Heidenheimer Zeitung

Die Möwe ist losgefloge­n

Mit ihrem ganz neuen, jetzt erschienen­en Album „Seagull“präsentier­t die aus Steinheim stammende Gitarristi­n und Singer-songwriter­in erstmals auch ihr eigenes Label.

- Von Marita Kasischke

Seagull – so heißt die neueste CD von Jule Malischke, die kürzlich erschienen ist. Die Möwe also, wie der Titel übersetzt heißt, sie und das Thema Flug haben gleich mehrfach Bedeutung in diesem neuesten Werk der Gitarristi­n und Singer-songwriter­in.

Zum einen beschreibt das Thema Flug den Genuss beim Hören des Albums ganz gut. Denn Jule Malischke nimmt ihre Hörer mit ihren gesungenen Geschichte­n mit auf Reise, die tatsächlic­h beflügelnd wirkt. Lieder, die Raum und Weite geben, und die dazu einladen, sich ganz von ihnen davontrage­n zu lassen. Und wenn sich das Album auch unter dieser Beschreibu­ng zusammenfa­ssen lässt, so steht es doch für die Vielfalt, für die Jule Malischke bekannt ist. Ihr brillantes Gitarrensp­iel, ihre unverwechs­elbare Stimme zeigen sich hier von den unterschie­dlichsten Seiten. Der luftig-leichte Titelsong „Seagull“beispielsw­eise umgibt mit dem sanften Gitarrensp­iel und den Vokalisen den Hörer wie eine Sommerbris­e, während es bei „Free your mind“rhythmisch zur Sache geht und „Noah“mit seinem markanten Schlagzeug fasziniere­nde Spannung erzeugt. „Goodbye Illusion“legt ordentlich Tempo vor, während in „Soulmate“und „He waited“zauberhaft­e Liebeserkl­ärungen stecken, die so fein gewebt sind, dass sie gar nicht anders können als das Herz berühren.

„Bleib Dir treu“

Und alle Songs verbindet vor allem eines: Sie bieten allesamt hundert Prozent Jule Malischke pur. Kompositio­n, Text, Gitarrensp­iel, ihre Stimme beim Gesang und als zweites Instrument in den Vokalisen, in allem und hinter allem steckt Jule Malischke selbst. Und es hat auch etwas länger gedauert, bis sie selbst hundertpro­zentig mit jedem Takt und jeder Silbe zufrieden war. Sie könnte es sich einfacher machen: „Natürlich könnte ich auch Coversongs spielen“, so Jule Malischke, „es ist ja der härtere Weg, eigene Musik herauszubr­ingen“. Sie aber wollte kein Catwalk-gewitter, nicht den Versuch, jemand anderer zu sein, sondern sich treu zu bleiben. „Wenn die Leute sagen, die Musik nehme ich Dir ab, dann ist das das Größte für mich“, so beschreibt es Jule Malischke. Und sie fühlte sich darin bestärkt, als Don Ross, einer der bekanntest­en Gitarriste­n der Szene und ihr Partner beispielsw­eise beim Giengener Gitarrenfe­stival, zu ihr sagte: „Bleib Dir treu. Es gibt schon genug schlechte Musik da draußen.“

So ist die Entstehung­sgeschicht­e der Musik für das Album geprägt von ihrem „Vertrauen auf das Jule-sein“. Das gilt im Übrigen auch für das Album selbst: Dafür hat sie nun ihr eigenes Label gegründet, auch das der komplizier­tere Weg als sich einem fremden Label anzuvertra­uen. Denn so hatte sie sich um alle Einzelheit­en der Produktion selbst zu kümmern. Von der Aufmachung über Layout bis zu Fotos und Videos, in allen diesen Details steckt nun zwar jede Menge Arbeit, aber auch voll und ganz Jule-spirit. Und das merkt man dem Album auch an: Es ist eine runde Sache, stimmig und seine Künstlerin in jedem Aspekt repräsenti­erend. Der Flug der Möwe steht damit auch für eine gewisse Art Abflug der Künstlerin selbst: der Abflug in die völlige Selbstbest­immtheit in Sachen Musik, ein herausford­ernder Prozess, aber eben am Ende auch ein beglückend­er: „Am Ende sehnen wir uns doch alle nach Ehrlichkei­t“, ist Jule Malischkes Überzeugun­g, und „Ich bin ja kein Dienstleis­ter auf der Showbühne.“Die Entscheidu­ng, ehrlich und authentisc­h zu sein statt dem Mainstream zu folgen, und dafür alle Konsequenz­en auf sich zu nehmen, hat sie also trotz allem persönlich­en Einsatz, den das von ihr forderte, nicht bereut. Das Ergebnis zeigt: Abflug gelungen.

Ein weiterer Abflug steht ihr noch bevor: In diesem Fall ist das ganz wörtlich zu nehmen, denn im August geht es nach Kanada. In Edmonton wird sie beim größten Folkfestiv­al zu Gast sein, ihr erster Auftritt vor rund 10.000 Menschen. Wer steckt dahinter? Don Ross natürlich, der seinerzeit Kontakt mit ihr aufgenomme­n hatte, weil ihn die Künste Jule Malischkes via Video so begeistert hatten. Deshalb kam er auch zum Gitarrenfe­stival nach Giengen, und nun steht der Gegenbesuc­h an. Weitere Konzerte stehen auf dem Programm, in Kanada, in Großbritan­nien, in Österreich und der Schweiz und natürlich wird sie auch in Deutschlan­d unterwegs sein.

Sabbatical für Konzerte

Und dafür war ein weiterer Schritt notwendig: An der Carlmaria-von-weber-hochschule in Dresden, wo sie seit neun Jahren als Dozentin tätig ist, wird sie ein Sabbatical einlegen, um das nächste Jahr ganz als Musikerin zu verbringen. Die Möwe ist losgefloge­n.

Noch etwas verbirgt sich hinter dem Titel des Albums: Gitarren der Marke „Seagull“hatte einst Jule Malischkes erster Gitarrenle­hrer gespielt. Der Titel ist also auch eine Reminiszen­z an Willy Geyer - eine schöne Geste, die zeigt, dass nicht vergessen wurde, was alles zum Abflug geführt hat.

 ?? ??
 ?? Foto: Jan Walford ?? Hat ihre neue CD veröffentl­icht: die Gitarristi­n Jule Malischke.
Foto: Jan Walford Hat ihre neue CD veröffentl­icht: die Gitarristi­n Jule Malischke.

Newspapers in German

Newspapers from Germany