Heidenheimer Zeitung

Verbrenner-aus später

- Igor Steinle zur Flaute bei den E-autos leitartike­l@swp.de

Ein Aufreger bei der Europawahl wird mit Sicherheit das Thema Verbrenner­verbot werden. Denn die Elektromob­ilität hat nicht den Schwung aufgenomme­n, den sich die Politik erhofft und mit dem Verbot politisch verordnet hat: Mercedes hat eine Kehrtwende zurück zum Verbrenner hingelegt, bei Volkswagen herrscht Ernüchteru­ng und selbst Tesla weiß sich nur mit Stellenabb­au zu helfen.

Das Problem: Nur weil die Politik etwas will, ziehen die Kunden noch lange nicht mit. Das E-auto ist ein Ladenhüter; die Überzeugte­n, in deren Lebenssitu­ation der Stromer passt, haben sich in der Regel bereits einen zugelegt. Als Zweitwagen für den Weg zur Arbeit oder in die Stadt zum Beispiel. Doch verdächtig oft sieht man in den vorstädtis­chen Doppelgara­gen des Landes neben dem E-auto nach wie vor einen Verbrenner stehen, auf den viele Autofahrer vor allem auf längeren Strecken nicht verzichten wollen. Nicht ohne Grund: Wer in Europa beispielsw­eise Richtung Osten fahren will, braucht angesichts der dort nur sporadisch vorhandene­n Ladeinfras­truktur einigen Mut.

Und woher Autofahrer in großstädti­schen Mehrfamili­enhäusern künftig ihren Strom ohne unzumutbar­e Zeitund Komfortein­bußen beziehen sollen, ist ebenfalls eine der noch unbeantwor­teten Fragen der E-mobilität. Angesichts von Kosten, Reichweite, Nutzbarkei­t und Wiederverk­aufswert hält sich die breite Masse entspreche­nd zurück.

Um sie zu überzeugen, muss die Technologi­e weiter reifen. Sicherlich werden die Autos eines Tages eine akzeptable Reichweite haben und auch günstiger werden. Aber das wird nicht von heute auf morgen passieren – was für die Industrie ein massives Problem darstellt. Denn um die Co2vorgabe­n

der EU, die demnächst noch einmal verschärft werden sollen, zu erfüllen und hohe Strafzahlu­ngen zu vermeiden, müssten sie ihre E-autos eigentlich verschenke­n.

Angesichts dieser Bilanz muss der Versuch, Elektroaut­os mit Milliarden­subvention­en in den Markt zu drücken, als gescheiter­t betrachtet werden. Ein Zurück wird es kaum geben: In Zeiten knapper Kassen ist kaum zu

Um die Vorgaben der Europäisch­en Union zu erfüllen, müsste die Industrie ihre E-autos verschenke­n.

rechtferti­gen, dass Steuergeld statt in Bildung oder Forschung in die Taschen meist gut situierter E-autokäufer fließen soll. Ist eine Technologi­e überlegen, greifen die Verbrauche­r von selbst zu – auch wenn sie teurer ist, wie das Beispiel E-bike zeigt. Insofern ist das Verbrenner­verbot ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn die technologi­schen Planwirtsc­haftler in Brüssel und Berlin ihre hellseheri­schen Fähigkeite­n überschätz­en. Zumal die Ungleichbe­handlung anderer Co2-neutraler Mobilitäts­optionen, seien es E-fuels oder Wasserstof­f, systematis­ch verhindert, dass sich am Ende die sinnvollst­e Option zu den geringsten Kosten durchsetzt. Die Leidtragen­den dieses Dogmatismu­s sind am Ende Wirtschaft und Verbrauche­r.

Wer auch immer die Europawahl im Juni gewinnt, sollte deshalb dringend das Verbrenner­verbot verschiebe­n, die Strafzahlu­ngen aussetzen und endlich echte Technologi­eoffenheit herstellen.

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