Deutschland wappnet sich
Stell Dir vor, es ist Krise – und alle müssen ran. Aber wer macht dann eigentlich was? Wie kommen Lebensmittel oder Ärzte dahin, wo sie gebraucht werden? Wo tagt die Regierung? Fahren Busse und Bahnen dann noch? Antworten auf all diese Fragen liefern die neuen Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung (RRGV), die das Kabinett vor Kurzem beschlossen hat. Sie sollen nach Angaben der Bundesregierung sicherstellen, „dass alle relevanten Akteure – von der Bundeswehr über die Hilfsorganisationen bis hin zu den Zivilschutzbehörden – ihre Rollen und Verantwortlichkeiten in Krisenzeiten klar erfüllen können“.
Die neuen RRGV lösen die bisherigen Richtlinien ab, die, man glaubt es kaum, aus dem Jahr 1989 stammen. Einer Zeit also, da Deutschland noch geteilt war, das Internet gerade erst erfunden wurde und die Bundeswehr fast eine halbe Million Soldaten zählte. Seither, so heißt es gleich zu Beginn des 67 Seiten umfassenden Konzepts, „hat sich das sicherheitspolitische Umfeld Deutschlands grundlegend gewandelt“: Zunächst seien nach dem Ende des Kalten Kriegs viele Strukturen der zivilen und militärischen Verteidigung zurückgebaut worden. Inzwischen aber werde „erstmals seit Jahrzehnten Deutschland auch wieder militärisch bedroht“.
Verändert haben sich in den vergangenen 35 Jahren auch die Formen der Bedrohung jenseits von Angriffen mit militärischer Gewalt: Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verweist vor allem auf die Gefahren im Cyberraum, durch Drohnen über Bundeswehr-einrichtungen, durch Desinformation und klassische Sabotage. Dagegen müsse sich Deutschland nicht nur militärisch, sondern „gesamtstaatlich“wappnen. Einen Beitrag dazu müsse auch „jeder und jede Einzelne von uns“leisten, so der Minister.
So heißt es in dem Papier unter der Überschrift Selbstschutz: „Wegen der Möglichkeit des gleichzeitigen Eintritts von Schäden an einer Vielzahl von Orten können die Bürger nicht damit rechnen, dass überall sofort staatlich organisierte Hilfe geleistet werden kann. Sie müssen deshalb darauf vorbereitet sein, sich zunächst selbst zu helfen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Fertigkeiten auch Nachbarschaftshilfe zu leisten.“