Das Zombie-projekt
Fatalismus, Resignation, Achselzucken: Es mag sich nicht mal mehr jemand so richtig aufregen über die neueste Hiobsbotschaft zu Stuttgart 21. Wenn nun die Bahn nach langem Leugnen zugibt, dass die Eröffnung des neuen Tiefbahnhofs um noch ein Jahr verschoben werden muss, ringt das selbst Gegnern nur noch pflichtschuldige Protestnoten ab. Es hilft ja auch nichts: Augen zu und durch, heißt es jetzt, bis zur Eröffnung im Jahr 2026. Oder 2027 – oder irgendwann.
Es gehört zu den Absurditäten von S21, dass es das mit Abstand teuerste und größte Bauprojekt Deutschlands ist – aber niemand mehr etwas damit zu tun haben möchte. Die Politiker, Bahnchefs und Fürsprecher, die es einst beworben, durchgesetzt und verteidigt haben, sind alle längst in Rente, abgetaucht oder tot. Niemand würde es heute mehr so planen und beschließen, geschweige denn finanzieren. Stuttgart 21 ist ein politischer Untoter, ein toxisches Zombie-projekt, für das niemand mehr verantwortlich sein möchte. Zum Beerdigen ist es aber längst zu spät. So wird es uns noch lange erhalten bleiben: mit der nächsten Kostensteigerung, dem nächsten Planungs-chaos, der nächsten Verzögerung.
Wie sehr das Projekt, in den 90ern konzipiert und 2009 besiegelt, aus der Zeit gefallen ist, zeigen allein die immensen Kosten. Knapp 12 Milliarden Euro, das ist der aktuelle Stand, wird es kosten. Ein absurder Betrag in Zeiten von Schuldenbremsen, Spar-haushalten und „Zeitenwende“. Zum Vergleich: Als die Bauern kürzlich wegen der gestrichenen Agrar-subventionen Deutschland lahmlegten, ging es um läppische 900 Millionen. Die Militärhilfe für die Ukraine lässt sich die Bundesregierung dieses Jahr „nur“acht Milliarden kosten. Während die
Bahn jeden Cent zusammenkratzen muss, um ihr marodes Streckennetz halbwegs zu flicken, wird in ein Loch in Stuttgart Milliarde um Milliarde geschaufelt. Und wer mag daran glauben, dass es nicht noch teurer wird?
Dazu passt, dass die „Projektpartner“von einst, also Land, Bund, Stadt, Verband Stuttgart und Landesflughafen, sich gegenseitig vor Gericht zerrten, um zu klären, wer die aus dem Ruder laufenden Mehrkosten bezahlen muss (es wurde die Bahn).
Die Bahn braucht jeden Cent, um ihr marodes Netz zu flicken, und in Stuttgart landen Milliarden in der Grube.
Selbstredend haben Gegner des Projekts all diese Fehlentwicklungen vor Jahren vorhergesagt. Cdu-ministerpräsident Stefan Mappus ließ sie mit Wasserwerfern aus dem Schlossgarten spülen. Dafür müssen das Projekt jetzt zwei Grünen-politiker umsetzen, die stets erbittert gegen Stuttgart 21 gekämpft haben: Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Verkehrsminister Winfried Hermann.
Es könnte noch sein, dass es am Ende läuft wie bei der Hamburger Elbphilharmonie (ein Schnäppchen von 866 Millionen Euro): Dass also all das Bau-drama vergessen ist, wenn der futuristische Tiefbahnhof irgendwann eröffnet wird und Stuttgart aufblüht. Das kann aber nur klappen, wenn die Warnungen der Kritiker, der Bahnhof sei verkehrlich unsinnig, zu klein geplant und werde zum Nadelöhr, sich ausnahmsweise nicht bewahrheiten. Sein Erspartes möchte man darauf lieber nicht verwetten.