Angeklagter hört Stimmen
Prozess um getötete 90-Jährige bringt erstmals Details über das Leben des Beschuldigten
Im Prozess um Totschlag an einer 90-Jährigen werden Details bekannt.
- Beim Prozess um die Unterbringung des Mannes, der angeklagt ist, im März vergangenen Jahres eine 90-Jährige in Spaichingen erschlagen zu haben, sind am Dienstag erstmals Details aus dem Leben des 46-Jährigen bekannt geworden. Bei seinen Aussagen vor Gericht war die Öffentlichkeit ausgeschlossen, doch am Dienstag wurde das Protokoll seiner Vernehmung verlesen.
Demnach wuchs der Mann in einer Schwarzwaldgemeinde auf, mit drei älteren Geschwistern und einem Vater, der unter Alkoholeinfluss aggressiv wurde. Er sei ein überdurchschnittlicher Grundschüler gewesen, dann aufs Gymnasium nach Schramberg gekommen, wo er sogar Schülersprecher war. Doch dann habe er Psychosen bekommen, sei von der Schule geflogen und in einer Einrichtung untergekommen, danach habe er erneut versucht, das Abitur zu machen, was nicht gelang.
Ohne Abschluss schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch, reiste durch Indien und andere Länder. Mit Alkohol oder Drogen habe er keine Probleme gehabt, er wollte einen klaren Kopf behalten, so seine Aussage. Mal war er obdachlos, mal wohnte er bei Bekannten, mal bei den Eltern und später beim Bruder. Vor Jahren sei er dann an Krebs erkrankt und habe eine Chemotherapie gemacht.
Die psychischen Probleme seien angeboren, auch sein Onkel und der Großvater hätten solche Störungen gehabt. Er selbst sehe Monster und Teufel, gegen die er sich mit selbstgebastelten Kreuzen schütze. So habe er bei dieser Aussage ein aus Stiften und einem Schnürsenkel hergestelltes Kreuz aus der Tasche geholt und sich um den Hals gehängt, so das Protokoll.
Angeklagter schiebt Schuld dem Sohn zu
Er fühle sich phasenweise wie Gott, besitze Magie, mit der er die Welt besser machen wolle. Und er höre Stimmen, die ihn beleidigten. „Ich bin kein gewalttätiger Mensch“, sagte er aus, nur im Notfall wehre er sich. Immer wieder war er für längere Zeit in psychiatrischen Kliniken und betreuten Einrichtungen. Die Medikamente vertrage er nicht. Und er betonte, er habe der Mutter seines Bekannten nichts getan, im Gegenteil, habe sie zu retten versucht.
Es sei der Sohn selbst gewesen, der habe auf sie eingetreten und „Du Teufel, Du Schlange!“geschrien. Er habe versucht, ihn davon abzubringen, aber das sei bei einem 130-KiloMann nicht leicht gewesen.
Mehrere Zeugen beschrieben am Dienstag, dem dritten Verhandlungstag, die Tat. Es habe wie ein Schlaganfall ausgesehen, erzählte ein hinzugerufener Notarzt, der beim Eintreffen den Beschuldigten über der alten Frau liegen sah. Er habe den Eindruck gehabt, der Mann habe versucht, die Frau wiederzubeleben und jetzt eine Mund-zu-Mund-Beatmung probiert. Der 46-Jährige habe, wie das Opfer, Blut im Gesicht gehabt, die Frau einen verletzten Brustkorb, doch auch das hätte von einer ungeschickten Herz-Druck-Massage kommen können. Als er ihr eine Sauerstoffmaske aufsetzte, habe sie versucht, diese runterzureißen, sei aber nicht ansprechbar gewesen. Den rechten Arm habe sie nicht bewegt, auch das hätte auf einen Schlaganfall hinweisen können.
Auch die Sanitäter sagten aus, erst keinen Verdacht gehabt zu haben, dass es sich um ein Verbrechen handeln könnte. Sie seien öfter in das Haus gerufen worden, denn die alte Frau habe immer wieder internistische Probleme gehabt. Außerdem habe es immer wieder Probleme mit den Untermietern gegeben, so einer der Rettungsassistenten.
Er beschrieb das Haus als verwahrlost, der Sohn habe vor längerer Zeit einen Schlaganfall gehabt und wirke sehr ungepflegt. Übereinstimmend waren auch die Aussagen, dass sich nur der beschuldigte 46-Jährige und nicht der Sohn beim Opfer befunden habe, als sie eintrafen.
Später wurde die Rettungswagenbesatzung erneut an den Tatort gerufen, diesmal von der Polizei. Zu dem Zeitpunkt war der 46-Jährige mit Gürtel und Handschellen gefesselt worden, weil er sich stark gegen seine Verhaftung wehrte. Der Notarzt setzte ihm dann ein Beruhigungsmittel, dann wurde er ins Vinzenz von Paul-Hospital nach Rottweil gebracht. Der Mann habe ihn wüst beschimpft, aber das sei normal, so der Arzt. Dass er von ihm bei der Übergabe angespuckt worden sei, allerdings nicht.