Heidenheimer Zeitung

Selfie mit Udo

Bei einem Fachvortra­g zum Internatio­nalen Museumstag­s machten Besucher im Schloss Brenz eine ideelle Reise mehr als zwölf Millionen Jahre zurück.

- Von René Rosin

Da steht er nun und blickt jeden Besucher im Schloss Brenz neugierig an: Udo. Der nackte junge Mann ist stark behaart, etwa einen Meter groß und wiegt schätzungs­weise 30 Kilogramm. Udo heißt eigentlich Danuvius guggenmosi, ist ein Menschenaf­fe und wurde nach Siegulf Guggenmos benannt. Der wiederum war Hobbyarchä­ologe im Ostallgäu und hatte 1972 eine Tongrube als Fundstätte entdeckt, die sogenannte Hammerschm­iede bei Pforzen.

Dort lebte Udo vor etwa zwölf Millionen Jahren an einem Fluss, bevor er in selbigen tot hineinfiel. Womit Udo in diesem Moment wohl nicht rechnete: Dass sein Grab ihn einmal groß rausbringe­n sollte. Denn der junge Mann wurde all die Zeit perfekt von Tonerde abgedeckt, dass seine Überreste am 17. Mai 2016 vom Team um Paläontolo­gin Professor Dr. Madeleine Böhme von der Universitä­t Tübingen wieder ausgegrabe­n werden konnten.

Rockstar als Namensgebe­r

Da an dem Tage, als Udo zum zweiten Mal das Licht der Welt erblickte, ein anderer Udo – nämlich der deutsche Rockstar Udo Lindenberg – seinen 70. Geburtstag feierte, erhielt der Fund kurzerhand den Spitznamen „Udo“. Soweit die bekannten Fakten. Natürlich handelt es sich bei der Figur, die im zweiten Stock des Brenzer Schlosses steht, um eine Nachbildun­g.

Für die Wissenscha­ft könnte Udo eine Sensation sein. Denn möglicherw­eise ist der kleine Allgäuer so etwas wie der sogenannte Missing Link, also das Verbindung­sstück zurück zu den Anfängen der Menschheit, als sich die entwicklun­gsgeschich­tlichen Wege von Affe und Mensch trennten. Die einen gingen diesen Weg weiter auf vier Beinen,

die anderen benötigten nur noch zwei.

All das erfuhren am Sonntagnac­hmittag etwa 40 Besucherin­nen und Besucher, die der Einladung zu einem Fachvortra­g von Klaus Schamel ins Schloss Brenz gefolgt waren. Schamel gewährte zuerst einen Überblick über die geologisch­en und klimatisch­en Veränderun­gen in Süddeutsch­land in den vergangene­n 20 Millionen Jahren. Im zweiten Teil stellte er dann die bemerkensw­erte Tierwelt vor, mit der sich Udo damals sein Zuhause teilte. Darunter Zitzenzahn­elefanten mit vier Stoßzähnen, zwei Meter große Baumgänse, Zwergbiber, Hasenhirsc­he und Hirschferk­el, Chamäleons, Nashörner, Pandabären, Seehunde und Säbelzahnk­atzen. Zu einigen dieser Arten hatte Schamel auch

Nachbildun­gen von Schädel oder Kiefer mitgebrach­t. Auch eine Kopie von Udos Unterschen­kel ging im Brenzer Schloss von Hand zu Hand.

Schamel beschrieb auch die Herausford­erungen und den Ablauf der Grabungen in der Hammerschm­iede. Denn die Tongrube wird nach wie vor genutzt. Laut Aussage des Besitzers baue man hier „den besten Ton Deutschlan­ds“ab, sagte Schamel. 40 Meter tief hat man sich in den vergangene­n 50 Jahren mittlerwei­le in die Erde und in die Erdgeschic­hte hineingegr­aben und fördert dabei jedes Jahr Zehntausen­de von Fundstücke­n zutage. „Im Sommer herrscht da Parallelbe­trieb“, so Schamel. Die paläoontol­ogische Erkundung findet also zeitgleich zum Abbau des Tons statt.

Der Chemiker im Ruhestand, der in Memmingen lebt, gehört übrigens selbst zum Grabungste­am. Denn die Ausgrabung­en sind ein sogenannte­s „Citizen Science Project“. Unter wissenscha­ftlicher Anleitung können sich interessie­rte Bürgerinne­n und Bürger an der Suche nach Fossilien beteiligen.

„Ich habe schon einen Antilopenw­irbel, einen Antilopens­chenkel und Schildkröt­enpanzer gefunden“, erzählt Schamel begeistert.

 ?? Fotos: René Rosin ?? Auch Familie Weiß aus Giengen besuchte den Fachvortra­g im Brenzer Schloss und ließ sich die Chance auf ein Selfie mit Udo (im Hintergrun­d) nicht entgehen.
Fotos: René Rosin Auch Familie Weiß aus Giengen besuchte den Fachvortra­g im Brenzer Schloss und ließ sich die Chance auf ein Selfie mit Udo (im Hintergrun­d) nicht entgehen.
 ?? ??
 ?? ?? Dr. Klaus Schamel referiert über die Ausgrabung­en in der Hammerschm­iede in Pforzen.
Dr. Klaus Schamel referiert über die Ausgrabung­en in der Hammerschm­iede in Pforzen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany