Die SPD zum Träumen gebracht
Die SPD hat wieder Grund zum Feiern. Weil das selten ist, tut sie es mit besonderer Lust. Martin Schulz hat die Genossen in seiner Antrittsrede als Kanzlerkandidat begeistert. Er strahlt die sozialdemokratische Wärme aus, die die Partei unter Sigmar Gabriel so schmerzlich vermisste. Schulz fordert Respekt und Gerechtigkeit für die ganz normalen Leute, zu denen er sich selbst zählt. Trotz seiner vielen Jahre an der Spitze des Europäischen Parlaments hat Schulz mehr Bodenhaftung als andere Politiker behalten; darauf ruht die Hoffnung der SPD. Und diese Bodenhaftung wird es Konkurrenten, die Schulz als Aushängeschild eines abgewirtschafteten Europa hinstellen wollen, schwer machen.
Doch mag Schulz persönlich und menschlich noch so begeistern: Er hat eine schwere Mission vor sich. Die CDU Angela Merkels wird von vielen als Mitte-Links-Partei empfunden, da bleibt wenig Raum für die Sozialdemokratie. Und der SPD – mit Andrea Nahles seit vier Jahren als Reparaturtruppe von Schröders Agenda-Politik unterwegs – wird das Thema soziale Gerechtigkeit noch immer nicht so selbstverständlich wie früher zugeordnet.
Hier findet Martin Schulz genug Ansatzpunkte. Dass es nicht mehr gerecht zugeht in Deutschland, denken viele. Ob bei Steuern oder Löhnen, Bildung, Renten oder Mieten – Schulz will hart arbeitenden Menschen wieder das verlorengegangene Gefühl vermitteln, dass sie sich auf die SPD verlassen können. Vertrauen zurückzugewinnen dauert aber bekanntlich länger als es zu zerstören.
Mit seiner Kampfansage gegen Rechtspopulismus kehrt Schulz zur großen Tradition der SPD zurück. Schulz hat in Berlin einen erfolgversprechenden Wahlkampfauftakt hingelegt. Dass er seinen Anspruch, der nächste Kanzler zu werden, verwirklichen kann, scheint trotzdem ein Traum angesichts seiner potenziellen Partner. Einer Linken, die mit Sahra Wagenknecht aus der Nato will, und Grünen, die längst Richtung CDU unterwegs sind. Doch immerhin – zum Träumen hat Schulz die SPD wieder gebracht.