Gesprächsmarathon ohne klare Gewinner
Beim wohl letzten Koalitionsausschuss vor der Bundestagswahl bleiben viele Fragen offen
- Sechseinhalb Stunden hatte am Mittwochabend der Koalitionsausschuss getagt, bei dem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erstmals direkt mit ihrem SPD-Herausforderer Martin Schulz um politische Weichenstellungen rang. Wer konnte sich in der Marathonsitzung besser durchsetzen? Welche wichtigen Beschlüsse wurden gefasst? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wo konnte die Union punkten?
Die Spitzen von CDU und CSU sehen sich als Gewinner der Marathonnacht, setzten sie doch Anliegen zur Inneren Sicherheit durch. So wird die Mindeststrafe für Einbruchsdiebstahl auf ein Jahr angehoben, Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte dagegen für ein halbes Jahr plädiert. Einbruchsdiebstahl wird nun als Verbrechen eingestuft, wodurch Verfahren nicht so rasch eingestellt werden können. Auch gegen Sozialbetrug von Asylbewerbern will die Koalition härter vorgehen: Durch den Zugriff auf Fingerabdrücke von Antragstellern sowie durch Vaterschaftstests, wenn der Verdacht besteht, ausländische Männer wollten sich durch eine Vaterschaftsanerkennung ein Bleiberecht erschleichen. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach von einem „schönen Erfolg“- auch wenn eine leichtere Abschiebung von Ausländern wegen Sozialbetrugs am Widerstand der SPD scheiterte.
Wo hat sich die SPD durchgesetzt?
Damit Frauen nicht länger schlechter bezahlt werden als Männer, wenn sie den gleichen Job machen, wird es neue Auskunftsrechte geben. Und dies für Betriebe ab 200 Mitarbeitern. Das grüne Licht für das Lohngleichheitsgesetz ist ein Erfolg von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) im Ringen mit dem UnionsWirtschaftsflügel. Beim Familiennachzug von Flüchtlingen soll die Härtefallklausel genutzt werden, auch das hatte die SPD gefordert.
Was wurde ohne Streit abgeräumt?
Kinderehen werden grundsätzlich verboten – darauf hatten sich die Koalitionäre schon vorher geeinigt, weil beide Seiten Handlungsbedarf sahen. Ehen von Jugendlichen unter 16 Jahren werden aufgehoben. Heiratsurkunden gibt es erst ab 18 Jahren. Überdies wird das Präventionsprogramm gegen islamistischen Extremismus um 100 Millionen Euro aufgestockt. Für Kinder und Frauen in Flüchtlingsheimen beschloss der Koalitionsausschuss die Einführung bundesweiter Schutzregeln. Von einer „konstruktiven Atmosphäre“war angesichts der Einigungen die Rede.
Kommt es zu einer Deckelung der Managergehälter?
Nein, hier scheiterten die Sozialdemokraten am Widerstand der Union, die eine Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Managergehältern auf maximal 500 000 Euro pro Jahr nicht mitmachen will. Im schwarzroten Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass die Hauptversammlungen auf Vorschlag des Aufsichtsrates über die Höhe der Gehälter entscheiden. Die SPD wird nun mit ihrem Ruf nach Deckelung der Managerbezüge in den Wahlkampf ziehen.
Warum scheiterte die Solidarrente, obwohl sie im Koalitionsvertrag vereinbart worden war?
Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) fordert einen Aufschlag von zehn Prozent für langjährige Geringverdiener. Die Bedingung der Union, den Zuschlag an eine Bedürftigkeitsprüfung zu knüpfen, akzeptierten die Sozialdemokraten nicht, weil sie in der Solidarrente keine Sozialleistung sehen, sondern die Anerkennung für 35 Jahre Arbeit.
Auch das Recht auf Rückkehr in Vollzeit kommt nun nicht?
Die SPD will die 750 000 Menschen, überwiegend Frauen, die nicht zurück zur Vollzeit können, aus der „Teilzeitfalle“holen, indem sie ein Recht auf befristete Teilzeit erhalten. Bundeskanzlerin Merkel habe sich aber quergestellt, hieß es am Donnerstag aus SPD-Kreisen. Der Union gehen die Vorschläge zu weit, insbesondere, dass das Rückkehrrecht schon für Unternehmen ab 15 Mitarbeitern gelten soll.
Warum hat die SPD die „Ehe für alle“auf die Tagesordnung gesetzt, obwohl das Scheitern bei diesem Thema absehbar war?
Das Thema dient beiden Seiten zur Profilierung: Die Sozialdemokraten wissen die breite Bevölkerungsmehrheit hinter sich, wenn es darum geht, die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Partner zu öffnen. Die Union betont durch ihren Widerstand ihr traditionelles Familienbild.