kinder massiv fördern.

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