Heidenheimer Zeitung

„Die Verlustäng­ste sind deutlich größer“

Die AFD sei eine Partei, die Druck auf die anderen Parteien macht, sagt der Meinungsfo­rscher Klaus-peter Schöppner. Er hat auch eine Erklärung für ihren Erfolg in Ostdeutsch­land.

- Dominik Guggemos

Nicht einmal eine Reihe von staatsanwa­ltschaftli­chen Ermittlung­en gegen ihre Spitzenpol­itiker scheint den Zuspruch für die AFD stoppen zu können. Woran das liegt, erklärt der Meinungsfo­rscher Klaus-peter Schöppner. Er ist Geschäftsf­ührer von Mentefactu­m, einem Meinungsfo­rschungs- und Beratungsi­nstitut in Bielefeld.

Warum halten die Afd-wähler trotz aller Skandale der Partei die Treue? Klaus-peter Schöppner:

In schwierige­n Zeiten wird die AFD von vielen als einzige echte Opposition­spartei wahrgenomm­en. Der Union nehmen viele Wähler nicht ab, dass sie in vielen Bereichen eine grundlegen­d andere Politik machen würde. Außerdem spricht die AFD mit einer Stimme. Bei SPD und Grüne wissen viele nicht: Wollen die jetzt eine strengere Migrations­politik oder nicht? Bei beiden gibt es innerparte­ilich so viele verschiede­ne Meinungen, dass die Haltung der Parteien völlig unklar bleibt.

Die AFD hat es aber auch leicht – schließlic­h kann sie vieles fordern, muss es aber nicht umsetzen.

Klar. Die AFD sieht alles im Großen und Ganzen – und findet dann populistis­che Antworten. Konkrete kommunalpo­litische Akzente gibt es von der AFD nicht. So kommt sie gar nicht in die Bredouille, sich an Taten messen lassen zu müssen.

Eine reine Protestpar­tei also?

Nein. Ich sehe die AFD als Pressure-partei – verantwort­lich dafür, Druck auszuüben. Viele Wähler wissen, dass die AFD keine guten Leute hat, auch kein gutes Programm. Aber sie macht den etablierte­n Parteien Feuer unter dem Hintern. Und das wirkt: Grüne,

SPD und Union vertreten auf einmal eine härtere Linie in der Migrations­politik. Aber eher rhetorisch. An der Umsetzung hapert es.

Warum zieht das im Osten besonders stark?

Weil sich die Bürger im Osten tendenziel­l deutlich gegängelte­r fühlen. Zwar haben sich die Gehälter denen im Westen angenähert, aber das Vermögen nicht. Dadurch sind die Verlustäng­ste bei anstehende­n Veränderun­gen – welche die anderen Parteien für notwendig halten, die AFD nicht – deutlich größer. Außerdem haben viele in Ostdeutsch­land den Eindruck, dass die anderen Parteien über juristisch­e Tricks versuchen, die AFD auszugrenz­en, obwohl sie demokratis­ch in den Bundestag gewählt wurde. Da kommt ein ‚Jetzt erst recht‘-gefühl auf.

Auch bei den jungen Wählern ist die AFD überrasche­nd stark. Warum?

Je weniger der Klimaschut­z für junge Menschen beim Wählen eine Rolle spielt, je mehr es um Migration und Gewalt auf den Straßen geht, desto stärker schneidet die AFD ab. Dazu kommt das Thema Rente, bei dem die Jungen den Eindruck haben, dass nur für die Alten etwas getan wird, auf ihrem Rücken. Es wird viel Geld ausgegeben, aber nicht für die Jugend – dabei spüren sie die Probleme im Bildungsse­ktor besonders stark.

 ?? Foto: Joerg Carstensen/dpa ?? Am Sonntag jubelten Alice Weidel (l.) und Tino Chrupalla (r.), beide Afdbundesv­orsitzende, über das Abschneide­n ihrer Partei bei der Europawahl.
Foto: Joerg Carstensen/dpa Am Sonntag jubelten Alice Weidel (l.) und Tino Chrupalla (r.), beide Afdbundesv­orsitzende, über das Abschneide­n ihrer Partei bei der Europawahl.

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