Ende der Zwei-klassen-gesellschaft?
Hausbesitzer haben unterschiedlich vorgesorgt: Nicht alle besitzen einen Versicherungsschutz gegen Elementarschäden. Die Rufe nach einer Versicherungspflicht werden lauter.
Hochwasser drohen infolge des Klimawandels immer öfter – da sind sich fast alle Experten einig. Der Spd-rechtsexperte Johannes Fechner fordert deshalb mehr Schutz für Gebäudebesitzer. „Notwendig ist eine möglichst breite Abdeckung mit Elementarschadenversicherungen“, sagt er dieser Zeitung.
Wie hoch sind die Schäden beim aktuellen Hochwasser?
Bisher gibt es nur Vermutungen. Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) geht für ihr Land von einem Schaden aus, der „weit in den Millionenbereich“reiche. Es gebe „massive Schäden an privatem Eigentum, aber auch an Infrastruktur wie Straßen, Brücken oder auch Kitas“.
Wer kommt für die Schäden auf?
Zum einen die Versicherungen – wenn Gebäudebesitzer einen speziellen Schutz gegen Elementarschäden abgeschlossen haben. Zum andern habe das Land bereits Mittel freigemacht, versichert Rehlinger. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der vor Ort war, sagte zu, denjenigen, zu helfen, die in Not geraten seien. „Wir haben da eine gute Praxis der Solidarität“, betonte er.
Würde eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden helfen?
Eine solche fordert der Spd-bundestagsabgeordnete Fechner. Er favorisiert das französische Modell, wonach Versicherungsunternehmen verpflichtet werden, Immobilieneigentümern in Kombination mit der Wohngebäudeversicherung eine Elementarschadenversicherung anzubieten. „Der Abschluss einer Gebäudeversicherung ohne den Schutz gegen Elementarschäden wäre dadurch wie in Frankreich künftig nicht mehr möglich“, betont Fechner. In Deutschland besitzt nur etwa die Hälfte der Gebäudebesitzer einen Versicherungsschutz, etwa gegen Hochwasser und Starkregen. Einzig in Baden-württemberg, wo bis 1994 eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden bestand, liegt die Quote deutlich höher. In
Frankreich beträgt die Abdeckungsquote 98 Prozent.
Wie wahrscheinlich ist es, dass die Versicherungspflicht kommt?
Auf die nach der Flut im Ahrtal erfolgte Aufforderung des Bundesrats, eine Versicherungspflicht einzuführen, hat die Bundesregierung zurückhaltend reagiert. Doch nun nimmt der Druck auch aus der Bundespolitik zu. Der Grünenbundestagsabgeordnete Stefan Schmidt sagt, Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) täte gut daran, „dem Wunsch der Länder nachzukommen und einen entsprechenden Gesetzentwurf zeitnah vorzulegen“.
Gibt es auch Kritiker der Versicherungspflicht?
Ja. Die Union plädiert für flächendeckende entsprechende Angebote, deren Annahme für die Hausbesitzer aber nicht verpflichtend wäre. Ähnlich
sieht der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Der fordert zwar, dass die Versicherungswirtschaft die Kunden bei der Umstellung auf „Allgefahrendeckung“unterstützt. Bei Neuverträgen solle es aber die Möglichkeit geben, den Schutz gegen Elementarschäden abzuwählen. Zugleich gibt der vzbv das Ziel vor, über bessere Angebote binnen
zwei Jahren eine Abdeckung von 80 Prozent zu erreichen. Schaffe man das nicht, müsse eine Versicherungspflicht dann doch „geprüft“werden. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft wendet sich wie der vzbv gegen zu viel Zwang. Außerdem sieht er bei einer Absicherungspflicht die Gefahr „explodierender und letztlich unbezahlbarer Prämien“. Möglich sei auch, dass sich manche Unternehmen ganz aus dem Markt zurückzögen.
Sollte man beschädigte Gebäude an anderer Stelle wieder aufbauen?
Dies zu entscheiden sei nicht Sache der Versicherungen, sondern der Baubehörden vor Ort, betont Fechner (SPD). Grünen-politiker Schmidt fordert, dass zumindest „neue Wohngebiete in Lagen mit hohem Risiko der Vergangenheit angehören“sollten.
Manche Hochwassergefährdete bekommen keinen Versicherungsvertrag. Wie ließe sich das ändern?
„Bei unserem Modell wären die Versicherungsunternehmen dazu verpflichtet, mit jedem Hausbesitzer in Kombination mit der Wohngebäudeversicherung einen Schutz gegen Elementarschäden zu gewährleisten“, sagt Fechner.