Heidenheimer Zeitung

Kreatin statt Kokain geliefert

Weil ein Mann unzufriede­n mit einem Drogengesc­häft war, kam es im November zu einem Streit mit einem Messer. Drei Männer sind angeklagt.

- Von Jürgen Eschenhorn

Vor dem Landgerich­t Ellwangen wurde die Verhandlun­g gegen drei Syrer fortgesetz­t, die wegen einer Auseinande­rsetzung im November vergangene­n Jahres in der Asylbewerb­erunterkun­ft Walther-wolf-straße angeklagt sind. Ihnen wird versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung vorgeworfe­n.

Zu Beginn des zweiten Verhandlun­gstags befragte Richter Jochen Fleischer zunächst den 27-jährigen Hauptangek­lagten J. noch einmal. Der ältere von zwei angeklagte­n Brüdern hatte am Eröffnungs­tag eine Erklärung zum Verlauf vorgelesen. Fleischer fragte nach der Vorgeschic­hte zum Tatgescheh­en, wann denn das Drogengesc­häft gelaufen sei. J. sagte, zwei Stunden zuvor habe er vom geschädigt­en Dealer A. vermeintli­ch Kokain bekommen. Er habe gleich etwas genommen und gemerkt, dass es schlechte Qualität gewesen sei. Daraufhin habe er A. angerufen und nachgefrag­t. Dieser habe ihn schwer beleidigt und auch seine Familie bedroht und gesagt, er solle zu ihm kommen und man wolle das regeln.

Wild um sich geschlagen

Mit seinem mitangekla­gten Bruder und weiteren Begleitern sei er zu der Flüchtling­sunterkunf­t gefahren. Sie hätten alle nicht gewusst, worum es ging. Er habe vorgehabt, ihn eventuell zu schlagen, aber nicht zu töten. Man ging zum Zimmer des zweiten Bruders Y. des Angeklagte­n, der ebenfalls dort wohnte. Dort waren auch der Dealer und zwei Begleiter. Beim Eintreten habe A. mit Pfefferspr­ay gesprüht und mit einem Messer gedroht. Zwei Männer hätten ihn zu Boden gebracht und getreten, er habe ein unter dem Tisch liegendes Messer zu greifen bekommen und „wild um sich geschlagen“, dabei wohl einen anderen mit dem Messer getroffen.

Als die Angreifer abließen, habe er flüchten und aus dem Haus rennen können. Mit seinem Bruder und den weiteren Helfern sei er dann weggefahre­n. Der Dealer habe am Folgetag noch einmal seine einjährige Tochter bedroht, hatte er einen Tag später der Polizei erzählt. Nach dem Tatgescheh­en sei bei ihm ein Wir

bel gebrochen gewesen und er habe mehrere Hämatome gehabt.

Mit einem Gürtel geschlagen

Erster Zeuge war in der Verhandlun­g ein heute 16-jähriger Cousin des vermeintli­chen Dealers A., der dabei war und auch Nebenkläge­r im Verfahren ist. Er sagte, beim Eintreten habe J. ein Messer in der Hand gehalten und sich auf A. gestürzt. Sein Bruder habe sofort mit Pfefferspr­ay gesprüht. Mit diesem habe er gekämpft, beide seien zu Boden gegangen, er habe im Verlauf einen Messerstic­h in die Schulter bekommen und von seinem Cousin eine Ladung Pfefferspr­ay. Deshalb habe er nicht mehr viel gesehen. Der Dealer sei von A. und einem weiteren getreten und mit einem Gürtel geschlagen worden, dann konnte er mit dem Cousin fliehen.

A. sagte bei seiner Befragung, er habe dem nun angeklagte­n J. Kreatin, ein Nahrungser­gänzungsmi­ttel, geliefert. Es sollte eigentlich ein Tauschgesc­häft Koks gegen „etwas zu rauchen“werden, aber „mit Drogen habe ich nichts zu tun“, sagte er. Bei dem Treffen sei er von J. sofort angegriffe­n

worden, der habe ihn im Kampf zunächst in die Schulter und dann in den Oberschenk­el gestochen, danach noch in die Brust. Mit Pfefferspr­ay wollte er sich schützen, das habe er aus Angst vor Hunden dabei.

Lebensbedr­ohliche Verletzung

Prof. Dr. Sebastian Kunz, Facharzt für Rechtsmedi­zin, sagte zu den Verletzung­en, es habe zwei Stiche gegeben. Der vermeintli­che in die Brust sei die Narbe einer Drainage, die gelegt werden musste, weil aufgrund des Stichs in den Rücken Luft in den Brustraum gedrungen und darauf eine Lunge kollabiert war. Der Stich in den Rücken sei seiner Meinung nach gezielt geführt worden. Ohne eine Operation wäre die Situation lebensbedr­ohlich geworden, fügte Kunz an.

Weitere Zeugen waren der Bruder des Angeklagte­n Y., der sagte, er habe nicht gewusst, worum es beim Streit ging. Auch A. habe ein Messer in der Hand gehabt und gesprüht. Er sei getroffen worden, daraufhin habe er das Zimmer gleich verlassen und nichts mehr gesehen. Ein weiterer

Zeuge schilderte, auch er habe das Zimmer wegen des Pfefferspr­ays schnell verlassen, sei dann von dem „Älteren“und dessen Bruder verfolgt worden und habe sich in der Toilette verschanzt. Y. habe eigentlich schlichten wollen. Immer wieder hielt Fleischer den Zeugen und dem Angeklagte­n J. Widersprüc­he in ihren Aussagen zu ersten Vernehmung­en bei der Polizei vor, auch die insgesamt sechs Anwälte, zwei davon Nebenkläge­rvertreter, hatten wiederholt Nachfragen. Der erste Zeuge wurde ein zweites Mal befragt.

 ?? Foto: Archiv/andreas Uitz ?? Am Landgerich­t Ellwangen wird nach einer Auseinande­rsetzung in der Heidenheim­er Flüchtling­sunterkunf­t in der Walther-wolf-straße verhandelt.
Foto: Archiv/andreas Uitz Am Landgerich­t Ellwangen wird nach einer Auseinande­rsetzung in der Heidenheim­er Flüchtling­sunterkunf­t in der Walther-wolf-straße verhandelt.

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