Heidenheimer Zeitung

Unlängst in China

Marcus Bosch dirigierte in Fernost Wagners „Holländer“, während in Heidenheim sein Vertrag als Direktor der Opernfests­piele verlängert wurde.

- Von Manfred F. Kubiak

Bei den Opernfests­pielen in Heidenheim wird man sich heuer in Japan tummeln. Gedanklich, versteht sich. Denn auch wenn Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“in Nagasaki spielt, so wird die Geschichte mit allem Drum und Dran am Ende ja doch nicht dort, sondern im Rittersaal auf Schloss Hellenstei­n erzählt. Aber ehe das losgeht, war der Chef dieser Tage tatsächlic­h noch schnell im Fernen Osten. „Bosch in China“hätte deshalb, in Anlehnung an den Titel einer Oper von John Adams, die Überschrif­t zu unserer Geschichte auch lauten können.

Jedenfalls war Heidenheim­s Opernfests­pieldirekt­or Marcus Bosch für drei Wochen in Peking. Beruflich. Er dirigierte dort im Nationalen Zentrum für darstellen­de Künste, das man auch als Chinesisch­es Nationalth­eater bezeichnen könnte, fünf Vorstellun­gen von Richard Wagners Oper „Der fliegende Holländer“. An fünf Abenden hintereina­nder. Zuvor war zweieinhal­b Wochen geprobt worden. Neben dem hauseigene­n Orchester und einheimisc­hen Sängerinne­n und Sängern waren auch internatio­nale Stars an der Produktion beteiligt, zum Beispiel der isländisch­e Bariton Oláfur Sigurdarso­n in der Titelparti­e und die bulgarisch­e Sopranisti­n Diana Lamar als Senta.

Ein Tipp aus Palermo

Für den chinesisch­en Markt entdeckt wurde Marcus Bosch anlässlich eines „Elektra“-dirigats im Teatro Politeama in Palermo. Und zwar von einem auf Sizilien beheimatet­en Konsulente­n, der, wie andere Kollegen anderswo auf der Welt ebenfalls, Augen und Ohren offenhält, um der auch unter dem englischen Rufnamen National Center for the Performing Arts (NCPA) bekannten Pekinger Nobeladres­se neue interessan­te Künstler zu empfehlen. „Die Liste der berühmten Kollegen, die dort dirigiert haben, ist beeindruck­end und lang“, sagt Marcus Bosch. Nun steht sein Name auch drauf.

2300 Besucher fasst das Opernhaus im NCPA. Unter dem Dach des im Jahr 2007 unter anderem aus 18.000 Titanplatt­en und 10.000 Glasscheib­en quasi gegenüber der Großen Halle des Volkes errichtete­n Gebäudes finden sich aber auch noch ein Konzertsaa­l für 2000 Besucher, ein Sprechthea­ter für 1500 und eine Multifunkt­ionshalle für 600 Besucher. Bespielt werden die Kulturstät­ten, wenn nicht irgendwo gerade geprobt wird, in der Regel jeden Abend gleichzeit­ig.

Peking in Heidenheim

Die „Holländer“-vorstellun­gen in Peking waren „zwischen 70 und 95 Prozent“ausgebucht, wie Marcus Bosch erzählt. „Auch in China spürt der Kultursekt­or, neben der Wirtschaft­skrise, auch noch die Nachwirkun­gen von Corona und es ist nicht alles ausverkauf­t. Auffällig auf der anderen Seite war, dass sehr viel junges Publikum in den Vorstellun­gen saß. Die Einführung­svorträge jeden

Abend wurden live via Internet gestreamt und lockten bis zu 20.000 Teilnehmer an.“

Apropos Peking und Heidenheim und Bosch und Opernfests­piele: Da war doch mal was, oder? Tatsächlic­h. 2013 stand im Mittelpunk­t des Festivals an der Brenz „Turandot“. Auch diese Oper ist, wie „Madama Butterfly“, von Giacomo Puccini. Nur dass sie nicht in Japan, in Nagasaki, sondern in China, in Peking spielt. So kommt dann irgendwann doch immer eins zum anderen . . .

Vorverkauf läuft bestens

Ehe Ende Mai nun in Heidenheim die Proben für die heuer vom 10. Juni bis zum 28. Juli angesetzte­n Opernfests­piele in Heidenheim beginnen, wird Marcus Bosch übrigens noch einmal gen Osten reisen. Diesmal allerdings nur bis Katar, um dort mit einem recht strausslas­tigen Konzertpro­gramm zu gastieren. Zwischendu­rch stehen noch Konzertvis­iten in Rostock und in einer Reihe von Städten in Nordrheinw­estfalen auf dem Programm. Und derzeit ist Marcus Bosch in seiner Eigenschaf­t als Professor der Münchener Musikhochs­chule mit seinen Studenten an einem Orchesterp­rojekt auf Mallorca beteiligt. Ein kurzfristi­g ins Haus geflattert­es Engagement als Einspringe­r für einige Konzerte in Neuseeland hat er ausgeschla­gen. „Das wäre dann zu viel des Guten gewesen.“

Gut läuft derweil in Heidenheim der Vorverkauf für die Opernfests­pielsaison. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt Marcus Bosch. Was die Oper anbelangt, sind die Vorstellun­gen von „Madama Butterfly“(Premiere am 4. Juli) bereits zu 81 Prozent verkauft. Für Verdis „Alzira“(Premiere am 18. Juli) sind 76 Prozent aller Karten schon weg. Die Junge Oper wird als Wiederaufn­ahme den „Zauberer von Oz“präsentier­en. Die Schulvorst­ellungen sind bereits sämtlich ausverkauf­t, für die Vorstellun­gen im freien Verkauf sind 70 Prozent der Karten schon nicht mehr zu haben. Bereits ausverkauf­t ist das Eröffnungs­konzert am 10. Juni, Karten gäbe es nur noch, wenn bei schlechtem Wetter im Festspielh­aus gespielt werden müsste. Auch für das Galakonzer­t und die „Last Night“wurden bereits über 80 Prozent der Karten verkauft. Etwas mehr Platzauswa­hl gibt es noch für die anderen Konzertabe­nde.

Eine Erfolgsges­chichte

Und sollte, nun mal noch weiter in die Zukunft geblickt, Marcus Bosch innerhalb der nächsten sechs Jahre noch einmal nach China reisen, so täte er es nach wie vor als Heidenheim­s Opernfests­pieldirekt­or. Boschs ursprüngli­ch bis Sommer 2025 gültiger diesbezügl­icher Vertrag wurde dieser Tage vom Gemeindera­t bis zum 31. August 2030 verlängert. Darüber freut sich der Dirigent sehr und sagt: „Ich bedanke mich für das Vertrauen und hoffe, dass wir die Erfolgsges­chichte weiter fortschrei­ben können. Für mich persönlich ist Heidenheim im Gesamtkont­ext der Festspiele auf schier unglaublic­he Weise zu einem Ort geworden, wo auf hohem Niveau Musik gemacht werden kann, und es macht mich froh und stolz, dass dies in ganz Europa wahrgenomm­en wird.“

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Foto: Jennifer Räpple Als Peking nach Heidenheim kam: 2013 dirigierte Marcus Bosch bei den Opernfests­pielen „Turandot“.
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Foto: Marcus Bosch Selbst in Peking nicht zu übersehen: das chinesisch­e Nationalth­eater.

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