Polizeireform wird teuer
Fachleute attestieren erheblichen Personalmangel
(tja) - Bei der Neuorganisation der Polizeipräsidien in Baden-Württemberg 2014 sind regionale Besonderheiten zu wenig berücksichtigt worden. Außerdem gelang es nicht, mehr Polizisten in den Streifendienst zu bringen. Zu diesem Urteil kommen Experten, die im Auftrag der Landesregierung die Reform untersucht haben. Sie übergaben ihren Bericht am Dienstag in Stuttgart an Innenminister Thomas Strobl (CDU).
Wie berichtet, schlagen die Fachleute vor, zwei weitere Präsidien zu gründen, eines davon in Oberschwaben. Das Präsidium in Tuttlingen soll geschlossen werden. Die Kommission warnt auch vor Personalmangel, nennt jedoch keine Zahlen. Dennoch wird die Umsetzung der Vorschläge teuer. Allein für die neuen Präsidien sind 120 zusätzliche Stellen einkalkuliert. Bis zum Sommer soll der Landtag entscheiden, welche Empfehlungen umgesetzt werden.
- Neue regionale Zuständigkeiten, zwei weitere Polizeipräsidien und mehr Personal: Das sind die Kernpunkte eines Berichts zu Schwächen der Polizeireform von 2014. Am Dienstag haben Experten ihre Untersuchungsergebnisse an Innenminister Thomas Strobl (CDU) übergeben. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu im Überblick.
Warum wurde die Reform überhaupt untersucht?
Der damalige SPD-Innenminister Reinhold Gall hatte 2014 aus 37 Polizeipräsidien und -direktionen zwölf regionale Präsidien und drei Spezialpräsidien geschaffen. Ziel war es, Strukturen zu straffen und mehr Polizisten auf die Straße zu bringen. Doch es gab Kritik aus Polizei und Justiz, aber auch aus der CDU. Die war damals in der Opposition. Nun regiert sie seit 2016 mit den Grünen. Die Partner einigten sich darauf, die Reform zu überprüfen.
War die Reform ein Erfolg?
Die Experten meinen: grundsätzlich ja. „Sie hat zu entscheidenden Verbesserungen beigetragen“, schreiben sie. Allerdings habe sie nicht alle Ziele erreicht. So seien beim Zuschnitt der Präsidien „regionale Zusammenhänge“zu wenig beachtet worden. Zuständigkeiten über bis zu fünf Kreisgrenzen hinweg hätten zu Reibungsverlusten geführt. Außerdem kommen die Fachleute zu dem Schluss, dass nicht wie geplant mehr Polizisten auf der Straße Dienst tun. Das habe allerdings auch Gründe, die bei Planung der Reform nicht abzusehen waren. So sind heute angesichts der veränderten Sicherheitslage allein 500 Beamte für den Staatsschutz tätig – die zum Großteil aus dem normalen Dienst abgezogen wurden. Auch die steigende Ausländerkriminalität und steigende Zahlen bei Delikten wie Einbruch gelten als Ursachen. Die Personalnot bereitet den Fachleuten die größten Sorgen. Sie sehen zwar Potenzial, um durch eine bessere Organisation mehr Beamte in den Streifendienst zu bringen. So sollen etwa weniger Personen in der Polizeiführung arbeiten und mehr Servicepersonal Aufgaben erledigen, für die es keine Polizeiausbildung braucht. Das reicht nach Ansicht der Experten nicht aus, um die Lücken zu schließen.
Wie sollen sich die Präsidien verändern?
Es soll zwei neue Präsidien geben. Eines soll für den Bodenseekreis sowie die Kreise Sigmaringen und Ravensburg zuständig sein. Zum Standort sagen die Experten nichts, als Favorit gilt Ravensburg. Konstanz bekäme drei andere Kreise hinzu (siehe Karte). Damit wäre das Präsidium Tuttlingen überflüssig, ein neues Präsidium – wohl in Pforzheim – würde dessen Kreise übernehmen. Ein neues Präsidium wäre zuständig für den Rems-Murr-Kreis und Esslingen. Ulm verliert den Kreis Heidenheim, der an Aalen ginge.
Was soll sich noch ändern?
Schwere Verkehrsunfälle im ländlichen Raum sollen wieder von den Polizeirevieren und Autobahnpolizeien vor Ort aufgenommen werden. Ab 2014 waren dafür zentrale Stellen zuständig. Lange Wege zu den Unfallstellen verursachten Probleme.
Was kostet das alles?
30 Millionen Euro veranschlagen die Experten für Neu- und Umbauten. Außerdem kalkulieren sie 120 Stellen für die beiden neuen Präsidien. Darüber hinaus fordern sie weiteres Personal, sagen aber nicht, wie viel.
Wie wurde untersucht?
Vertreter von Ministerien, Polizei, Opferorganisationen, Kommunen und Justiz waren beteiligt. Mit Unterstützung der Polizeihochschule organisierten sie Interviews und Umfragen. An einer Onlinebefragung aller rund 29 000 Polizeimitarbeiter beteiligte sich etwa ein Drittel. Außerdem werteten Fachleute Daten zur Polizeiarbeit aus.
Wie geht es weiter?
Am Montag treffen sich die Spitzen von Grünen und CDU, am Dienstag berät das Kabinett über das Vorgehen. Noch vor der Sommerpause soll der Landtag beschließen, welche der Vorschläge umgesetzt werden.