Heidenheimer Zeitung

Ein halbes Hähnchen und ein Bier

Vor 60 Jahren bezwang die A-jugend des VFL Heidenheim im württember­gischen Endspiel sensatione­ll den VFB Stuttgart. Sieben Helden von damals feierten jetzt ein Wiedersehe­n.

- Von Thomas Grüninger

Auch 60 Jahre nach ihrem Coup ist bei den Spielern die Erinnerung nicht verblasst: Am 21. Juni 1964 gelang der A-jugend des VFL Heidenheim im Endspiel um die württember­gische Meistersch­aft eine faustdicke Überraschu­ng. In Unterkoche­n wurde Serienmeis­ter VFB Stuttgart mit 2:1 besiegt. Jetzt trafen sich sieben der verblieben­en Helden von damals zum Wiedersehe­n.

Harry Schneider, Mittelstür­mer des erfolgreic­hen Heidenheim­er Nachwuchse­s, hatte das Treffen im „Albstüble“mit anschließe­ndem Besuch des Fchheimspi­els gegen Mainz 05 organisier­t. Fast alle, die noch am Leben sind, waren beim Nostalgiem­eeting dabei. Einzige Ausnahme war der erfolgreic­hste von ihnen: Horst Blankenbur­g, später Weltklasse-libero beim europäisch­en Topteam Ajax Amsterdam, musste trotz Anmeldung kurzfristi­g aus privaten Gründen den Flug von seiner spanischen Wahlheimat nach Deutschlan­d absagen.

Natürlich wurden bei dem Treffen vor allem Erinnerung­en an 1964 ausgetausc­ht. Die A-jugend des VFL holte sich zunächst den Titel in ihrer Bezirkssta­ffel, ließ Teams wie Ulm und Kirchheim hinter sich und qualifizie­rte sich schließlic­h fürs Endspiel gegen den VFB Stuttgart. Der Nachwuchs der Bad Cannstatte­r galt auf württember­gischer Ebene als Maß aller Dinge, sozusagen das Bayern München der 16- bis 18-Jährigen.

Peter Schwarz trifft zur Führung

„Aber wir waren sehr gut vorbereite­t und hatten eine starke Abwehr“, erinnert sich Harry Schneider. „Wir sind über uns hinausgewa­chsen“, ergänzt Klaus Bodmer, der rechte Verteidige­r, der es später als Schiedsric­hter bis in die 2. Liga schaffte. Nachdem der VFL einige bange Minuten überstande­n hatte, wurde der Außenseite­r zunehmend frecher und ging durch einen Weitschuss von Peter Schwarz in Führung.

Wolfgang Staiger, der im vergangene­n Jahr verstorben­e spätere Spd-landtagsab­geordnete, erhöhte 20 Minuten vor Schluss auf 2:0. Der Stuttgarte­r Anschlusst­reffer des Halbrechte­n Frey fiel erst kurz vor dem Abpfiff und konnte den Heidenheim­ern den Sieg nicht mehr streitig machen.

Die HZ berichtete von 2.200 Zuschauern im Hesselbach­stadion, davon 1.500 Heidenheim­er Anhänger. Die Rede war von einer – für damalige Zeiten – „fast endlosen Autokolonn­e, die sich am Sonntagmor­gen von Heidenheim aus in Richtung Unterkoche­n zog“. Dem umjubelten Triumph vor den Toren Aalens folgte die Heimfahrt an die Brenz. Und da gab es dann die erste Siegprämie, wie sich Klaus Bodmer erinnert: „Es war im damaligen Café Zugschwert. Jeder bekam ein halbes Hähnchen und ein Bier.“

Doch die Feierlaune wurde wenige Tage später überschatt­et von einem überaus tragischen Ereignis. Es folgten die Spiele um die

süddeutsch­e Meistersch­aft, und bei der Rückfahrt aus dem fränkische­n Treuchtlin­gen, wo die Heidenheim­er dem 1. FC Nürnberg mit 0:5 unterlagen, kam es zu einem folgenschw­eren Verkehrsun­fall, bei dem Vfl-halbstürme­r Klaus Klein sein Leben verlor.

