Heidenheimer Zeitung

Forscher in Sorge

Wissenscha­ftler befürchten, für Experiment­e bald eingesperr­t zu werden und kritisiere­n ein geplantes Gesetz.

- Dominik Guggemos

Droht Forschern, die an Tierversuc­hen beteiligt sind, bald eine Gefängniss­trafe? Medizinisc­he Forschungs­gesellscha­ften schlagen auf jeden Fall Alarm. Der Grund: das neue Tierschutz­gesetz von Landwirtsc­haftsminis­ter Cem Özdemir (Grüne).

„Rechtliche Unsicherhe­iten, die durch das geplante Gesetzesvo­rhaben mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit entstehen, führen nach unserer Auffassung dazu, dass Tierversuc­he in Deutschlan­d in der Krebsforsc­hung nur stark eingeschrä­nkt oder gar nicht mehr durchgefüh­rt werden“, schreibt die Deutsche Krebsgesel­lschaft (DKG) in einer Stellungna­hme. Dabei seien Tierversuc­he gerade in der Krebsforsc­hung nach wie vor ein unverzicht­barer Bestandtei­l des experiment­ellen Methodensp­ektrums.

Die Aufregung der Forscher ist auf den ersten Blick bemerkensw­ert, weil Tierversuc­he in dem überarbeit­eten Entwurf zum Tierschutz­gesetz, der dieser Zeitung vorliegt, kaum Erwähnung finden. Özdemir will nur die Strafen für das Töten von Tieren erhöhen. In besonders schweren Fällen drohen künftig bis zu fünf Jahre Gefängnis, statt bisher drei.

1,5 Millionen getötete Mäuse

Was das mit Tierversuc­hen zu tun hat? Das große Problem dreht sich um kleine Mäuse. Knapp 1,5 Millionen der Nager wurden 2022 als „Überschuss­tiere“getötet. Dazu kommt es, wenn die für Versuche gezüchtete­n Tiere nicht die erforderli­chen genetische­n Merkmale haben. Theoretisc­h könnten die Tiere zwar in Zoos verfüttert werden, aber rechtliche Hürden machen das nahezu unmöglich, wenn Gentechnik im Spiel war. Die Forscher befürchten, das Töten der Tiere könnte ihnen als „beharrlich wiederholt“ausgelegt werden. Diese Klausel gilt aber bereits jetzt, lediglich die Strafe wäre höher.

Wie berechtigt sind also die Sorgen der Forscher? Der Verein „Ärzte gegen Tierversuc­he“sieht in seiner Stellungna­hme „kein

Restrisiko“einer Strafverfo­lgung – sofern die Forscher sorgsam, profession­ell und streng gesetzesko­nform mit Tieren umgingen. Aus Kreisen des Landwirtsc­haftsminis­teriums heißt es, zum Umgang mit Versuchsti­eren seien bereits zahlreiche Festlegung­en getroffen. Die Forschung bleibe wie gehabt möglich, ohne dass Forschende Strafen fürchten müssten. Der Deutsche Tierschutz­bund findet es gar enttäusche­nd, dass im Bereich Tierversuc­he „weiterhin keine Verbesseru­ngen für die Tiere vorgesehen sind“.

Doch die FDP will die Bedenken der Forschungs­einrichtun­gen „sehr ernst nehmen“, sagt die Fraktionsv­ize Carina Konrad dieser Zeitung. Insbesonde­re bei der Erforschun­g von Therapiemö­glichkeite­n für schwerste Erkrankung­en seien die Versuche oftmals unerlässli­ch. Özdemir hat sich jedenfalls einen ambitionie­rten Zeitplan vorgenomme­n. Er will das Gesetz noch vor der Sommerpaus­e vom Kabinett beschließe­n lassen.

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