Weniger Kopf, mehr Bauch?
Nicht zu Unrecht hat man der SPD zuletzt immer wieder angekreidet, sie habe sich von ihrem ursprünglichen Wählerstamm ent- fernt und die Belange und Nöte des einfachen Arbeiters vergessen. Der kleine Mann, der Malocher, der Arbeiter fühlte sich von der SPD nicht mehr vertreten. Spätestens seit Hartz-IV bekam die ehemalige Arbeiterpartei immer öfter zu hören, die Kluft zwischen Armen und Reichen in Deutschland nicht verkleinert, sondern sogar vergrößert zu haben.
Die Genossen im Wahlkreis Tuttlingen-Rottweil wollen nach der bitteren Klatsche bei der Landtagswahl 2016 mit aller Macht zurück in die Spur. Die Art und Weise zeigt auch, wie die Sozialdemokraten des Kreisverbandes mit ihrem ehemaligen Spitzenkandidaten Marcus Kiekbusch umgesprungen sind, nachdem dieser nicht mehr angetreten war. Es gab kein Wort des Lobes oder Dankes in Stetten.
Durch den derzeitigen Umfrage-Höhenflug durch Kanzlerkandidat Martin Schulz surfen die Genossen auf der Popularitäts-Welle ihres Spitzenkandidaten. Diesen Zeitpunkt sollten die Sozialdemokraten nun weise nutzen und daraus für die Bundestagswahl Kapital schlagen, statt trunken um sich zu schlagen.
Nun gehört das Überdie-Stränge-Schlagen zum politischen Aschermittwoch dazu. Ob das Beamten- und Akademiker-Bashing Sattlers allerdings zielführend ist, halte ich für äußerst zweifelhaft. Gerade in Zeiten, in denen Solidarität gefragt ist, kommt eine Spaltung in der eigenen Partei in zwei Lager – Akademiker versus Arbeiter – ungelegen. Allein das Abwatschen der Großkonzerne und die Neid-Debatte mit Managergehältern zu schüren, um sogar zu fordern, im Bundestag müssten wieder mehr Arbeiter sitzen, ist ein billiger wie populistischer Schuh. Weniger Kopf und mehr Bauch?
Marcus Kiekbusch mag als Spitzenkandidat eine blasse Figur abgegeben haben, die Lücke nun mit markigen Sprüchen und einfachen Lösungsvorschlägen eines Georg Sattlers für komplexe Fragestellungen der Politik wettmachen zu wollen, wirkt tölpelhaft und ist Effekthascherei. Echte Standpunkte müssen her, keine Stammtischparolen, wenn der Sattler Schorsch dem Kauder Volker die Wahlparty verderben will.