„Er saß mit Horst Blankenbur­g im gleichen Pkw“, erinnert sich Klaus Bodmer. Während der spätere Weltklasse-fußballer nur leichte Blessuren davontrug, erlag Klein seinen schweren Verletzung­en. „Das war natürlich ein Riesenscho­ck für uns alle“, erzählt Harry Schneider. Im Bus

Was in Erinnerung blieb, ist indessen auch so manche Anekdote am Rand. Klaus Bodmer beispielsw­eise bekam es gegen Nürnberg mit dem trickreich­en Georg („Schorsch“) Volkert zu tun. Der spätere Nationalsp­ieler narrte seinen Heidenheim­er Gegenspiel­er mit ein paar Finten, Noch unter dem Eindruck dieses worauf Bodmer zu ihm sagte: tragischen Ereignisse­s absolviert­e „Wenn Du das noch einmal der VFL Tage später in Pforzheim machst, landest Du auf der die weiteren Spiele gegen Aschenbahn.“den Karlsruher SC und gegen Eintracht Tatsächlic­h stoppte der Vflverteid­iger Frankfurt, verlor beide Partien seinen Kontrahent­en und verabschie­dete sich aus danach mit einem groben Foul dund

Tin- dem weiteren überregion­alen kam mit einer Verwarnung telrennen. davon. Dass er nicht vorzeitig du

war man gemeinsam nach Treuchtlin­gen gefahren. Weil das Heidenheim­er Bus-unternehme­n Wahl das Transportf­ahrzeug aber gleich wieder benötigte, mussten die Rückfahrte­n in privaten Fahrzeugen erfolgen.

Ansage an den Gegenspiel­er

schen musste, hatte Klaus Bodmer nach eigener Einschätzu­ng wohl vor allem der Tatsache zu verdanken, dass der damalige Schiedsric­hter Fischer Bodmers Vater gut kannte, der in der Oberliga (seinerzeit die höchste deutsche Spielklass­e) als Linienrich­ter im Einsatz war.

Mit ihrem Kleinklein-spiel konnten die Stuttgarte­r nicht zum Erfolg kommen. Horst Reichenbac­h Vfl-trainer 1964 gegenüber der HZ

Inzwischen sind einige der Heidenheim­er Meisterman­nschaft von 1964 verstorben, zuletzt musste man am 31. März von Erhard („Fiddi“) Kraus, dem Torhüter, Abschied nehmen. „Er war wirklich ein sehr guter Schlussman­n. Zum Sieg gegen den VFB Stuttgart hat er wesentlich beigetrage­n“, sagt Harry Schneider über den Keeper aus Schnaithei­m, der später auch beim VFR Aalen im Tor stand.

Trainer kickte in der „Ersten“

„Wir waren ein verschwore­ner Haufen“nennt der Organisato­r des Nostalgie-treffens das Erfolgsrez­ept von 1964. Trainiert wurden die Jungs von Richard Reichenbac­her, der gleichzeit­ig für die erste Mannschaft des VFL in der 1. Amateurlig­a die Kickstiefe­l schnürte.

Reichenbac­her trug übrigens den Spitznamen „Sally“, wie auch seine Kicker selten mit dem Vornamen angesproch­en wurden: Horst Blankenbur­g etwa hieß „Blanky“oder auch „Schrank“aufgrund seiner Zweikampfs­tärke, Klaus Bodmer wurde „Gummi“genannt, Peter Schwarz „Bebbele“, Harry Schneider „Joe“und Rainer Schulz „Birnle“.

 ?? Foto: Archiv/hz ?? 1964 war‘s: Die Meisterman­nschaft des VFL Heidenheim (A-junioren) mit (hinten von links) Wolfgang Staiger, Uwe Zellmer, Harry Schneider, Klaus Klein, Horst Wagner, Dieter Schneider, Trainer Richard Reichenbac­h; (vorne von links) Klaus Bodmer, Peter Schwarz, Horst Blankenbur­g, Janny Gaschler, Rainer Schulz und Erhard Kraus.
Foto: Archiv/hz 1964 war‘s: Die Meisterman­nschaft des VFL Heidenheim (A-junioren) mit (hinten von links) Wolfgang Staiger, Uwe Zellmer, Harry Schneider, Klaus Klein, Horst Wagner, Dieter Schneider, Trainer Richard Reichenbac­h; (vorne von links) Klaus Bodmer, Peter Schwarz, Horst Blankenbur­g, Janny Gaschler, Rainer Schulz und Erhard Kraus.
 ?? Foto: mb ?? Freudiges Wiedersehe­n beim Bundesliga-spiel des FCH gegen Mainz: Dieter Schneider, Klaus Bodmer, Uwe Zellmer, Jürgen Sturm, Rainer Schulz, Jürgen Munzel und Harry Schneider (von links) tauschten Erinnerung­en an ihren großen Tag vor 60 Jahren aus.
Foto: mb Freudiges Wiedersehe­n beim Bundesliga-spiel des FCH gegen Mainz: Dieter Schneider, Klaus Bodmer, Uwe Zellmer, Jürgen Sturm, Rainer Schulz, Jürgen Munzel und Harry Schneider (von links) tauschten Erinnerung­en an ihren großen Tag vor 60 Jahren aus.

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