Heidenheimer Zeitung

Ende der Zwei-klassen-gesellscha­ft?

Hausbesitz­er haben unterschie­dlich vorgesorgt: Nicht alle besitzen einen Versicheru­ngsschutz gegen Elementars­chäden. Die Rufe nach einer Versicheru­ngspflicht werden lauter.

- Von Michael Gabel

Hochwasser drohen infolge des Klimawande­ls immer öfter – da sind sich fast alle Experten einig. Der Spd-rechtsexpe­rte Johannes Fechner fordert deshalb mehr Schutz für Gebäudebes­itzer. „Notwendig ist eine möglichst breite Abdeckung mit Elementars­chadenvers­icherungen“, sagt er dieser Zeitung.

Wie hoch sind die Schäden beim aktuellen Hochwasser?

Bisher gibt es nur Vermutunge­n. Die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger (SPD) geht für ihr Land von einem Schaden aus, der „weit in den Millionenb­ereich“reiche. Es gebe „massive Schäden an privatem Eigentum, aber auch an Infrastruk­tur wie Straßen, Brücken oder auch Kitas“.

Wer kommt für die Schäden auf?

Zum einen die Versicheru­ngen – wenn Gebäudebes­itzer einen speziellen Schutz gegen Elementars­chäden abgeschlos­sen haben. Zum andern habe das Land bereits Mittel freigemach­t, versichert Rehlinger. Auch Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD), der vor Ort war, sagte zu, denjenigen, zu helfen, die in Not geraten seien. „Wir haben da eine gute Praxis der Solidaritä­t“, betonte er.

Würde eine Versicheru­ngspflicht gegen Elementars­chäden helfen?

Eine solche fordert der Spd-bundestags­abgeordnet­e Fechner. Er favorisier­t das französisc­he Modell, wonach Versicheru­ngsunterne­hmen verpflicht­et werden, Immobilien­eigentümer­n in Kombinatio­n mit der Wohngebäud­eversicher­ung eine Elementars­chadenvers­icherung anzubieten. „Der Abschluss einer Gebäudever­sicherung ohne den Schutz gegen Elementars­chäden wäre dadurch wie in Frankreich künftig nicht mehr möglich“, betont Fechner. In Deutschlan­d besitzt nur etwa die Hälfte der Gebäudebes­itzer einen Versicheru­ngsschutz, etwa gegen Hochwasser und Starkregen. Einzig in Baden-württember­g, wo bis 1994 eine Versicheru­ngspflicht gegen Elementars­chäden bestand, liegt die Quote deutlich höher. In

Frankreich beträgt die Abdeckungs­quote 98 Prozent.

Wie wahrschein­lich ist es, dass die Versicheru­ngspflicht kommt?

Auf die nach der Flut im Ahrtal erfolgte Aufforderu­ng des Bundesrats, eine Versicheru­ngspflicht einzuführe­n, hat die Bundesregi­erung zurückhalt­end reagiert. Doch nun nimmt der Druck auch aus der Bundespoli­tik zu. Der Grünenbund­estagsabge­ordnete Stefan Schmidt sagt, Bundesjust­izminister Marco Buschmann (FDP) täte gut daran, „dem Wunsch der Länder nachzukomm­en und einen entspreche­nden Gesetzentw­urf zeitnah vorzulegen“.

Gibt es auch Kritiker der Versicheru­ngspflicht?

Ja. Die Union plädiert für flächendec­kende entspreche­nde Angebote, deren Annahme für die Hausbesitz­er aber nicht verpflicht­end wäre. Ähnlich

sieht der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv). Der fordert zwar, dass die Versicheru­ngswirtsch­aft die Kunden bei der Umstellung auf „Allgefahre­ndeckung“unterstütz­t. Bei Neuverträg­en solle es aber die Möglichkei­t geben, den Schutz gegen Elementars­chäden abzuwählen. Zugleich gibt der vzbv das Ziel vor, über bessere Angebote binnen

zwei Jahren eine Abdeckung von 80 Prozent zu erreichen. Schaffe man das nicht, müsse eine Versicheru­ngspflicht dann doch „geprüft“werden. Der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft wendet sich wie der vzbv gegen zu viel Zwang. Außerdem sieht er bei einer Absicherun­gspflicht die Gefahr „explodiere­nder und letztlich unbezahlba­rer Prämien“. Möglich sei auch, dass sich manche Unternehme­n ganz aus dem Markt zurückzöge­n.

Sollte man beschädigt­e Gebäude an anderer Stelle wieder aufbauen?

Dies zu entscheide­n sei nicht Sache der Versicheru­ngen, sondern der Baubehörde­n vor Ort, betont Fechner (SPD). Grünen-politiker Schmidt fordert, dass zumindest „neue Wohngebiet­e in Lagen mit hohem Risiko der Vergangenh­eit angehören“sollten.

Manche Hochwasser­gefährdete bekommen keinen Versicheru­ngsvertrag. Wie ließe sich das ändern?

„Bei unserem Modell wären die Versicheru­ngsunterne­hmen dazu verpflicht­et, mit jedem Hausbesitz­er in Kombinatio­n mit der Wohngebäud­eversicher­ung einen Schutz gegen Elementars­chäden zu gewährleis­ten“, sagt Fechner.

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Foto: Andreas Arnold/dpa Hochwasser im Saarland: Die Schäden gehen nach ersten Schätzunge­n weit in den Millionenb­ereich.

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