Heidenheimer Zeitung

„Stille ist das Wichtigste“

Dascha Dauenhauer ist Deutschlan­ds angesagtes­te Filmkompon­istin. Nun kommt „Golda“mit ihrer Musik in die Kinos.

- Von Magdi Aboul-kheir

Bei den World Soundtrack Awards war sie zuletzt als Entdeckung des Jahres nominiert – dabei hat die Komponisti­n Dascha Dauenhauer schon den Deutschen und den Europäisch­en Filmpreis gewonnen. Nun kommt der Film „Golda“mit ihrer Musik in die Kinos.

„Golda“erzählt die Geschichte der israelisch­en Ministerpr­äsidentin Golda Meir während des Yom-kippur-kriegs 1973. Ihre Musik ist wie ein eigener Charakter. Wie haben Sie diesen aufregende­n, intensiven, auch mal schroffen Klang gefunden – ist das ein intellektu­eller oder ein emotionale­r Prozess?

Dascha Dauenhauer: Beides. Das Erste, das passiert: Man schaut sich die Bilder an, dabei entsteht ein Gefühl. Dann überlegt man, was wollen wir eigentlich mit der Musik erzählen? Dazu denkt man aber auch über die dramaturgi­sche Entwicklun­g nach und über die Themen.

Waren Sie versucht, ethnische Anklänge aus dem Nahen Osten zu verwenden?

Das wollte ich genau nicht. Es ist ein israelisch­er Film über die israelisch­e Premiermin­isterin, er spielt in Israel. Ich wollte es universell erzählen: dass sich quasi jeder mit ihr identifizi­eren kann.

Sie haben Arthouse-filme vertont, aber auch Produktion­en wie „Der Schwarm“fürs ZDF. Gibt es bei solch kommerziel­len Aufträgen andere Anforderun­gen – es zum Beispiel süffiger zu machen?

Man arbeitet natürlich bei kommerziel­len Sachen ein bisschen anders. Es gibt diese Spannungsm­omente, die man bedient. Und man soll die Action unterstütz­en. Ich versuche aber trotzdem, auch bei solchen Projekten irgendwie irgendetwa­s Besonderes einzubring­en. Also um dieses Konvention­elle oder Kommerziel­le ein wenig zu brechen. Und weil ich vom Arthouse-kino komme, sagt man zu mir: Wir wollen ein bisschen was anderes. Deswegen habe ich eigentlich relativ freie Hand. Aber es gibt natürlich schon einen Rahmen.

„Berlin Alexanderp­latz“und „Der Schwarm“sind Literaturv­erfilmunge­n, Golda ist eine reale historisch­e Figur. Man könnte dazu unheimlich viel recherchie­ren. Oder genügt es, den Film zu sehen und mit dem Regisseur zu sprechen?

Ich mag es schon, viel zu lesen und Dokumentat­ionen anzuschaue­n. Bei Golda wollte ich sie auch als Mensch einfangen, ihre Gestik, ihren Rhythmus. Also, ich versuche schon viel zu recherchie­ren, weil mich das auch wirklich sehr interessie­rt und ich auch am liebsten solche Filme mache, weil ich das Gefühl habe, ich lerne so viel. Aber wenn eine Schauspiel­erin so unfassbar gut ist wie Helen Mirren als Golda, ist das eine wunderbare Inspiratio­n.

Sie pflastern Ihre Filme nicht mit Musik zu, sondern vertonen eher sparsam. Wie wichtig ist Stille?

Das ist absolut das Wichtigste! Ich sterbe für das Arthouse-kino. Wenn ein Film mit Musik übersät Ich liebe politische Filme, Romanist, wirkt das so, als ob man etwas verfilmung­en, eher düstere, melancholi­sche verstecken möchte. Und die Musik Stoffe. Ich werde verliert dadurch an Wirkung. niemals eine Komödie machen. Bei klassische­r Musik sind die Ich könnte es vielleicht handwerkli­ch, Pausen eigentlich genauso wichn- d aber nicht emotional. tig wie die Töne, und das ist beim Film genauso. Wenn das Bild wirkt, dann muss man auch keine Musik dazu haben. Manchmal muss man Regisseure aber davon überzeugen.

Betrachten Sie die Musik überhaupt vom Bild getrennt? Wie geht es Ihrem Ego als Komponisti­n?

Ich komme von einem klassische­n Hintergrun­d und habe mich dann bewusst für Filmmusik entschiede­n. Ich will nicht irgendein Album rausbringe­n, sondern habe Spaß daran, mich durch Filme, durch Regie inspiriere­n zu lassen.

Mögen Sie Abwechslun­g oder haben Sie Lieblingsg­enres?

Welche Rolle wird KI in Ihrem Job spielen?

Ich sehe das alles sehr problemati­sch, die ganze Weltentwic­klung. Aber wir können uns letztendli­ch nicht dagegen wehren, wir müssen es als Tool versuchen anzunehmen, obwohl ich da wirklich Schwierigk­eiten habe. In Reality Shows, in der Werbung könnte die Musik schon bald von KI geschaffen werden. Aber ich will daran glauben, wenn ich mal wieder völlig verzweifel­t vor dem Computer sitze und mich frage, was ich überrasche­nd anders machen kann – dass es einen menschlich­en, künstleris­chen Prozess gibt, der nicht ersetzbar ist.

Oft entstehen Filmmusike­n in sechs Wochen. Wie lange haben Sie Zeit für Ihre Musik?

Sechs Monate, das ist schon viel Zeit. Aber davon sind fünf Monate Konzeptent­wicklung, wo man 100 Stücke komponiert, weil man halt ausprobier­t, was funktionie­rt. Ich versuche auch, dass sich Projekte nicht überschnei­den, denn dafür bin ich viel zu sehr involviert, emotional und mental. Ich bin im Tunnel und nicht immer auf eine gute Art.

Wann wissen Sie, dass eine Musik zu einer Szene wirklich passt?

Manchmal erwische ich mich dabei, dass ich sage: Ach, es funktionie­rt schon. Aber ich weiß, es gibt so ein bestimmtes Gefühl: Wenn es richtig toll ist, dann weißt du es, wow! Auf dieses Gefühl warte ich immer, aber das ist sehr schwer.

Kennen Sie Schreibblo­ckaden?

Ich sitze jeden Tag am Computer, aber auch oft, ohne dass überhaupt was rauskommt. Also, da hab ich schon was komponiert, aber das lösche ich sofort am nächsten Tag. Ich glaube aber, dass es nie umsonst ist. Denn dann kommt der Tag, wo ich mich hinsetze und in zwei Stunden was total Tolles schreibe – bis dahin ist es oft deprimiere­nd. Bei „Golda“habe ich künstleris­ch so gelitten, weil ich was ganz Besonderes erschaffen wollte, und ich bin jetzt damit so glücklich, weil es meins ist und wirklich aus tiefstem Herzen kommt. Wie auch bei „Berlin Alexanderp­latz“. Ich will nichts machen, was ich dann nur mittelmäßi­g finde.

 ?? Foto: Sean Gleeson ?? Helen Mirren verkörpert im Kino Golda Meir – für die Filmkompon­istin Dascha Dauenhauer war die Performanc­e eine tolle Inspiratio­n.
Foto: Sean Gleeson Helen Mirren verkörpert im Kino Golda Meir – für die Filmkompon­istin Dascha Dauenhauer war die Performanc­e eine tolle Inspiratio­n.

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