Ein Impuls aus Tuttlingen für Berlin
Grüne Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger nimmt die Basis ernst
- Über die „Friedenspolitik in unsicheren Zeiten“hat die Ravensburger Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger am Dienstagabend auf Einladung des grünen Tuttlinger Kreisverbands im Tuttlinger „Engel“gesprochen. Dabei nahm sie auch eine Anregung von Kreisund Stadtrat Hans-Martin Schwarz für den anstehenden Bundestagswahlkampf auf.
Vieles drehte sich am Dienstagabend um den Wunsch der US-Amerikaner, dass die Nato-Partner bis zum Jahr 2024 zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben sollten. Darauf hatten sich die Partner auch vor wenigen Jahren verständigt. Naturgemäß stößt das bei den Grünen auf Unverständnis. Daher, so betonte Hans-Martin Schwarz, müsste Bündnis 90/Die Grünen das zum Thema im anstehenden Wahlkampf für die Bundestagswahl im Herbst machen. Denn: „Wir werden eh derzeit zu wenig wahrgenommen.“Aktuell sind es rund 1,2 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt, die die Bundesregierung für das Bundesministerium für Verteidigung vorhält – immerhin etwas mehr als 31,1 Milliarden Euro.
„Unter einem Prozent“
Und als Partei, die sich seit jeher mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr schwer tue und in jedem Einzelfall abwäge, könne man das laut Schwarz leicht zum Thema machen: „Das muss unter einem Prozent werden“, meinte Schwarz. Agnieszka Brugger, die die Sprecherin für Sicherheitspolitik und Abrüstung der grünen Bundestagsfraktion ist, sprang darauf sofort an. Das sei eine griffige Forderung, die sie gerne mit nach Berlin nehme, ganz nach dem Motto: „Dafür habe ich Rückenwind aus Tuttlingen“, wie sie mehrfach betonte. Überhaupt sei sie eh für diesen Ansatz.
Denn mit dem Zwei-Prozent-Ansatz würden in Deutschland 60 Milliarden Euro pro Jahr für die Verteidigung zur Verfügung gestellt werden. Allein zur Eindämmung der Hungerkatastrophe in Afrika, vor allem im Südsudan, müsste die Weltgemeinschaft im Vergleich dazu lediglich vier Milliarden Euro aufbringen. Doch dafür sei die Bereitschaft allerdings nicht vorhanden. Und das, obgleich der deutsche Verteidigungshaushalt in den vergangenen Jahren in etwa um diese Zahl gestiegen sei. Sie wundere sich, dass die Bevölkerung so hohe Ausgaben für die Rüstung hinnehmen würde. Das Geld würde an anderer Stelle, etwa für die Infrastruktur, fehlen.
Zitat von Astrid Lindgren
Die Bundestagsabgeordnete umriss in ihrem Vortrag die aktuell wichtigen internationalen Krisen – von Syrien und Afghanistan über Russland bis zur Türkei. Doch sie dämpfte gleich die Erwartungen der etwa 25 Zuhörer: „Wir als Grüne werden die Probleme der Welt nicht lösen.“Dabei zitierte sie einen Satz der schwedischen Schriftstellerin Astrid Lindgren, den sie bei der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels im Jahr 1978 gesagt hatte: „Über den Frieden sprechen heißt ja, über etwas sprechen, das es nicht gibt.“Frieden sei mehr als die Abwesenheit von Gewalt zeigte sich Brugger überzeugt. Darum müsse man sich „Tag für Tag bemühen“.
Im Bezug auf die Spannungen mit der Türkei nach dem aktuellen NaziVergleich vom türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan würde Brugger die Stimme der Bundesregierung fehlen: „Ich habe das Gefühl, dass wir unsere eigenen Werte verraten“, sagte sie. Daher plädierte sie auch für einen Abzug der Bundeswehr vom deutschen Luftwaffenstützpunkt Incirlik in der Türkei.
Die Grünen sollten laut Brugger dafür kämpfen, dass das Geld in zivile Kräfte investiert wird, um gesellschaftliche Strukturen in den Krisenländern aufzubauen. Denn: Ohne diese wäre jede militärische Intervention wenig sinnvoll – das hätten etwa auch die Soldaten, die in Afghanistan im Einsatz seien, realisiert. Es sei erstaunlich, dass derzeit 3200 Soldaten im Ausland im Einsatz seien, aber nur 200 Polizisten: „Ein Militäreinsatz kommt immer dann, wenn man im Vorfeld etwas verpasst hat“, appellierte Brugger. Die Grünen müssten Alternativen aufzeigen.