Österreichs Innenminister plant Beschränkung des Versammlungsrechts
Koalition in Wien will Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker gesetzlich verbieten – ÖVP möchte zudem Demonstrationen erschweren
- In Österreich sprechen sich alle Parteien für ein Verbot der Wahlkampfauftritte türkischer Politiker aus. Dennoch hat sich die rotschwarze Koalition in Wien über dieses Thema heillos verkracht.
Die radikalsten Vorschläge kommen nicht von der rechten Freiheitlichen Partei (FPÖ), die sich in den letzten Jahren als schärfste Türkenkritikerin profiliert hat. Diese Position will ihr jetzt Innenminister Wolfgang Sobotka von der ÖVP mit einer neuen Gesetzesvorlage streitbar machen. Der konservative Scharfmacher gefällt sich in der Rolle eines Alpen-Erdogan, der bereit ist, jederzeit Bürgerrechte zu beschneiden – angeblich nur aus redlichen Motiven: „Ich möchte, dass Österreich das sicherste Land der Welt ist.“
Im Konflikt der EU-Staaten mit der Türkei begnügt sich Sobotka nicht mit einem schlichten Verbot: Der Innenminister will die Gelegenheit nutzen, auch das Versammlungsrecht für seine Landsleute drastisch einzuschränken und zugleich seine Machtbefugnisse auszuweiten. So sollen künftig „aus Sicherheitsgründen“generell Demonstrationen an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten untersagt werden können - und zwar auf Anweisung des Innenministeriums. Außerdem sollen die Initiatoren von Straßenprotesten für Schäden durch Demonstranten haftbar gemacht werden und hohe Verwaltungsstrafen aufgebrummt bekommen.
Sobotka rückt keinen Millimeter von seinem geplanten Gesetz ab, das Kanzler Christian Kern (SPÖ) für „völlig ungeeignet“hält, weil derlei Einschränkungen gegen die Landesverfassung und das Europarecht verstoßen würden. Der Gegenvorschlag der SPÖ beschränkt sich auf einen Zusatz im Demonstrationsrecht, wonach Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker in Österreich verboten werden sollen, „die den außenpolitischen Interessen, anerkannten internationalen Rechtsgrundsätzen und Verpflichtungen der Republik Österreich“zuwiderlaufen.
„Gefährder der Verfassung“
Sobotka genügt das aber nicht. Er beruft sich auf Terrorgefahren, für die Österreich schlecht gewappnet sei. „Sobotka ist der größte Gefährder der Verfassung“, spottet Peter Pilz, Sicherheitssprecher der Grünen. Nach Meinung vieler Experten reichen geltende Gesetze aus, es bedürfe also keiner „Lex Erdogan“. Protestmärsche von Türken könnten jederzeit aus Sicherheitsgründen verboten werden. Zuletzt wurden in vier Orten, darunter in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz und im vorarlbergischen Hörbranz, geplante Veranstaltungen türkischer Politiker untersagt.
Die Lage in Österreich ist nicht so gespannt wie in Deutschland oder den Niederlanden. Doch macht sich Kern keine Illusionen: „Ich gehe davon aus, dass die türkische Seite dieses Spiel auch in Österreich fortsetzen könnte“, sagte er in einem Interview. Insgeheim wünscht man sich, Präsident Erdogan würde erst gar nicht nach Wien kommen, um für sein Referendum zu werben.
Die türkischen Verbände in Österreich sind zuletzt unter Verdacht geraten, verlängerter Arm für das Erdogan-Regime zu sein. So deckte der Grünenpolitiker Pilz kürzlich auf, dass regelmäßig Namenslisten von Erdogan-Gegnern in Österreich nach Ankara übermittelt werden.