„Die Verlustängste sind deutlich größer“
Die AFD sei eine Partei, die Druck auf die anderen Parteien macht, sagt der Meinungsforscher Klaus-peter Schöppner. Er hat auch eine Erklärung für ihren Erfolg in Ostdeutschland.
Nicht einmal eine Reihe von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihre Spitzenpolitiker scheint den Zuspruch für die AFD stoppen zu können. Woran das liegt, erklärt der Meinungsforscher Klaus-peter Schöppner. Er ist Geschäftsführer von Mentefactum, einem Meinungsforschungs- und Beratungsinstitut in Bielefeld.
Warum halten die Afd-wähler trotz aller Skandale der Partei die Treue? Klaus-peter Schöppner:
In schwierigen Zeiten wird die AFD von vielen als einzige echte Oppositionspartei wahrgenommen. Der Union nehmen viele Wähler nicht ab, dass sie in vielen Bereichen eine grundlegend andere Politik machen würde. Außerdem spricht die AFD mit einer Stimme. Bei SPD und Grüne wissen viele nicht: Wollen die jetzt eine strengere Migrationspolitik oder nicht? Bei beiden gibt es innerparteilich so viele verschiedene Meinungen, dass die Haltung der Parteien völlig unklar bleibt.
Die AFD hat es aber auch leicht – schließlich kann sie vieles fordern, muss es aber nicht umsetzen.
Klar. Die AFD sieht alles im Großen und Ganzen – und findet dann populistische Antworten. Konkrete kommunalpolitische Akzente gibt es von der AFD nicht. So kommt sie gar nicht in die Bredouille, sich an Taten messen lassen zu müssen.
Eine reine Protestpartei also?
Nein. Ich sehe die AFD als Pressure-partei – verantwortlich dafür, Druck auszuüben. Viele Wähler wissen, dass die AFD keine guten Leute hat, auch kein gutes Programm. Aber sie macht den etablierten Parteien Feuer unter dem Hintern. Und das wirkt: Grüne,
SPD und Union vertreten auf einmal eine härtere Linie in der Migrationspolitik. Aber eher rhetorisch. An der Umsetzung hapert es.
Warum zieht das im Osten besonders stark?
Weil sich die Bürger im Osten tendenziell deutlich gegängelter fühlen. Zwar haben sich die Gehälter denen im Westen angenähert, aber das Vermögen nicht. Dadurch sind die Verlustängste bei anstehenden Veränderungen – welche die anderen Parteien für notwendig halten, die AFD nicht – deutlich größer. Außerdem haben viele in Ostdeutschland den Eindruck, dass die anderen Parteien über juristische Tricks versuchen, die AFD auszugrenzen, obwohl sie demokratisch in den Bundestag gewählt wurde. Da kommt ein ‚Jetzt erst recht‘-gefühl auf.
Auch bei den jungen Wählern ist die AFD überraschend stark. Warum?
Je weniger der Klimaschutz für junge Menschen beim Wählen eine Rolle spielt, je mehr es um Migration und Gewalt auf den Straßen geht, desto stärker schneidet die AFD ab. Dazu kommt das Thema Rente, bei dem die Jungen den Eindruck haben, dass nur für die Alten etwas getan wird, auf ihrem Rücken. Es wird viel Geld ausgegeben, aber nicht für die Jugend – dabei spüren sie die Probleme im Bildungssektor besonders stark.