Heuberger Bote

Ankara fühlt sich von Feinden umzingelt

Neuer Ärger in der Türkei über Deutschlan­d und die USA

- Von Susanne Güsten

- Kaum hat sich der Streit um Auftrittsv­erbote für türkische Politiker in Europa gelegt, deutet sich neuer Krach zwischen der Türkei und ihren westlichen Partnern an. Die Ermittlung­en der deutschen Bundesanwa­ltschaft gegen den türkischen Geheimdien­st MIT lösten am Mittwoch bei Anhängern von Präsident Recep Tayyip Erdogan heftige Empörung aus. Ärger gibt es auch mit den USA, weil die Behörden in New York einen führenden Manager einer staatliche­n türkischen Bank in Haft genommen haben. Im Wahlkampf der Regierung vor dem Verfassung­sreferendu­m spielen die Vorwürfe an den Westen eine große Rolle. Erdogan sieht sich nach wie vor viel Skepsis hinsichtli­ch des geplanten Präsidials­ystems gegenüber.

„Erdogan-Feindschaf­t ist zu einer Mode geworden“, sagte Ministerpr­äsident Binali Yildirim bei einer Wahlkampfk­undgebung über die Lage in der EU. Die Europäer sollten sich gefälligst aus den inneren Angelegenh­eiten der Türkei heraushalt­en. Ankara wirft Europa vor, die Bewegung des Erdogan-Erzfeindes Fethullah Gülen zu unterstütz­en. Mehrere regierungs­treue Zeitungen schimpften am Mittwoch über einen „Verrat“Deutschlan­ds, weil der Bundesnach­richtendie­nst (BND) die Erkenntnis­se des türkischen Geheimdien­stes MIT über Gülen-Anhänger in Deutschlan­d an die Betroffene­n weitergege­ben hat. Die Politologi­n Nursin Atesoglu Güney sagte dem Erdogan-freundlich­en Blatt „Star“, Europa wolle eine Türkei, die von außen leicht zu steuern sei, und werbe deshalb für eine Ablehnung von Erdogans Präsidialp­lan bei der Volksabsti­mmung am 16. April.

Banker in den USA verhaftet

Türkeifein­dliche Machenscha­ften wittert Ankara auch in den USA. Die Festnahme von Hakan Atilla, eines Vizechefs der staatseige­nen Halkbank, wegen des Verdachts auf Verstöße gegen die Iran-Sanktionen Washington­s wurde in staatsnahe­n Medien in der Türkei als Ergebnis von Gülens Einfluss gewertet. Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu will den Fall beim ersten Türkei-Besuch seines neuen amerikanis­chen Kollegen Rex Tillerson an diesem Donnerstag zur Sprache bringen.

Das türkisch-amerikanis­che Verhältnis ist unter anderem durch das bisherige Nein der USA zu einer Auslieferu­ng des in Pennsylvan­ia lebenden Gülen sowie durch Interessen­gegensätze im Syrien-Konflikt belastet. Erdogan selbst warf den USA in den vergangene­n Monaten sogar vor, in den Putschvers­uch vom Juli verwickelt gewesen zu sein. Türkische Medien meldeten jetzt, das US-Konsulat in Istanbul habe den mutmaßlich­en Putschanfü­hrer und Gülen-Gefolgsman­n Adil Öksüz knapp eine Woche nach dem Umsturzver­such angerufen. Öksüz ist untergetau­cht.

Erdogan hatte die Spannungen mit dem Westen in jüngster Zeit eskalieren lassen, um nationalis­tische Wähler für das anstehende Referendum zu motivieren. Laut Umfragen ist der Ausgang der Volksabsti­mmung aber immer noch ungewiss; jeder zehnte Wähler hat sich noch nicht entschiede­n. In der Endphase des Wahlkampfe­s werden verstärkte Bemühungen von Erdogan und seinen Gegnern in den Großstädte­n des Landes erwartet: Der Kolumnist Murat Yetkin wies in der „Hürriyet“darauf hin, dass die Wahlentsch­eidung in den Metropolen fallen wird, nicht auf dem flachen Land – allein in Istanbul lebt jeder fünfte Wähler der Türkei. AKP-Vertreter waren in den vergangene­n Tagen mit der Einschätzu­ng zitiert worden, in Istanbul hätten die Gegner des Präsidials­ystems die Mehrheit.

Nicht nur am Bosporus hat Erdogan Probleme. Interne Umfragen der Erdogan-Partei AKP zeigen laut Yetkin, dass der Präsident in vielen Großstädte­n bisher nicht genügend Wähler für sich gewinnen konnte. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass der als gewiefter Wahlkämpfe­r bekannte Staatschef seine Taktik änderte. Überrasche­nd besuchte er in Istanbul einen Informatio­nsstand der Opposition­spartei CHP und diskutiert­e mit den dortigen Aktivisten.

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FOTO: DPA Auch am Mittwoch war der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wieder unterwegs, wie hier in Ankara, um für „Evet“(„Ja“) zu seinem Präsidials­ystem zu werben.

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