„Es gibt viele emotionale Erinnerungen“
Der neue Verein „Initiative KZ-Gedenken in Spaichingen“stellt sich am Dienstag vor
- Der neu gegründete Verein „Initiative KZ-Gedenken“stellt sich am kommenden Dienstag, 4. April, um 18 Uhr im Martin-Luther-Haus erstmals der Öffentlichkeit vor. Regina Braungart befragte die Vorsitzende Dr. Ingrid Dapp zu den Aktivitäten und Zielen des Vereins.
Frau Dapp, der neue Verein stellt sich am Dienstag der Öffentlichkeit vor. Was ist dabei der Schwerpunkt?
An diesem Abend wollen wir den Verein und das Projekt bekannt machen und erklären. Auch wollen wir für Fragen zur Verfügung stehen. Wir hoffen, dass wir vielleicht noch weitere Informationen aus der Bevölkerung bekommen.
Und wo liegt der Schwerpunkt des Vereins generell?
Wir wollen die vorhandenen Dokumente zusammen führen, digitalisieren und dann möglichst auf einer Homepage der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Daneben geht es um eine Vernetzung mit anderen Gedenkstätten und um die Überlegung der Stadt, wie das Gelände des vorhandenen Denkmals von Roland Martin umgestaltet wird und um die pädagogische Aufarbeitung für Schüler und andere Interessenten.
Sie wollen als Vereinsaktivität auch Zeitzeugen befragen und das aufnehmen. Gibt es nch viele Menschen, die sich an das KZ von 1944/ 45 erinnern?
Wir haben schon vier Zeitzeugeninterviews aufgenommen. Alle noch lebenden Zeitzeugen erinnern sich ans KZ, aber nur wenige sind bereit, darüber zu reden. Auch war es ziemlich abgeschirmt, sodass es wenig Informationen gibt. Es gibt aber viele emotionale Erinnerungen.
Wie stellen Sie sich die künftige Arbeit vor?
Zunächst die weitere Sammlung von Fakten und soweit möglich deren wissenschaftliche Überprüfung. Zum anderen geht es darum, dass die Gedenkkultur, die ja durch die demnächst aufgestellte Metallplatte, gefertigt von Wolfgang Schmid, Frieder Preis und Frank Mrowka, den Gedenkweg und anderes schon existiert, stimmig ist. Alles soll künftig auch mehrsprachig sein, weil wir dem Verband des KZ NatzweilerStruthof und seiner Außenlager angehören und uns gerne an dem Antrag auf Aufnahme ins Europäische Kulturerbe beteiligen möchten. Im Moment bekommen wir sehr viel Unterstützung von anderen Gedenkinitiativen und der Landeszentrale für politische Bildung, die die Gedenkstättenarbeit fördert.
Lange Zeit waren das KZ und das öffentliche Erinnern in Spaichingen mit einem Tabu behaftet. Woran lag das?
In der älteren und der Nachkriegsgeneration gab es Scham- und Schuldgefühle, die ich aber heute für nicht mehr gerechtfertigt halte. Man dachte, dass man, wenn man ein Mal im Jahr zum KZ-Ehrenmal geht, der Erinnerung genüge tut.
Hat sich das geändert?
Teilweise. Es gibt Menschen, die dazu stehen und die ihre persönliche und ihre Familiengeschichte erzählen. Aber für viele ist das Thema noch angstbesetzt.
Angst wovor?
Angst davor, bloß gestellt zu werden, in eine falsche Schublade gesteckt zu werden, vor dem Öffentlich Machen.
Es gibt Leute, die sagen, man solle die alte Geschichte endlich ruhen lassen. Warum soll das nicht sein, nach Ihrer Meinung und der des Vereins?
Da möchte ich gerne Richard von Weizsäcker anläßlich des 40. Jahrestags der Beendigung des Zweiten Weltkriegs zitieren: „Es geht nicht darum, Vergangenheit zu bewältigen. Das kann man nicht. Sie lässt sich ja nicht nachträglich ändern oder ungeschehen machen. Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren.“