Die Wut nach dem Wahnsinnsspiel
Der VFB kassiert in Leverkusen in letzter Sekunde das 2:2. Das ist enttäuschend, weil auch der Schiedsrichter Felix Zwayer eine unrühmliche Rolle spielt.
Die Wut musste raus. Also schrie Waldemar Anton seinen Ärger in den Leverkusener Abendhimmel. Und fasste sich dabei mehrfach an den Kopf. Der Kapitän des VFB Stuttgart konnte ebenso wenig wie seine Kollegen begreifen, was sich in den letzten Sekunden der Partie in der ausverkauften Bay-arena abgespielt hatte.
Wahnsinn. Es ist kaum noch zu erklären, wie das Meisterensemble von
Xabi Alonso es schafft, drohende Niederlagen abzuwenden. Entschuldigend zuckte der Spanier mit den Schultern in Richtung seines Trainerkollegen Sebastian Hoeneß. „Es gibt keine Erklärung für das, was im Fußball passiert – aber es war gut für uns.“
Für den VFB war es enttäuschend, hatte er doch bis in die sechste Minute der Nachspielzeit mit 2:1 geführt. Im dritten Anlauf schien es möglich, die Leverkusener in dieser Saison tatsächlich zu bezwingen. Nur: es gelang nach dem Unentschieden im Bundesliga-hinspiel und der Niederlage im Dfb-pokal in einer mitreißenden Partie wieder nicht. Robert Andrich traf zum 2:2-Endstand. Sportlich verdient, aber die Szene vor dem Tor löste weiß-roten Wirbel aus.
Felix Zwayer zog sich den Zorn der Schwaben zu, weil er ein Foul übersah, ein mögliches Handspiel nicht am Videobildschirm überprüfte und länger als zuvor ange- nach vorne und glauben auch an geben spielen ließ. „Ich war mit den Lerneffekt bei den Spielleidtern“, dem zweiten Gegentor nicht einn- erklärte Fabian Wohlgemuth. verstanden und ich war mit der Der Sportdirektor war bemüht, Schiedsrichterleistung nicht einverstanden“, die Gemüter zu beruhigen, sagte Hoeneß. Bereits da auch die Vfb-profis Gefahr liefen, zuvor hatte der Vfb-coach in Rage zu geraten. in Fernsehinterviews deutlich „Wenn ich etwas zum Schiedsrichter zum Ausdruck gebracht, sage, dann bekomme ich was er vom Unparteiischen Ärger“, meinte Deniz Undav, der aus Berlin in diesem nach der Führung durch Chris erst taktisch geprägten, Führich (47.) das 2:0 erzielt hatte dann rasanten und (57.). Doch Undav wäre nicht Undav, stets hitzigen Match hielt. würde er nicht sagen, was
Zwayer war dem Spitzenspiel ihm durch den Kopf geht: „Der nicht gewachsen. Schiedsrichter hat eine sehr große „Dieses unglaubliche Spiel Rolle gespielt – und das sollte hätte eine Spielleitung auf nicht sein.“Das war die diplomatische Augenhöhe verdient. Das war aus Version, die aufgewühlte meiner Sicht nicht immer gegeben. Version war im Kabinengang zu Für beide Teams nicht. Es ist hören, als er Zwayer verhöhnte. emotional verständlich, aber in Doch beim VFB ist jedem klar, der Sache sinnlos, sich damit aufzuhalten. dass er die große Chance selbst Wir richten den Blick vergeben hat, die Leverkusener Erfolgsserie von nun 46 ungeschlagenen Pflichtspielen zu brechen. Serhou Guirassy nutzte seine Möglichkeiten allerdings nicht. Zweimal vergab der Torjäger den K.o. (59./87.). „Vielleicht wäre das dritte Tor der Wirkungstreffer gewesen, der Bayer in die Knie gezwungen hätte“, sagte Hoeneß. So kamen die Gastgeber durch das Anschlusstor von Amine Adli (62.) schnell zurück und bauten ungeheuren Druck auf.
Schließlich kam Pascal Stenzels ungeschicktes Foul in der Nachspielzeit, das den Ausgleich erst ermöglichte. Der eingewechselte Florian Wirtz gab den Freistoß herein, Victor Boniface räumte den Vfb-verteidiger Anthony Rouault aus dem Weg – und Andrich vollendete. Der Rest war Stuttgarter Ärger, der in neuen Antrieb verwandelt werden soll. Anton bildete noch auf dem Feld einen Mannschaftskreis und redete wie danach Guirassy gegen die leeren Gesichter an. Denn noch ist das Ziel nicht erreicht.
Es bleibt ein Schritt zu gehen, um die direkte Qualifikation für die Champions League zu sichern. „Ich musste hinterher nicht viel sagen, außer dass ich stolz auf die Mannschaft bin“, gab Hoeneß einen Einblick, „sofort kamen die ersten Spielerstimmen, um sich für die verbleibenden Spiele zu motivieren.“Drei Spiele sind es noch, bei sieben Punkten Vorsprung auf den Tabellenfünften aus Dortmund. Das will sich der VFB nicht mehr nehmen lassen, auch nicht den dritten Rang, dem RB Leipzig durch den 4:1-Sieg gegen den BVB nähergekommen ist.
Kein Grund zur Unruhe. „Wenn wir eine Spitzenmannschaft wie die Leverkusener werden wollen, dann müssen wir aus den eigenen Fehlern lernen“, sagt Undav vor dem Schlager am Samstag gegen den FC Bayern München. Hoeneß will sich nicht zu provokanten Äußerungen hinreißen lassen. Angesprochen auf die zwei vermeintlich spielerisch stärksten Mannschaften in Deutschland – Bayer und VFB – verneinte der Trainer die Einschätzung: „Die Tabelle sagt etwas anderes.“